Der Aarhöhenweg

Taunusstein, den 11. April 2022 – Zwischen dem Höhenrücken des Taunus und dem Tal der Lahn fräsen sich sieben Bäche durch ihre Täler.
Eines davon ist das Aartal im hessisch/rheinlandpfälzischen Grenzgebiet, nicht zu verwechseln mit dem Ahrtal in der Eifel. Bereits 2003 hat man einen 64 Kilometer langen Wanderweg von der Quelle bei Taunusstein/Orlen bis zur Lahnmündung in Diez entwickelt. Wenn man von der Quelle im Taunus bis zur Flussmündung wandert, so bewegt man sich unter Langstreckendistanzaspekten tendenziell abwärts, auch wenn auf dem Papier die insgesamt 1.300 Höhenmeter etwas anders vermitteln. Zwei Tage genügen für die Gesamtstrecke, einzig die dünn gesäten Übernachtungsmöglichkeiten erschweren die Planung einer Spontanwanderung und erfordern einen erhöhten logistischen Aufwand.

Ein optimaler Startpunkt ist der Wanderparkplatz Zugmantel bei Taunusstein/Orlen, denn dieser wird per Bus über die Achse Diez/Limburg direkt angedient. Bereits nach 700 Metern erreicht man die Aarquelle, die sechs Jahre zuvor noch aus einer Wiesenmulde mehr oder minder unbemerkt sickerte. Zwar hat man nun einige Bruchsteine als Quellmarkierung abgelegt, jedoch befinden sich im Gelände keine expliziten Hinweise auf den Quellpunkt, so dass das ungeübte Auge wenig Chancen hat, den offiziellen Startpunkt der Wanderung zu lokalisieren. 300 Meter hinter der Quelle sind drei Fischteiche angelegt, durch die das noch junge Gewässer verläuft. Während die Aar sich durch den Weiler Neuhof schlängelt, verzieht sich der Aarhöhenweg rechter Hand zwischen den Ortschaften Orlen und Neuhof zum Taunusstein-Stadtteil Wehen, dort wo der Wanderweg wieder auf das Flüsschen stößt. Bei Taunusstein empfiehlt es sich eine Kaffeepause einzulegen, denn weitere Einkehrmöglichkeiten sind auf der 43 Kilometer langen Strecke bis zum Tagesziel in Kettenbach nicht wirklich vorhanden bzw. verfügbar.

Das Schild zeigt die Richtung, jedoch die Quelle selbst ist nicht markiert
Hier sickern die ersten Aartropfen gen Lahn
Quert man die B417 so öffnet sich auf einem Höhenzug die Landschaft gen Taunusstein
Aartour – so der Name dieses Kunstwerkes als Eintrittspforte zum Taunussteiner Naturagebiet 2000
Nach zehn Kilometern ab Quelle nimmt die Aar schon mächtig Fahrt auf

Einige Informationstafeln rund um Taunusstein informieren über geschichtliche Höhepunkte in der Flusslandlandschaft. Schon die Römer erhitzen hier das Flusswasser um in hier errichteten Badehäusern sich zu reinigen. Mühlen, die im 18. Jahrhundert errichtet wurden versorgten die Landbevölkerung, auf der Galgenwiese bei Bleiderstadt wurden in Flussnähe Halunken aufgeknüpft und oberhalb des Flusses errichtete man in unmittelbarer Nachbarschaft des Strickes ein bedeutendes Benediktinerkloster. Während die Aar hinter Bleidenstadt gen Südwesten verschwenkt, führt der Aarhöhenweg sinniger gen Norden in die Höhe. Lohnenswert ist ein Abstecher vom Pfad hinauf zum Hähnchenfels. Hier oben kann man nochmals auf die wie Perlen aneinandergereihten Stadtteile von Taunusstein bewundern.

Auch gut- Endlager Brennstäbe….
Auch so kann man 360 Grad abdecken……
..es geht aber auch auf diese Weise….
Blick vom Hähnchenfels zurück auf das Quellgebiet der Aar

Oberhalb des “Aar-Mühlenviertels” dort wo einst die Mühlräder der Stiftsmühle, der Hähnchesmühle und der Hammermühle rotierten, umrundet man oberhalb den Hähncheskopf und wandert weiter in Kehren des Aar-Höhenweges, der sich parallel zum Fluss Richtung Norden verzieht. Hier befindet man sich auf dem Pionierweg, der 1912 von kaiserlichen Truppen bei einem Manöver angelegt wurde. Auf der Höhe des Eulenberges kann man den Vier-Kirchturm-Blick auf die Kreisstadt Bad Schwalbach einsammeln. Konnte man 1912 hier oben die Blicke sicherlich noch genießen, so wird man heute mit dem üblichen städtebaulichen Anblick der Neuzeit konfrontiert. Mehrstöckige Mehrfamilienhäuser, die sich um den ehemaligen Stadtkern emporkragen, Industriezonen die zur wirtschaftlichen Prosperität der Region beitragen und eine hochfrequentierte Bundesstraße, die eine Hauptachse durch die Kommune zieht, ein Abbild unseres Wohlstandes und Bequemlichkeit. Jedoch, auch im Wald wird man von Veränderungen konfrontiert, wie man im weiteren Wegeverlauf gen Adolfseck beobachten kann. Zwangsweise abgeholzte Flächen, wie man sie mittlerweile im Taunus häufig antrifft, legen neue Sichtachsen frei. Mag es manchen Wanderer erfreuen, jedoch immer mehr Förster und Försterinnen rutschen in eine Depression und sind emotional schwer belastet. Hintergrund dabei ist das Waldsterben, wie vor einer Woche der Hessische Rundfunk in einer Reportage berichtete.

Drei Eindrücke auf einem Bild. Eine umgestürzter Baum zerschmettert die Ruhebank am Aussichtspunkt, wo man sich niederlassen könnte um die vier Kirchtürme von Bad Schwalbach zu suchen…
..und dreht man sich um 180 Grad sieht man einen partiell entwaldeten Eulenberg
Abrasierte Berghänge ermöglichen neue Perspektiven auf Adolfseck im Vordergrund und Kemel auf der Höhe im Hintergrund
Oberhalb von Adolfseck ist ein schöner Rastplatz zum Verweilen angelegt

Ein gewisser Graf Adolf von Nassau-Idstein errichtete 1356 in Adolfseck, eine Burg, die dreihundert Jahre später als Steinbruch zweckentfremdet und geschliffen wurde. Heute ist von der ehemaligen Burganlage nichts mehr zu erkennen. Von Adolfseck geht es weiter Richtung Norden vorbei an der “Alten Schanze” einer ehemaligen Wall- und Grabenanlage, deren Herkunft nicht wirklich verortet ist, zum Justinusfelsen. Eingekerbt im Schieferfels ist die Inschrift Ianuarius Iustinus . So vermutet man, dass sich hier die Römer Steine holten, um am dreihundert Meter entfernten Limes Befestigungsarbeiten durchzuführen. Nach zwei Kilometern verschwenkt der Aar-Höhenweg offiziell auf die rechte Aarseite und führt über die felsigen Anhöhen mit Blick auf die gegenüberliegende Burg Hohenstein. Kann man machen, jedoch der schönere Pfad führt entlang der Aar direkt hinein nach Burg Hohenstein zur gleichnamigen Burg. Zwar hat der Waldpfad bedingt durch umgestürzte Bäume die Struktur eines Trimm-Dich-Pfades, jedoch lohnt der Gang zur Burg allemal, zudem man auch auf die gegenüberliegenden Felswände des Aar-Höhenweges einen guten Ausblick hat. Von der Burg führt ein historischer Pfad steil abwärts – somit kann man auf der Höhe des ehemaligen Bahnhofes auf der Gegenflanke wieder zum Aarhöhenweg zurückkehren.

An einigen Kreuzungspunkten im Wald ist der Aarhöhenweg nicht immer konsequent ausgeschildert.
Wasserreich: Von allen Seiten wird die Aar zusätzlich mit Wasser versorgt
Am Justinusfelsen
Der Frühling startet durch
Durch das noch blanke Baumgerippe kann man die gegenüberliegenden Felsen des Aartals erkennen
Auf der “falschen Seite” des Weges Richtung Burg Hohenstein
Burg Hohenstein mit Blick auf die Kirche und die Burganlage, die derzeit wegen Instandsetzungsarbeiten nicht besichtigt werden kann
Ein Besuch der stattlichen Ruine, dort wo auch Festspiele abgehalten werden, lohnt durchaus – wenn wieder geöffnet
Kerchepädche – steil war von jeher der Gang zur Ortskirche
Blick vom Bahnhof auf die gewaltige Burgruine. Der verbaute Taunusquarzit ist mittlerweile mürbe wie ein Blätterteig und wird derzeit saniert

Zurück auf dem Aarhöhenweg ist für die nächsten zehn Kilometer Waldarbeit angesagt. Bei Streckenhalbzeit lohnt ein kurzer Abstecher unterhalb der Streitlai zu einem Felsplateau, dort wo man auf das steil abwärts führende Aartal blicken kann. Michelbach links liegen lassend (montags sind alle gastronomischen Einrichtungen wie abgesprochen abgesperrt) führt der Aarhöhenweg durch das gewaltige Areal der ehemaligen Michelbacher Hütte. Von hier aus werden noch heute Kanaldeckel produziert und in alle Herren Länder unter dem Qualitätsnamen Passavant vertrieben. Endstation des Tages ist das benachbarte Kettenbach.

Inspiriert von den Eindrücken am Wegesrand…….
..kann man sich bei einem Päuschen sinnvoll die Zeit vertreiben….
..oder ganz einfach die Seele baumeln lassen…
….entspannen…..
…und die Blicke über das steilabwärts fallende Aartal schweifen lassen

Kettenbach, die Zwischenstation dieser zweitägigen Aar-Exkursion ist auch eine Landschaftsscheide. Hier endet das enge Aartal, die Landschaft öffnet sich und der Wald tritt zurück. Wiesen und Agrarflächen weiten das Landschaftsbild und auf dem Gang Richtung Burgschalbach ist Grenzübertritt angesagt. Von Hessen geht es nach Rheinland-Pfalz. Einziges Manko der Streckenführung, die Wege gen Diez werden asphaltlastiger, jedoch nicht unattraktiver. Ein optisches Highlight ist zweifelsohne die Burg Schwalbach in Burgschwalbach. Schon von weitem streckt sich der markante Bergfried in den Himmel. Im Verbund mit dem gegenüberliegenden 254 Meter hohen Honigküppel kann man den Graf Eberhard von Katzenelnbogen noch im Nachgang für die vortreffliche Entscheidung gratulieren, vor 650 Jahren genau an dieser Stelle die Burg errichten zu lassen. Einzige Eintrübung: der Fluch der Abgeriegeltheit schwebt auch über diese Burg. Während die Nachbaranlage restauriert wird hat man hier Corona vorgeschoben um das Haupttor abgeschlossen zu halten. So geht es ausblickslückenbehaftet weiter über die offenen Flurfelder mit Blick auf Hahnstätten und der gewaltigen Anlage eines imposanten Kalkwerkes, welches bereits seit 160 Jahren aus einem der reinsten Kalkvorkommen Europas Kalkprodukte produziert.

Startpunkt zur zweiten Passage am ACO-Standort in Kettenbach. Nicht nur Gullys kann der Gußeisenbetrieb…..
Das Landschaftsbild hat sich deutlich verändert
Ab und an sollte man auch die Hinweise beachten…
..links der Taunusblick….und rechts gen Westerwald
Hier ist die Beschilderung vorbildlich…..
..und in der offenen Landschaft auf Dauer ausgelegt
Die Schokoladenseite von Burg Schwalbach aus der Ferne…
..aus der Nähe…
..und dicht davor
Burganlagen der Neuzeit… Schaefer Putz – hier wird die feine Ware produziert

Hahnstätten und das gewaltige Kalkloch links liegen lassend wandert man nach Netzbach, dort wo eine außergewöhnliche Kuppelkirche, die auf einer Anhöhe steht, den Weiler als Landmarke unverkennbar markiert. Vorbei an Obereisen und Niedereisen wandert man zum Ortsrand nach Flacht. Hier schlägt der Aarhöhenweg auf dem Weg nach Holzheim einen kurzen Schlenker in östlicher Richtung. Wer jedoch, was zu empfehlen ist, seine Füße auf der Terrasse des italienischen Restaurants “Alte Mühle” austrecken möchte, folgt stattdessen dem Pfad entlang der stillgelegten Aartalbahn. Nach der Rast klinkt man sich wiederum ein in den Aarhöhenweg um vorbei an der Burgruine Ardeck nach Diez einzulaufen, dort wo die Aar nach 49,7 Flusskilometern in die Lahn entwässert.

Die Farbe Gelb wird in den nächsten Wochen mehr als deutlich das Landschaftbild prägen
Aber auch die Zwischentöne im Wechsel der Jahreszeiten sind nicht unattraktiv
Blick auf die markante Kirche von Netzbach
Ein Blick zurück gen Hahnstätten und den dahinter liegenden Anhöhen des Taunus
Frühjahrsgemälde
..und nebenan jahreszeitbedingtes Sti(eh)lleben
Burg Ardeck, welche vor mehr als 600 Jahren errichtet wurde
Ein optimaler Lebensraum für dieses Vierbeiner unterhalb der Burgruine
Und bei Freidiez sprudelt mächtig die Aar…
…um auf den letzten Metern vorbei an Schloß Diez…
..um die von rechts kommende Lahn auf dem Weg zum Rhein zu begleiten

Der Aar-Höhenweg – ein alter Verkehrsweg, der schon zu römischen Zeiten als Verbindungsachse genutzt wurde. Es ist eher ein Weg der Stille, mit punktuellen geschichtsträchtigen Stätten. Die hier vorgestellte Kombination, Tag 1 mit 43 Kilometern sowie Tag 2 mit entspannten 25 Kilometern bis zur Aarmündung, ist eine angenehme und wohldosierte Gesamttour. Nach Auskunft der Tourist-Info von Bad Schwalbach arbeitet man derzeit aktiv daran, das Aargebiet wandertechnisch aufzubohren. In der Pipeline sind derzeit zehn Aarschleifen analog der benachbarten Wispertal-Trails und eine behutsame Überarbeitung des Aar-Höhenweges, wobei nach Auskunft jedoch nicht vor Herbst 2022 mit einer Freigabe zu rechnen ist.

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