R[h]ein in den Frühling

Rheinfelden (D/CH), den 08. März 2024 – Ideal der Zeitpunkt und optimal die Strecke für einen schwungvollen Start in die anstehende Frühlingssaison. Unter dem Arbeitstitel “Rheinuferrundweg extended” hat eine länderübergreifende Projektgemeinschaft die Infrastruktur des bereits bestehenden Rheinuferrundweges Hochrhein aufgebohrt und ertüchtigt. So kann man zwischen Basel und Bad Säckingen den Hochrhein entdecken, um im O-Ton der Marketinghülsen der Projektgemeinschaft zu bleiben Natur, Landschaft, Besiedlung, Wirtschaft, Kulturgeschichte und Brauchtum zu entdecken.

Offiziell werden fünf Etappen für die Hochrheinentdeckung empfohlen – Freunde längerer Strecken können die auf 86 Kilometer ausgedehnte Strecke (inklusive zweier Zusatzschleifen) auf zwei intensive Touren a 43 Kilometer in Angriff nehmen. Optimal ist dabei der genau in der Mitte gelegene Startort Rheinfelden.

Gestartet wird in Rheinfelden (Baden) flußaufwärts gen Basel. Rheinfelden selbst ist eine junge Stadt, und feierte 2022 gerade einmal den 100. Geburtstag. Vor der Zollbrücke geht es dem Flußverlauf des Rheins folgend durch den Ortsteil Warmbach, die Autobahn A 861 querend vorbei am Industriegelände und der Kiesgrube von Herten in die Zone des Altrheins Wyhlen.

Vis a vis des Zollhauses hat die Kommune die städtischen Anlagen für den Frühling fit gemacht
Und nebenan am Rheinufer gedeihen sogar Palmen…..
..während einige Meter weiter dieser Torwächter umsonst schnuppert – denn Olivenbäume riechen nicht…
Steighilfe am Rheingeäst
Extrem steil sind hier die Böschungen am Rhein
Zahlreiche Spuren der Vergangenheit haben hier die einstigen Besatzer hinterlassen
Das Naturschutzgebiet Altrhein Wyhlen

Vorbei am Wasserkraftwerk Wyhlen setzt ein schöner naturbelassener Wanderpfad gen Grenzach ein. Zahlreiche Badestellen und Grillplätze bereichern dabei die kleinen Naherholungsgebiete, die hier im Umfeld des Altrheins geschaffen wurden und gleichen dabei auch den Anblick der gewaltigen Industriekomplexe auf der gegenüberliegenden Schweizer Seite aus. Kein Wunder, denn im großen, der Stadt Basel vorgelagertem Hafenkomplex werden zehn Prozent der Schweizer Importe und vierzig Prozent des Mineralölverbrauchs abgewickelt. Vorbei geht es am südlichsten Punkt von Baden-Württemberg zum deutschen Grenzort Grenzach. Hier empfiehlt sich ein Abstecher hinauf zum 345 Meter hohen Hornfelsen, um von hier aus ein Blick auf die Dächer von Basel zu werfen.

Eine Himmelsliege am Wasserkraftwerk Wyhlen. Insgesamt 2.100 Millionen Kilowattstunden sauberen Strom produzieren die vier Wasserkraftwerke pro Jahr, die sich zwischen Basel und Bad Säckingen befinden
Was der Southernmostpoint in Key West und Land,s End in Cornwall ist, ist in Grenzach-Wyhlen dieser Punkt
Magnolien – ein Frühlingsstartindikator
Irgendwie wie blöd gebaut diese Konstruktion…….
Hinauf zum Hornfelsen und dann über die grüne Grenze in die Schweiz
Vom Hornfelsen kann man wunderbar die Stadt Basel überblicken. Markant kragen dabei die beiden Roche-Türme aus – in der Spitze 178 Meter
..und rheinabwärts blickt man hinüber zu den Höhenzügen des Aargaus
Die Eidgenossen befinden sich in punkto Schilderwut auf Augenhöhe mit dem deutschen Nachbarn. Ein Stilbruch ist dabei das vielleicht versiffteste Landesgrenzenschild
Rheinquerung und damit auch Grenzübertritt am Wasserkraftwerk Birsfelden

Offiziell ist der Hochrheinweg auf der Schweizer Seite zwischen Birsfelden und Kaiseraugst nicht als Rheinuferrundwegetappe, sondern als gestrichelte Verbindung auf der Wanderkarte ausgewiesen. Obschon die Strecke mit offiziellen Wanderwegskennzeichen ausgestattet ist, war man vielleicht etwas verschämt das gewaltige Industrieareal als offizielle Wanderstrecke in der Karte auszuweisen. Jedoch, auch Industrieanlagen kennzeichnen die wichtigste Wasserstraße im Herzen Europas und nicht überall am Rhein darf man eine Loreleyanmut erwarten. Allerdings einen Vorteil hat diese Passage: man schaut rüber auf die deutlich attraktivere Rheinseite, dort wo man auch die südwestlichsten Weinlagen Deutschlands bewundern kann.

Dank Teletüte kann man sogar von der Wasserkraftwerksbrücke die bunten Dachziegel des Basler Münsters bewundern
Prachtvolle Mandelblüte am Schweizer Rheinufer
Blick hinauf zum gegenüberliegenden Hornfelsen und den darunter liegenden Weinhängen
Grobe Fahrlässigkeit im Birsfelder Hafen. Direkt über dem Wanderweg entladen Industriekräne Schiffsladungen voller Metallschrott. Der nicht überdachte Hafenweg ist übersät mit Metallteilen. Man hat nur eine Chance – zielgerichtet abwarten bis der Kran zur Abladung verschwenkt. Unter solchen Voraussetzungen darf dieser Abschnitt im operativen Hafenbetrieb auf keinen Fall freigegeben werden
Entspannter geht es hingegen im Hardwald zu – der Baumnachwuchs freut sich auf den Frühling
..und im Restaurant Waldhaus kann man zu Schweizer Konditionen gepflegt einkehren.
Auch auf Schweizer Grund und Boden sind Biber fleißig unterwegs
Blick hinüber zum südlichsten Punkt von Baden-Württemberg
Das Frühjahr nimmt Anlauf – ob am Boden….
..oder in der Höhe…
Schöne Pfade begleiten den alten Vater Rhein gen Kaiseraugst
..und an den Uferzonen ist das Gewässer kristallklar
Steile Muschelkalkhänge flankieren den Uferwanderweg. Fragil der Muschelkalk und nach Unwettern kann und muss man immer wieder mit Abgängen rechnen
Immer wieder wandert man an Fischerhütten vorbei Traditionell ist dabei die Fischfangtechnik mit Hilfe eines Fischwoogs. Ein Netz wird zwischen den beiden Balken befestigt, beschwert, danach schräg gegen die Strömung in das Wasser gelassen. Befestigte Schnüre signalisieren die Ankunft eines Lachses, die Arretierung wird gelöst, das Netz angehoben….
Erneut geht es am Wasserkraftwerk Wyhlen vorbei, diesmal auf der Schweizer Seite

Kaiseraugst – der Name der Schweizer Gemeinde ist Programm, denn einst unterhielten hier die Römer ein mächtiges Kastell. Noch heute belegen zahlreiche restaurierte römische Objekte die Bedeutsamkeit des Standortes. So lohnt es allemal den offiziellen Wanderweg zu verlassen um beispielsweise das römische Theater Augusta Raurica zu besichtigen. Damit jedoch nicht genug. Wenn man schon in der Region unterwegs ist, lohnt es auf der Strecke nach Rheinfelden in der Schweiz einen weiteren Abstecher einzuplanen: den Gang hinauf zur vielleicht schönsten Brauerei in der Schweiz, die Brauerei Feldschlösschen. Belohnt wird in man in zweifacher Hinsicht. Einerseits fasziniert das mächtige im Burgenstil erbaute Brauereianwesen und andererseits beeindruckt die Brauwelt, dort wo man an einer imposanten digitalen Bierzapfanlage selbstständig 24 verschiedene Biersorten verproben kann. Zweifelsohne ein gelungener Schlussakzent der ersten Passage des Hochrheinrundwanderweges.

Was wäre eine Stippvisite in der Schweiz ohne ein traditionelles Motiv wie dieses hier bei Kaiseraugst einzufangen
Theater Augusta Raurica….
…die besterhaltendste Anlage ihrer Art nördlich der Alpen
Das gelbe Hinweisschild ist die offizielle Kennzeichnung des Wanderweges auf der Schweizer Seite
..und zusätzlich hat man hier noch einen Musikweg durch das Untere Fricktal angeflanscht. Anlass war das fünfzigjährige Jubiläum einer Musikschule
Brauerei Feldschlösschen – ohne Frage ein imposantes Anwesen oberhalb vom Aargauer Rheinfelden
..und die Details des Brauereiobjektes begeistern ebenso…..
..wie die außergewöhnliche digitale Zapfanlage in der Brauwelt
Sehr fair für Schweizer Verhältnisse sind die Konditionen für eine automatisierte Bierverprobung. Für 12 Franken kann man einen digitalen Pass erwerben, um zehn Proben a einem Deziliter einzuschwenken. Als Dreingabe für den Rucksack erhält man das Probierglas nebst einem Fläschchen des Bieres was man als “Lieblingsgetränk” ausgedeutet hat. Ergo ein absolutes Highlight nach mehr als vierzig Wanderkilometern

Nach der gediegenen Bierverprobung im angenehmen Ambiente geht es abwärts in das schweizerische Rheinfelden. Die historische Altstadt beeindruckt und ist allemal gut für einen ausgedehnten Rundgang. Bereits um 930 ließ sich hier burgundischer Hochadel nieder und legte unweit der “Insili” den Grundstein für das heutige Rheinfelden.

Rheinfelden in der Schweiz – ein wahres Schmuckkästchen
Vorbei am “Insili” geht es zurück nach Rheinfelden in Baden
Im Gegensatz zum Schweizer Pendant sind historische Gebäude hier rar gesät und biertechnisch ist man, wie die Stippvisite im Nachbarland belegte zumindest in diesem Rheinabschnitt drüben besser aufgehoben

Am zweiten Tag dieser Exkursion geht es von Rheinfelden aus zunächst durch den Kanton Aargau vorbei an einem der größten Denkmäler der deutschen und europäischen Industriegeschichte. 1898 wurde im deutschen Rheinfelden die weltweit erste Pionieranlage für Drehstrom errichtet. Mit einer Frequenz von 50 Hertz wurde erstmals mit Wasserkraft im großen Stil Drehstrom erzeugt – ein weltweiter technischer Meilenstein. Ohne das imposante Kraftwerk hätte es auf deutscher Seite, so ist man sich sicher, keine Ansiedlung des heutigen Rheinfeldens in Baden gegeben. Im Gegensatz zum industrielastigen Areal im Baseler Einzugsbereich gestaltet sich die Wanderung zum Wendepunkt bei Stein am Rhein deutlich naturbelassener. So wandert man teilweise oberhalb des Flusses, teilweise auf sehr schmalen Ufertrassen kilometerweit durch den Laubwald. Hier zeigt sich auch der Vorteil der Jahreszeit. Im noch entlaubten Wald eröffnen sich immer wieder schöne Sichtachsen entlang der Flusslandschaft, Zwischen Wallbach im Aargau und dem gegenüberliegenden Wallbach (Baden) mäandert der Rhein um den bewaldeten Chrisieberg. Hinter Mumpf verjüngt sich der Abschnitt und man wandert auf schmalen Pfaden flussnah unterhalb der Autobahn und der Eisenbahntrasse gen Stein am Rhein, dort wo man über die vielleicht schönste Brücke des gesamten Rheins hinüber nach Bad Säckingen gelangt.

Just zum Sonnenaufgang geht es in die zweite Runde – diesmal rheinabwärts entlang des Ufers im Kanton Aargau
Der Stadtpark von Rheinfelden – eine Oase am Rhein
Ein Vertical-Slot-Fischpass am Rheinfelder Wasserkraftwerk. Neun Höhenmeter werden auf einer Distanz von 315 Meter überwunden. Stolze 1,8 Millionen Euro hat man hier investiert, damit jährlich 50.000 Fische aller Arten aufsteigen können, wie unlängst eine Fischzählung ergab
Das Flusskraftwerk Rheinfelden verhalf einst zur Gründung der ersten Aluhütte auf deutschem Boden
..und gegenüber der Aluhütte entfalten kleine Rheinbuchten ihre eigene Dynamik
Blick von der Schweizer Seite auf das gegenüberliegende Schloss Beuggen
Der Bärlauch ist im Anmarsch
Blick entlang des Rheins hinüber in den südlichen Schwarzwald
Ziel- und Marschrichtung abwärts hinab zum Wasser
…vorbei an römischen Schmauchspuren
..und gegenüber der Wehramündung beeindruckt die Naturvielfalt
Rheinidyll am Hochrhein
Grober Unfug ist die Angewohnheit der Eidgenossen selbst bei Landstrecken mit Zeit- statt mit Distanzangaben zu arbeiten. Was im alpinen Bereich sinnvoll ist, erweist sich hier als irreführend – es sei denn die Schweizer Präzisionsuhrenindustrie sponsert dieses Unterfangen
Bei Gegenverkehr wird es hier kritisch…
Eine herrlich ge- und verwachsene Platane
Die längste gedeckte Holzbrücke Europas verbindet auf 203,7 Metern die Gemeinde Stein am Rhein mit Bad Säckingen….
..und das schon seit 1272 in einer Vorgängerversion

Im Gegensatz zur Arbeiter- und Schlafstadt Rheinfelden in Baden ist Bad Säckingen ein kleines Juwel mit einer gut erhaltenen historischen Altstadt. Vielfältig die Geschichte der Stadt am Fluss und mit dem Versepos “Der Trompeter von Bad Säckingen” ist der Kurort auch in der deutschsprachigen Literatur verewigt. Zurück geht es zunächst auf angenehmen Wegen in das badische Wallbach und in eine kleine Naturschutzoase an der Wehramündung, dort wo viele Vögel nisten. Einzig hinter Schwörstadt wird es ungemütlich. Der Hochrheinwanderweg verschmilzt mit einem Radweg und verschwenkt zur begleitenden Bahntrasse gen Riedmatt, bevor man im Anschluss zurück zum Rhein in das Areal des Schlosses Beuggen eintauchen kann. Unterhalb der Industriezone des Aluminiumwerkes in Rheinfelden und vorbei am ersten europäischen Wasserkraftwerk mit Drehstromproduktion ist nach erneut 43 Kilometern das badische Rheinfelden erreicht.

Schloss Schönau in Bad Säckingen. Hier ist auch ein Trompetermuseum untergebracht
Sicherlich – damit kommt man schneller voran….
Rund um Schwörstadt findet man immer wieder schöne Rheinnischen
..einschließlich entsprechender Vorboten des Frühlings
..und dieses Trio fühlt sich in der Auenlandschaft besonders wohl
Angeblich verbrachte Kaspar Hauser zwei Jahre auf Schloss Beuggen
Kleine felsdurchsetzte Sandbuchten prägen das Flussbild bei Rheinfelden
..und vom badischen Rheinfelden blickt man zum Abschluss vom Adelberg hinüber auf die mächtig prächtige Feldschlösschenbrauerei

Es hat gepasst – rundherum. An Flüssen ist immer etwas los – so auch am Hochrhein. Mit dem hier offerierten Wanderangebot hat man Gelegenheit einzutauchen in eine Kultur-, Industrie- und Flusslandschaft im Dreiländereck – denn Mühlhausen, am Fuße der Vogesen gelegen, dockt unmittelbar hinter Basel an. Passend auch die Jahreszeit. Die Natur holt aus zum ersten Frühjahrsintermezzo aus, zudem gestatten die noch lichten Wälder vertiefende Ein- und Aussichten in die Landschaft des Oberrheins. Und wenn man noch die ein oder andere hier vorgestellte Zusatzschleife einbaut, so hat man im Gesamten ein rundes Wanderpaket. Einziger Wermutstropfen war die Wahl des Standortes – das badische Rheinfelden. Wandertaktisch optimal gelegen, jedoch infrastrukturell mit deutlichen Abstrichen behaftet. Eine badische Gaststube – Fehlanzeige. China Restaurant Rosengarten, China-Restaurant Taiyang, Chinarestaurant Fudu, China Restaurant Große Mauer, Restaurant Saigon, Restaurant Viet Sushi, Sakura Sushi Grill (Aufzählung unvollständig), ergänzt mit zahlreichen Pizzerien, die sich preislich am Schweizer Preisniveau orientieren (Pizzapreise ab 15 Euro aufwärts sind schlichtweg unangemessen). Die Alternative, die eine Hotelangestellte unter der Hand offerierte: “Der Nachbarort – oder über den Rhein …….” Jedoch, wer Fußpflege nach einem langen Marsch benötigt kann sich freuen: sieben leistungsfähige, überwiegend von Asiaten betriebenen Nagelstudios, bieten ihre Dienste an…..

Für 2,6 Millionen Euro hat man den bestehenden Rheinuferrundweg Hochrhein als “Extended-Version” durch uferbezogene Maßnahmen aufgewertet. Obschon die Hälfte der Strecke auf Schweizer Areal verläuft haben die Eidgenossen gerade einmal 358.000 Euro beigesteuert. Der Rest verteilt sich auf Deutschland und die EU
86 Kilometer und immerhin 1.400 Höhenmeter, so die Bilanz nach zwei Wandertagen

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*