Rod an der Weil, den 10. August 2018 –
Mittlerweile gibt es jährlich mehr als 24-Stunden-Wanderveranstaltungen im Bundesgebiet, ausgerichtet von Tourismusverbänden, Sportvereinen, Wandergesellschaften, Privatpersonen und sogar Großveranstalter die vereinzelt für teures Geld einen lausigen Service bieten. Gut beraten ist man daher bei Wahl derartiger Angebote auf einen Veranstalter zurückzugreifen, dem die Wanderexpertise in die Wiege gelegt wurde, wie beispielsweise dem Naturpark Taunus, der bereits zum vierten Mal eine 24 Stunden-Exkursion durch die Höhenzüge des Taunus anbot.
Konzeptionell unterscheiden sich die 24-Stunden-Wanderangebote des Naturparks vom Angebot anderer Anbieter. Liegt der Fokus bei anderen Veranstaltern primär auf der Zielgruppe sportlich ambitionierter Wanderer, die jenseits von 75 Kilometern und 2.000 Höhenmetern die ultimativen Wanderherausforderung suchen, konzentriert man sich im Taunus auf wanderinteressierte Neueinsteiger mit Ambitionen auf ein außergewöhnliches Erlebnis, angereichert mit kulturellen und naturellen Eindrücken, die die vielschichtige Taunuslandschaft zu bieten hat. 63 übersichtliche Kilometer, unterlegt mit hin- ausreichenden Raststationen, inklusive einer 90minütigen Relaxgelegenheit verdeutlichen den Ansatz des Ausrichters. Ent – statt Beschleunigung, Genußwanderung statt Powerwalk – so das Credo des Veranstalters.
Pünktlich um 19.00 Uhr begrüßte das kommunale Oberhaupt der Kommune Weilrod die vierzig Teilnehmer, darunter viele Ersttäter, die sich für diese Veranstaltungen angemeldet hatten. Optimal die äußeren Rahmenbedingungen. Nach einem reinigenden Niederschlag am Vortag, war der Druck der wochenlang anhaltenden Mörderhitze wie weggeblasen. Satte Cumuluswolken formierten sich zu einem wohlgefälligen Gesamtbild für das Auge und die Aussicht auf eine sternenklare Nacht machten Lust auf mehr. Unter der Regie der Naturparkführerin Susanne Weidert-Horn startete der Wandertroß zur ersten Etappe Richtung Wolfenhausen mit der Aussicht nach neun Kilometern zum Abendessen einzukehren. Mit dabei im Team der Guides auch Wolfgang Baumann. Der passionierte Jäger und profunde Kenner von Fauna, Flora und Kultur der Taunuslandschaft bereicherte einmal mehr diese Wanderveranstaltung mit seiner fachlichen Expertise.
Vom Startort, der Grundschule in Rod an der Weil ging es zunächst in westlicher Richtung aufwärts zu einem der ältestens noch erhaltenen Pfarrhäuser Hessens, welches vermutlich im 13. Jahrhundert errichtet wurde. Zunächst Richtung Westen, immer der Sonne entgegen führte die Passage weiter über die weitläufige Plateaulandschaft. Vorbei an Haselbach ging es, die Kreisgrenze Limburg-Weilburg querend, durch eine längere Waldpassage entlang des Schinderhannespfades. Der Pfad ist benannt nach einem üblen Gauner und Mörder, der im Nachgang zu Unrecht als Robin Hood des Taunus glorifiziert wurde, dank Zuckmayers Schauspiel “Schinderhannes”. Geschichtsklitterung mit Nachgeschmack.
Einerlei – kurz nach Sonnenuntergang war der Ortsrand von Wolfenhausen erreicht, dort wo der Halunke Schinderhannes 1802 gefangen genommen wurde, und dort wo 216 Jahre später 40 wohlgelaunte und unbescholtene Wanderer sich zum Abendessen niederließen. Kurz die blaue Stunde, die man am Himmel noch geniessen konnte, bevor Naturparkführer Wolfgang stilgerecht mit einer Posaune zum Aufmarsch anblies.
“Stirnlampe nach Möglichkeit aus” so die Ansage von Wanderchefin Susanne. Bewusst hatte man asphaltierte Wege gewählt, um Gelegenheit zu bieten, den menschlichen Sehsinn zu schärfen. Sicherlich, die kommende Nacht war sternenklar, die Milchstraße durchaus gut erkennbar und konstellationsbedingt war der Mars in einer überraschenden Deutlichkeit zu sehen. So war man durchaus verleitet, den Kopf mehr nach oben, als nach unten zu richten. Vorbei an Laubuseschbach (der ungewöhnliche Name ist einer Namensverschmelzung der Wüstung Laubus mit Eschbach zu verdanken) und weiter nach Weilmünster, dort wo die am Feldberg entspringende Weil als Namensgeber für die Kommune herhielt. Hitzebedingt mickrig der Wassereintrag des Flusses der nach insgesamt 46 Kilometern ab Quelle gerechnet bei Weilburg in die Lahn entwässert.
Nach einer kurzen Rast am nördlichsten Etappenpunkt Weilmünster (Dank an Munzur Kebaphaus, welches zwei Herren vor einer drohenden Unterhopfung rettete) führte die Passage südlich zurück nach Langenbach, dort wo zur Kilometerhalbzeit Gelegenheit bestand sich im dortigen Dorfgemeinschafts zur Nachtruhe für eineinhalb Stunden niederzulegen. Durchaus ungewöhnlich für eine geführte 24-Stunden-Veranstaltung, jedoch eine vom Veranstalter bewusst gewählte Form der Heranführung an eine 24-Stunden-Wanderung. Allemal spannender war ein Plausch mit den beiden Naturparkmitarbeitern Ralf Dienstbach und Markus Wolf. Ralf, ein ausgewiesenes Urstein des Naturparks ist als Hauptwegewart für die Hege, Pflege und Kennzeichung der Taunuswege hauptverantwortlich. Nach neunzig Minuten waberte ein Kaffeeduft durch den großen Saal des Dorfgemeinschaftshauses. Droge Kaffee, immer noch ein bewährtes Mittel, um müde Wanderknochen zu reanimieren.
Dem Flußverlauf der Weil in südlicher Richtung folgend galt es zunächst noch einmal acht Kilometer unter die Schuhsohlen zu nehmen, bevor oberhalb von Gemünden an einem eingerichteten Frühstücks-Outdoorplatz die wichtigste Mahlzeit des Tages eingenommen werden konnte. Ein störrisches morgendliches Wolkenband, welches die östliche Kante des Firmaments überlagerte, verhinderte die Bereicherung des Events mit einem herrlichen Sonnenaufgang. Jedoch, dies ist wirklich Jammern auf extrem hohen Niveau.
Wohlgestärkt ging es in die Tagesrunde. Laubach querend wurde die Passage nach Wilhelmsdorf aufgenommen um nach einigen Kilometern das weitläufige Naherholungsgebiet am Hattsteinweiher kurz vor Usingen zu erreichen. Der Hattsteinweiher ist übrigens der einzige Badessee im Taunus und wurde vor neunzig Jahren durch Erdwallaufschüttung geschaffen. Den westlichen Zipfel der Buchfinkenstadt Usingen streifend ging es entlang des Weierköpchenweges zur mittäglichen Raststation, die vom Naturparkteam am Grünwiesenweiher eingerichtet wurde. “Es sei eine Unsitte der früheren DDR, gar zum Ausspucken” befand in 2017 ein Leserbriefeschreiber im Usinger Anzeiger, der das hier gepflegte FKK-Treiben auf das Schärfste an den Pranger stellte. Blank waren lediglich die bereits hergerichteten Tische bei Ankunft, da der Wandertrupp definitiv zu früh eintraf. Jedoch das emsige Naturparkteam hatte flugs den Mittagstisch eingerichtet, so dass einmal mehr eine gepflegte Pause eingelegt werden konnte.
Nach der Mittagsjause ging es weiter, immer den Rüdiger-Best-Weg folgend durch einen längeren Waldabschnitt, um danach über die B275, das Areal Wolfsgarten zu streifen. Auf dem ehemaligen Flughafengelände befindet sich heute der zentrale Datenhub Deutschlands für Satellitendienstleistungen. Parallel zum Mehrpfuhlbach führte der Weiltalweg vorbei an der Landsteiner Mühle, dort wo an der benachbarten Kirchenruine Landstein nochmals eine Raststation für die Langstreckenwanderer eingerichtet war.
Vorbei an der Erdfunkstelle..
Dem Verlauf der Weil folgend ging es durch eine Talsenke zwischen Neuweilnau und Altweilnau. Hier eröffnete sich eine spektakuläre Sichtachse, die sich von Schloß Neuweilnau bis hin zur gegenüberliegenden Burg Altweinau erstreckte. Optional ausgestaltet wurde der Schlußakkord. Für all diejenigen, die noch Körner im Reservetank hatten bot sich die Variante über den Weiltalblick an, alle anderen hatten Gelegenheit die zwei Kilometer kürzere Variante, die direkt abwärts nach Rod an der Weil führte, zu wählen.
Am Ziel, der örtlichen Grundschule, konnte der Geschäftsführer des Naturparks Uwe Hartmann stolze 36 Finisher die Siegerurkunde überreichen. Übersichtliche 65 Kilometer nebst gut gangbaren 1.285 Höhenmetern, so die Schlußabrechnung dieses Trails. 24 entspannte Wanderstunden mit einer fürsorglichen Versorgung. Das rührige Taunusteam verstand es mit einer hocheffizienten Logistik betreutes Wandern auf einem guten Niveau umzusetzen. Einzig der in diesem Jahr überdurchschnittlich hohe Asphaltanteil drückte etwas unter den Schuhsohlen – hier sollten künftig die ausgezeichnete Wegestrecke der Taunuslandschaft intensiver genutzt werden. Allemal sind die Taunustouren für kulturinteressierte Langstreckenfreunde sehr zu empfehlen. Wie aus gut unterrichteten Kreisen zu hören ist, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass auch in 2019 wiederum zu einer 24-Stunden Taunus-Tour eingeladen wird.
Vielen Dank Martin für den tollen Bericht und den wunderschönen Fotos.
Ich hab mich des öfteren entdeckt…es war mal eine andere Erfahrung und persönliche Herausforderung in einer großen Gruppe gemeinsam zu wandern.
Hallo Christiane, das ist ja das herrliche bei solchen Veranstaltungen. Jede Durchführungsart hat Ihre Reize. Beste Grüße Martin
Die Tour war doch sonst immer unter der Leitung von Michael Mohr. Hat er Urlaub?
Nein – Michael Mohr ist diesmal tiefenentspannt mitgelaufen – aus Zeitgründen konnte er dieses Jahr nur nicht die Planung übernehmen