Schmitten, den 12. Juni 2021 – “Durch den Taunus wie vor Hunderten von Jahren” so die Überschrift des Flyers des Tourismusvereins Schmitten. Damit beworben wird ein Wanderweg der Weil, dem wasserreichsten Fluß im Taunus, der unweit des Kleinen Feldbergs auf einer Höhe von 738 Metern entspringt, um nach 47 Kilometern in die Lahn bei Weilburg zu entwässern. “Wenn vor langer Zeit Menschen durch den Taunus reisten, war dies stets mit Abenteuer verbunden. Dunkle Wälder, weite Strecken, nur gelegentlich begegnete man anderen Reisenden. Abends dann gemütliche Gasthöfe mit prasselndem Feuer und deftigen Speisen, in deren Schutz man die Nächte verbrachte. Auf dem Weiltagweg können Sie sich in diese Zeit zurückgesetzt fühlen und leicht vergessen, in welchem Jahrhundert sie sich wirklich befinden“, so die pathetische aber durchaus neugierig machende Beschreibung eines Wanderweges, der gleichzeitig auch als Radweg beworben wird.
So starte ich frühmorgens am Roten Kreuz bei Niederreifenberg unweit der Quelle der Weil. Der Strecke selbst ist auch bei hochsommerlichen Temperaturen gut gangbar. Der Waldanteil ist hoch, der Streckenverlauf abwärtsführend und nahezu steigungslos, da man von den luftigen Taunushöhen mehr oder minder abwärts geht. Wenn man mit der Region noch nicht vertraut ist, empfiehlt es sich zunächst eine Schleife über das römische Kastell Kleiner Feldberg, dort wo sich auch die Weilquelle befindet, zu drehen. Ich wähle auf dieser Tour den offiziellen Weiltalweg, der oberhalb der Reifenberger Wiesen schöne Panoramablicke auf Nieder- und Oberreifenberg freilegt. Die Siegfriedstraße querend verschwenkt der Weg anschließend dem Schmittgrundweg folgend zunächst in westlicher Richtung, um vorbei an einigen Weihern in das Obere Weiltal zu führen.
“Durch den Taunus wie vor Hunderten von Jahren” – sicherlich, wenn man morgens um 06.00 Uhr durch Schmitten wandert, so lässt sich diese Aussage durchaus belegen. Noch versteckt sich die Sonne hinter den Taunushöhen, die Ortschaft selbst noch im Dämmermodus, einzig die Werbetafeln der Deutschen Glasfaser erinnern daran, dass man sich im 21. Jahrhundert befindet. So geht es weiter, dem Flussverlauf der Weil folgend nach Dorfweil, weiterführend nach Brombach und anschließend hinüber nach Hunoldstal. Beschaulich die Region, augenscheinlich noch intakt die Waldgebiete des Weiltals, rein die Luft und offensichtlich abgeschieden das Hinterzimmer des Großen Feldbergs, so die Erkenntnis nach den ersten zwölf Kilometern.
Wer mit dem Rad unterwegs ist, oder den Weiltalweg in mehrere Abschnitte erwandert, sollte sich Zeit nehmen, die einzelnen Ortschaften intensiver zu besichtigen. So kann man immer wieder kulturelle Kleinode entdecken, wie beispielsweise in Rod an der Weil, dort wo Deutschlands ältestes Pfarrhaus steht. Heute jedoch steht die Flusswanderung und die Flucht vor der sommerlichen Schwüle im Vordergrund. Von Rod an der Weil folgt man dem Flussverlauf gen Norden bis nach Weilmünster. An der Runkelsteiner Mühle erreicht man die engste Stelle des Weiltals. Dieser Abschnitt ist besonders idyllisch und steht durchaus sinnbildlich für die Abgeschiedenheit dieser Region.
Hinter Weilmünster verläuft der Weiltalweg über eine ehemalige Bahntrasse. Dort, wo einst die Weiltalbahn entlang der eingleisigen nicht elektrifizierten Nebenstrecke durch den Hintertaunus rumpelte, nutzen heute insbesondere Radfahrer diese Strecke. So lautet nach zehn Bahntrassenkilometern die Bewegungsfrequenz: Wanderer: 1 – Radfahrer gefühlt: 50 plus X. In Freienfels ist ein ungewöhnlicher Erinnerungsposten an den ehemaligen Bahnverkehr eingerichtet. Hier kann man sich in einem restaurierten Salonwagen, der am ehemaligen Bahnhof seine Endstation gefunden hat, trauen lassen, denn die Gemeinde Weinbach hat hier eine Außenstelle des Standesamtes eingerichtet.
Bei Guntersau ist Endstation für die Weil. Hier mündet der Fluß nach 47 Flusskilometern in die Lahn und hier an der Mündung geht es spürbar geschäftig zu. Hochbetrieb an der Lahn. Kein Wunder, denn die Lahn ist Deutschlands beliebtester Kanuwanderfluß. Saisonal bedingt herrscht derzeit Hochbetrieb. Selbst als Laie erkennt man signifikante Unterschiede. Highspeed-Paddler, Genußpaddler, Laien-Kanuten die hilflos herumpaddeln, Familienschubverbünde – jegliche Colour ist vertreten. Jedoch, offensichtlich haben alle ihre Freude an dieser wasserreichen Fortbewegungsart. Offiziell ist der Weiltalweg an der Flussmündung zu Ende. Folgt man der Lahn Richtung Weilburg, erreicht man nach zwei weiteren Kilometern den Zentralen Busbahnhof der ehemaligen mittelhessischen Residenzstadt. Von hier aus kann man sich von Mai bis Oktober jeweils am Wochenende mit dem Weiltalbus im Zwei-Stundentakt zurück in den Hochtaunus fahren lassen.
“Durch den Taunus wie vor Hunderten von Jahren“. Durchaus kann man die Werbebotschaft unterschreiben. Jenseits der Alltagshektik hat man die Möglichkeit, wenn man möchte, abzutauchen in ein beschauliches Fleckchen Erde. Flußwanderungen im Allgemeinen haben durchaus eine therapeutische Wirkung, denn Wasser ist ein anerkannter Beruhigungsfaktor. Eine Flüßchenwanderung entlang der Weil im Speziellen ermöglicht eine ruhige entschleunigende Entdeckung der naturbelassenen Taunuslandschaft. Einzig an Wochenenden muss man entlang der Strecke mit einem erhöhten Radleraufkommen rechnen. Wer von der Quelle bis zur Mündung wandert, ist mit 51 Kilometern dabei, wobei als Marscherleichterung die Bergwertung entfällt, da gerade einmal 350 Höhenmeter zu absolvieren sind. Ansonsten geht es tendenziell und mehr oder minder permanent abwärts, vom Hochtaunus hinab zum Lahnufer.
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