
Seefeld in Tirol, den 15. Januar 2025 – Man kann die Stille förmlich hören. Wohlgefällig wattig knirscht der Schnee unter den Wanderstiefeln. Einzig, wenn man mit Grödeln auf den vereisten Flächen unterwegs ist, knackt die Eisdecke hörbar unter den Eiskrampen, jedoch bei kontinuierlichem Schritt entwickelt sich auch hierbei eine durchaus angenehme rhythmische Begleitung, die sich harmonisch in die weitläufige Winterlandschaft einfügt. Ab und an wabert ein Zischen durch den Winterwald – dann, wenn auf den nahen Loipen Skilangläufer regelrecht vorbeigleiten. Wandertechnisch ist Winterwandern die Königsdisziplin im Wandersport. Frisch und rein die Luft. Die Kraft der Sonne, verstärkt durch die weiße Winterlandschaft, flutet das Auge; die Serotoninproduktion wird angekurbelt und vertreibt die restlichen Spuren des Winterblues, der sich in den zurückliegenden lichtarmen Wochen systematisch aufgebaut hatte.
Bereits vor einigen Jahren bohrte man in der Leutasch, einem Tiroler Hochplateau, das Thema Winterweitwandern gewaltig auf. Während in vielen alpinen Regionen das Winterwanderwegsangebot eher lausig ist, und sich auf wenige Kurzstrecken zentriert, kreierte man hier den ersten Winterweitwanderweg, der nun um eine sternenförmige Seefelder Hochplateau-Winterweitwanderung erweitert wurde, beinhaltend fünf Etappen mit insgesamt 85 Kilometern, wobei Seefeld im Nukleus dieser Touren steht. Allerdings sollte es dabei nicht bleiben. Attraktiv angereichert und auf insgesamt 125 Kilometer aufgebohrt, wurde die traumhafte Wetterlage weidlich genutzt um intensiv die vorhandene Infrastruktur auszukosten.
Seefeld – Leithen – Mösern – Seefeld
Bereits die erste Tour wird aufgepimpt. Ursprünglich führt diese Strecke vom Zentrum in Seefeld, vorbei am Wildsee, weiterführend über den Seefelder Sattel durch ein Moorgebiet nordwärts nach Reith und weiterführend zum Weiler Leithen, dort wo der Wendepunkt der originär auf 16 Kilometer ausgelegten Strecke angesagt ist.








Folgt man der Originalroute dieses Winterweitwanderweges dann würde vom Auland südwärts über das Reither Moor und dem vorgelagerten Golfplatz zurück nach Seefeld wandern, parallel zum Streckenverlauf des Hinwegs. Zweifelsohne attraktiver ist eine erweiterte westliche Zusatzschleife unterhalb des Skigebietes Geschwandtkopf Richtung Mösern. Lohnenswert ist es zuvor ein Zwischenstopp in der Enzian Hütte einzulegen, und die Erkenntnis zu gewinnen, dass eine selbstgemachte heiße Zirbenlimonade durchaus bekömmlich ist. Hier kann man zudem wunderbare Ausblick in das Obere Innntal einsammeln, Ein Panorama, das auf eine der folgenden Touren noch intensiver genossen werden kann. Alleine schon die Streckenführung auf dem offiziellen Winterwanderweg W2 alimentiert diese bemerkenswerte Zusatzschleife. Am Alfred-Dürer-Blick, der sich am nordöstlichen Ortsrand von Mösern befindet, folgt man dem aussichtsreichen Winterwegspfad, der hinab und zurück nach Seefeld in das Epizentrum der olympischen Austragungsstätten führt.











Nach einer zünftigen Einkehr in Seefeld steht noch eine nächtliche Ergänzungstour an, den 100.000 Lichter-Weg. Wer hier zudem in der Advents- und Weihnachtszeit unterwegs ist, kann zudem noch zusätzliche Lichtinstallationen bestaunen. Einmal mehr ist damit dokumentiert, dass man in der Region alle Kanäle zu allen Gegebenheiten professionell bespielt.







Seefeld – Burgstall
Nach offizieller Leseart wären für diese Tagestour zwei Weitwanderstrecken vorzusehen. Von Burggraben durch das Leutaschtal nach Weidach einerseits und von Weidach durch das Fludertal via Wildmoos nach Seefeld auf der anderen Seite. Offiziell als Seefelder Weitwanderweg No 3 und No 4 verortet. Kann man machen, jedoch spannender und tagesfüllender ist eine komplette 27 Kilometer lange Tour von Seefeld über die Triendlsäge, weiterführend nach Weidach und final bis zum Talende in Burgstall.
Los geht es in Seefeld, um in nördlicher Richtung am Rande des Bauernwaldes zur Triendlsäge einzuschwenken. Für viele Seefelder Gäste ist hier im Normalfall das Tagesziel erreicht. Man kehrt ein in den schmucken Waldgasthof, lässt sich die Leutascher Forelle oder den Kaiserschmarrn auftischen und kehrt nach insgesamt sieben Kilometern wohlgenährt wieder zurück in die Seefelder Ortsmitte, um dort in der Außengastronomie unter Heizstrahlern sitzend feine Getränke im gehobenen Ambiente zu sich zu nehmen. Für ambitionierte Winterweitstreckenwanderer hingegen ist die Triendlsäge nur ein durchlaufender Posten, der jedoch allemal für einen Espresso ab 09.00 Uhr gut ist.















Gaistal – Seefeld
Eigentlich ist es verwunderlich, dass das Touristenmanagement diesen Abschnitt ausgeblendet hat. Die Rede ist vom Gaistal. Im Rahmen der offiziellen Streckenführung des Weitwanderweges Etappe 3 von Burggraben aus hat man zwar das Areal zwischen Platzl und Weidach eingeflanscht, jedoch den westlich gelegenen Zipfel schlichtweg ausgeblendet. Dabei ist konzeptionell die Streckenerweiterung simpel, hochgradig zu empfehlen und ausgesprochen attraktiv. So nehme man in Seefeld den ersten Bus der Linie 433 und rumpele zum Parkplatz Gaistal/Salzbach. Von hier aus geht es los auf eine wunderbare 27 Kilometer lange Winterwanderung. Einmal mehr heißt es antizyklisch wandern, so dass man just um 10.00 Uhr, dann wenn der Hüttenwirt die Gaistalalm aufsperrt und es kein Dienstag ist, als erster Gast des Tages in Ruhe eine Espresso und einen heißen Holunder genießen kann. Der große Run wird, wie auf dem Rückweg zu registrieren ist, erst eineinhalb Stunden später einsetzen, dann wenn man als Weitwanderer, vorbei am Kirchplatzl Richtung Weidachsee auf dem Weg gen Seefeld ist. “Es ist ein kaltes Loch” warnte mich am Vorabend mein Herbergsvater. Der Hüttenwirt auf der Gaistalalm bestätigt mir vor Ort, dass am 21. Jänner erstmals für zwei Minuten die Sonne auf die Alm durchsticht. Jedoch kein Grund sich nicht auf den Weg zu machen – den das Gaistal ist schlichtweg wunderbar wanderbar, ob im Sommer oder im tiefsten Winter.








Vorbei am Weidachsee führt der Rückweg gen Seefeld vorbei am Skigebiet Katzenkopf. Stetig aber moderat ansteigend geht es durch das sich anschließende Fludertal hinauf in das Wildmoos, dort wo die gleichnamige Alm, die in der Gegend einen legendären Status genießt, ein unausweichlicher Einkehrpunkt ist, den man einmal gesehen und erlebt haben sollte. Zurück nach Seefeld sollte man nicht der Leutascher Straße folgen, sondern über den Winterwanderweg mit der Markierung W3 den schönen Ausblickspunkt oberhalb von Seefeld mit Blick auf die Reither Spitze als formvollendete Krönung dieser eindrucksvollen Tour mitnehmen







Die Fünf-Hütten-Tour
Diese Etappe ist mit dem Möserner See, der Friedensglocke des Alpenraums und dem Seekirchl voller must sees” proklamiert der Tourismusverband Seefeld. Folgerichtig, dass der mit dem Österreichischen Wandergütesiegel zertifizierte Weg in den Reigen der Winterweitwanderwege aufgenommen wurde. Wem die 14 Kilometer lange Strecke jedoch zu wenig ist, kann und sollte die ursprüngliche Etappe mit einer vortrefflichen Erweiterung optimieren und wird einem fantastischen Wandererlebnis belohnt.
Einmal mehr geht es los im Zentrum von Seefeld, diesmal gen Südwesten zur Seekirchl, dem klassischen Postkartenmotiv in der Olympiastadt. Frühmorgens, nach Sonnenaufgang zeigt sich die Heiligkreuzkirche im besten Licht. Ringsum blickt man auf die etablierten Wintersportstätten, die auch heute noch für internationale Großveranstaltungen ausgiebig genutzt werden. Auf einem Panoramaweg, offiziell der Albrecht-Dürer-Weg wandert man sanft aufwärts steigend zunächst zur Bergstation des Hintertallifts, um von dort aus die Aussicht in das Oberinntal einzufangen. Vom bewährten Aussichtspunkt, dem Alfred-Dürer-Blick, taucht man ein in die bewaldete Gemarkung Geiernest um weiterführend zunächst den Möserer See zu umrunden.




Obschon auf knapp 1.300 Meter Höhe gelegen ist der Möserer See als historischer Moorsee mit Temperaturen bis zu 25 Grad im Sommer eine der wärmsten Badeseen in Tirol. Reizvoll das Umfeld für Naturliebhaber und sowohl Geologen als auch Botaniker erfreuen sich an der vorhandenen Vielschichtigkeit des Umfeldes am Natursee. Vom See führt eine Schleife abwärts nach Mösern zur einem touristischen Hotspot in Tirol. Ursprünglich errichtet anlässlich des 25jährigen Bestehens der Arbeitsgemeinschaft Alpenländer hat sich das zehn Tonnen schwere Konstrukt der Friedensglocke zu einem Besuchermagneten entwickelt. Jährlich suchen 100.000 Besucher die Aussichtsplattform auf, wobei der Ausblick in das Inntal rund um Telfts schon beeindruckend ist. Vom Glockengerüst führt die Passage weiter in nordwestlicher Richtung zur idyllisch gelegenen Lottenseehütte, der zweiten möglichen Einkehrstation auf diesem Trail. Der See selbst ist ein Naturphänomen, denn aperiodisch auftretende Springquellen bilden eine Seenlandschaft in den Wiesenmulden, die oft nach einigen Wochen wieder verschwindet.

Von der Lottenseehütte führt die Winterwanderwegsrunde gemäß des ursprünglichen Streckenplans hinüber in das Wildmoos, jedoch sehr zu empfehlen ist die angedockte Zusatzrunde, die hinab gen Buchen zur traumhaft gelegenen Ropferstub,m führt. Auf dem Weg dahin streckt sich die markante Hohe Munde imposant aufwärts. Hier sollte man sich Zeit nehmen um auf der Sonnenterrasse der Einkehrstation das beeindruckende Umfeld aufzusaugen, bevor es auf einem wunderbaren Wanderweg durch das Katzenloch geht – ein weiteres Highlight auf dieser Strecke. Dieser Name erinnert daran, dass hier einst Luchse und Wildkatzen durch die bewaldete Naturregion streiften. Nach dem Katzenloch ist vor dem Katzenloch, denn im Muggenmoos ist eine Einkehr in der kleinen aber feinen Almstation, der Muggenmoosalm unausweichlich. Zu schön der Platz um rastlos weiterzuziehen.











Von der Muggenmoosalm führt ein Bypass, der offenkundig mit dem Snowbike vorgespurt wurde, zurück zur offiziellen Winterwanderwegsrunde, zum Naturparadies Wildmoos am Seefelder Plateau. Hier kreuzen sich auch viele Loipen und natürlich dominiert die fünfte mögliche Einkehrstation, die markante Wildmoosalm das Umfeld dieses Abschnittes. Von der Wildmoosalm geht es alternativ zur vorhergehenden Tour, diesmal der Leutascher Straße folgend, abwärts nach Seefeld.


Seefeld – Mittenwald
Mit gerade einmal überschaubaren 12 Kilometern ist die zweite vorgeschlagene Weitwanderwegsetappe von Seefeld nach Scharnitz eingepreist, die man jedoch locker verdoppeln kann und wenn man alles früher gewusst hätte, sogar locker verdreifachen hätte können. Aber der Reihe nach.
Erneut wird in Seefeld gestartet, zunächst mit Zielrichtung Scharnitz, dem Grenzort, der auch als “Tor des Karwendels” firmiert. Sinnvollerweise schleift der Weg zunächst an der Triendlsäge durch, bevor man dem Verlauf des Klammbachs folgt. Abwärts, aber regelrecht nur noch abwärts verabschiedet man sich vom knapp 1.200 Meter hoch gelegenen Seefeld um gemütlich in das zweihundert Meter tiefer gelegene Scharnitz zu wandern. Hochgradig zu empfehlen ist hier der Grödeleinsatz, denn die Wege sind lagebedingt zur frühen Stunde partiell stark vereist. Hinter Giessenbach hat ein deutscher Automobilhersteller auf einer vereisten Seenflächeneine eine “Driving-Experience” für verhinderte Motorsport-Rennfahrer eingerichtet. Unter dem Tenor “Egal ob Anfänger_in oder Sportwagen-Enthusiast_in – mit unseren professionellen Instruktor_innen entwickeln Sie Ihre Fähigkeiten in verschiedenen Levels weiter. Natürlich mit Fokus auf die speziellen Anforderungen an Fahrzeug und Fahrer_in auf Schnee und Eis. Erleben Sie, wie Sie mit Hilfe der Technologie Ihre eigenen Grenzen verschieben können, während Sie mit kontrollierter Dynamik über gefrorene Seen driften“. Verkauft als Snow-Go – kritisch zu hinterfragen als No-Go in diesem Naturraum.







Scharnitz – ein mit reicher Geschichte unterlegter Tirol Grenzort. Von hier aus starten auch viele Mountainbike- und Bergtouren im Umfeld des Karwendels. Hier nimmt aber auch einer der größten Flüsse Bayerns Fahrt auf, denn gerade einmal zwölf Kilometer zuvor entspring die Isar im Karwendelgebirge und bereits in Scharnitz sprudelt das glasklare Gewässer kräftig durch die Ortschaft. So bereichert der weiterführende und flußbegleitende Grenzgang gen Mittenwald durch das Kulturschutzgebiet Riedboden diese Tour auf besonderer Art und Weise Die Kombination aus Auwald, Schneeheide-Kiefernwald und Flussschotter-Pioniervegetation entfaltet insbesondere zur Winterzeit eine besondere Aura.





Ursprünglich eingeplant war die Wanderung von Seefeld nach Mittenwald auf den bestehenden Winterwanderwegen einschließlich Rückfahrt mit dem Zug. Jedoch ein Fingerzeig meines Herbergsvaters war wegweisend für eine spannende Option. Obschon die spektakuläre Leutascher Geisterklamm, die den Karwendelraum mit dem Wettersteinblock verbindet, von Oktober bis April gesperrt ist, gibt es dennoch eine Möglichkeit auf das Leutascher Plateau aufzusteigen. Mehr als ein Anreiz um die Grenzen auszuloten – und tatsächlich, oberhalb des Klammzugangs schraubt sich ein schmaler Pfad aufwärts und man überwindet rasch 200 Höhenmeter um an der Porta Claudia in Schanz wieder aufzuschlagen. Man hätte, könnte und sollte… Alle Konjunktivformen durchdeklinierend hätte es sich wahrlich angeboten eine winterliche Arnspitz-Umrundung anzugehen. Seefeld-Mittenwald-Seefeld so die Runde, respektable 38 Kilometer, bei neun Stunden Tageslänge im Jänner eine spannende Passage…..





Fünf spannende Winterwandertage, aufgesetzt auf die vorhandene Infrastruktur, der vom Tourismusverband Seefeld ausgearbeiteten Winterweitwanderwege. Alleine schon dieses Angebot ist vortrefflich und all denjenigen zu empfehlen, die im überschaubaren Rahmen sich auf Winterwanderungen in einem tollen Umfeld einlassen möchten. Wenn es ein bisschen mehr sein soll, dann drängen sich die hier vorgestellten Touren förmlich auf. Das bemerkenswerte Winterwanderwegsportfolio in der Leutasch bietet darüber hinaus auf insgesamt 140 Kilometern zahlreiche Optionen und Variationen für individuelle Ausgestaltungsmöglichkeiten an. Und irgendwie hängt noch die Arnspitzenumrundung nach – dann könnte man als Ersatz für den zusätzlich gewonnenen Wandertag eine spannende Runde über die Rauthütte, dem Mundestadl, der Katzenkopfhütte, der Jausealm am Lärchenhang und der Hämmermoosalm aufsetzten… oder sollte man vielleicht eine Stippvisite in der 1.717 Meter hoch gelegenen Wettersteinhütte einplanen? Und wer einen Übernachtungstipp für den Standort Seefeld benötigt: Das Hotel Berghof, ein denkmalgeschütztes Bauhausobjekt in walking distance zum Zentrum, bereichert mit einem umwerfenden Service und dem vielleicht besten Frühstücksomelett in der Leutasch, welches als tagesfüllendes Körnerdepot ideal für Winterweitwanderer ist. Am Ende waren 125 Kilometer mit 2.700 Höhenmeter zu verbuchen, leistungstechnisch betrachtet ist allerdings der Energieaufwand im Winter deutlich höher. Jedoch, welcher Anrechnungskoeffizient hinsichtlich der zu bemessenden Leistungskilometer im Winterfall anzusetzen wäre, ist noch nicht wirklich erforscht.

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