Im Zentrum der Mittelgebirge

Rhön, 10. August 2024 – Halbzeit auf dem Deutschen Mittelgebirgstrail – ein Weg vom nördlichsten zum südlichsten Punkt der Deutschen Mittelgebirgsschwelle – vom Nordabhang des Deister bei Hannover bis zum Schwarzwald an der Schweizer Grenze. Gefühlt wechselt man hier auch von Mittel- nach Süddeutschland, was sicherlich auch von der raschen Abfolge des Bundesländerwechsels unterlegt wird. Gerade war man noch in Thüringen, dann betritt man den osthessischen Korridor, passiert bayrisches Gefilde, steht temporär wieder in Hessen und bewegt sich gen Dreiländereck, dort wo bereits das Baden-Württembergische Hoheitsgebiet liegt.

Der Streckenfaden wird im hessischen Schwarzbach aufgenommen – Zielrichtung südlich aufwärts um den Hessen auf der Wasserkuppe auf das Dach zu steigen. Jedoch zunächst geht es moderat aber stetig hinauf zur Milseburg, eine außergewöhnlich markante Felskuppe, am langen Ende ein erkalteter Vulkanpfropf. Einst war hier eine Burg errichtet, heute prägen Blockhalden sowie eine markante Kreuzigungsgruppe und die Gangolfskapelle auf dem Plateau der Anhöhe die höchste Erhebung der Kuppenrhön.

Von Schwarzbach nach Gersfeld

Gestartet wird im “Rhön-Dom” in Schwarzbach. Bleibt nur zu hoffen, dass die schmerzbeladene Mater Dolorosa-Darstellung sich nicht auf die höhenmetergespickte Tagestour überträgt
Und Stacheldraht ist auch nicht wirklich ein positiver Methapher
Wohlgefälliger hingegen sind die Ausblicke in die Kuppenrhön….
und farbpsychologisch entstresst die Farbe Grün durchaus…
Dem Hochrhöner folgend geht es gen Milseburg und Wasserkuppe, jedoch auch die Rhöner Extratouren sind sehr zu empfehlende Alternativen die Rhön zu entdecken. Insgesamt attraktive 34 Rundtouren werden hier angeboten
Aufwärts zur Milseburg….
..erreicht man auf attraktiven Pfaden…
die markante Kreuzigungsgruppe
…und just gegenüber markiert das markante Radom den Gipfel der Wasserkuppe am Horizont
Wandern auf hohem Niveau
Kein Wunder dass hier Fern- und Qualitätswanderwege durchgeschleift werden
Einmal mehr eine klassische Impression in diesem Abschnitt…..
genauso wie hier an den unteren Ausläufern der Blockhalde….
…sowie am Fuße des Vulkankegels

Runter von der Milseburg folgt man der beschilderten Fährte zum höchsten Berg Hessens, der Wasserkuppe. Wobei der Anstieg über die Nordflanke nicht wirklich anstrengend ist, denn die Milseburg selbst streckt sich auf 835 Meter Höhe und Richtung Abtsrode ist gerade einmal ein Abstieg von einhundert Höhenmetern eingepreist, sodass der Anstieg zur 950 Meter hohen Wasserkuppe zum mittelgebirgstypischen Standardprogramm gehört. Hessens höchster Berg gilt einerseits als Wiege des Segelfluges und ist zudem wasserreich, denn nicht weniger als dreißig Gewässer, darunter die Fulda, haben hier ihren Ursprung.

Ob sich Vögel damit noch beeindrucken lassen sei einmal dahingestellt…
Die Grenzsteinmarkierung “KW” markierte einst die königlichen Wälder
Klasse Service zu kleinen Preisen – Labestation auf der Hälfte des Wasserkuppenanstieges
Das Wahrzeichen der Wasserkuppe. Jedoch wurde dieses Radom erst 1994 errichtet -zu Spitzenzeiten waren hier, an der Nahtstelle des Kalten Krieges, fünf Kuppeln in Betrieb
Allemal lohnt es sich vier Euro zu investieren, um die 360 Gradaussicht auf der Aussichtsplattform zu genießen. Hier blickt man auf die Kuppenrhön und nebenan (nicht im Bild) kann man den Großen Inselberg im Thüringer Wald ausmachen
Vor einhundert Jahren wurde das Fliegerdenkmal errichtet, ein Erinnerungsposten an die gefallenen Flieger des Ersten Weltkriegs 
Seitenwechsel: Von der Wasserkuppe blickt man auf die Schokoladenseite der Milseburg
Für Gleitschirmflieger ein Paradies…..
..aber auch für Biertrinker, denn der nächste Berg wirft hier schon seine Schatten voraus

Von der Wasserkuppe geht es abwärts zur Übernachtungsstation in Gersfeld. Der Weg ist eine pure Augenweide. Auf der aussichtsreichen Strecke entfaltet sich ausdrucksvoll die Rhöner Mittelgebirgslandschaft, Damit nicht genug, denn jahreszeitbedingt setzten die mit einem ausladenden Blütenstand bestückten Kalkmagerrasenflächen einen zusätzlichen Akzent.

Ein wahres Refugium für biologische Vielfalt
Im Fokus des nächsten Wandertages: Blick hinauf zum Kreuzberg und in der Senke kann man das Tagesziel Gersfeld ausmachen

Von Gersfeld nach Bad Brückenau

Abweichend von der nicht wirklich attraktiven Streckenführung des Wegeplaners auf diesem Abschnitt des Deutschen Mittelgebirgstrails erweist sich die Passage über Gersfeld als schönere Alternative. Von der hessischen Rhönstadt, die am Fuße der Bayrischen Rhön liegt, geht es zunächst hinauf zum Rodenbacher Küppel und weiterführend am Rande des Truppenübungsplatzes Wildflecken vorbei am markanten Simmelberg in das unterfränkische Oberweißenbrunn. Ausgedehnte Kalkmagerrasenflächen dominieren dabei das Landschaftsbild. Obschon mit 927 Metern der Kreuzberg als dritthöchster Gipfel der Rhön eine Hausmarke darstellt, ist der Anstieg von Gersfeld sehr moderat. Fast könnte man meinen, man schlendert aufwärts. Jedoch, bevor es zum Gipfel des legendären Berges geht ist eine Einkehr in der schönsten Hütte der Rhön, der Gemündener Hütte, unausweichlich. Drei Gründe sind hier ausschlaggebend. Die Lage ist einfach herrlich, die Terrassenanlage ein Traum und das hier kredenzte Kreuzbergbier eine abrundende Bereicherung. So sollte man, wenn man später in den touristischen Trubel des oberhalb gelegenen Kreuzbergs eintaucht, sich Zeit und Muse nehmen dieses herrliche Umfeld zu genießen.

Er ist omnipräsent und einer der drei heiligen Berge der Franken. Deutlich markiert ist an den einschlägigen Schneisen, dass man sich eben nicht mehr in Hessen befindet
Über den Rodenbacher Küppel geht es aufwärts zum Kreuzberg
Leerstand und Werteverfall von älteren Häusern sind in der Rhön keine Seltenheit
Hingegen ungebremst anmutend ist die Landschaft im Biosphärenreservat
Für die Einheimischen ist es die Rhöndistel, für Biologen die Silberdistel. Für das Wahrzeichen der Rhön gilt zudem: “Pflücken verboten”
Die ersten Vorboten des heiligen Berges mit Blick auf den gegenüberliegenden Arnsberg
Willkommen in der urigsten Hütte der Bayrischen Rhön…..
…..die Gemündener Hütte
Aushang im Schankraum: Besser kann man die Region nicht in Worte fassen

Nach einer ausgedehnten Rast in der Gemündener Hütte geht es aufwärts zum Kreuzberg. Oberhalb der Klosteranlage wurden die drei mächtigen Golgota-Kreuze errichtet, die insbesondere bei Sonnenuntergang eine besondere Wirkung entfalten. Statt dem Kreuzweg hinab zum Kloster zu wandern, empfiehlt es sich unterhalb der Senderanlage den felsdurchsetzten Pfad, der an der Mariengrotte vorbeiführt, zu folgen. Hier im Klostergelände betreiben Franziskaner die einzige Brauerei in Deutschland. Und bereits 1901 dokumentierte ein Kardinal Faulhaber im Gästebuch “„Den Kreuzberg herauf kam ein endloser Zug, die einen zur Kirche, die anderen zum Krug.“ Fürwahr eine nach wie vor zutreffende Feststellung. Denn das Bier ist einfach wohlbekömmlich und wird zu moderaten Preisen ausgeschenkt.

Das Wahrzeichen des Kreuzberges
Etwas versteckt kann man oberhalb des Klosters solche Abschnitte entdecken
Während Gläubige primär den Wallfahrtsort im Fokus haben…..
..zentriert sich das überwiegende Interesse der Tagesgäste auf die Schankwirtschaft und den Biergarten. Aufgerüstet mit einem entsprechenden Souvenirladen entfaltet sich hier in der aussichtslosen Flanke des Kreuzberges eine rummelige Atmosphäre. Wohl dem der zuvor in der Gemündener Hütte eine Pause eingelegt hat
Jedoch eine schmackhafte Halbe für 3,50 Euro am Kreuzberg ist obligatorisch. Ein herzliches “Vergelt,s Gott” für die meisterhafte Brauereileistung

Vom Kreuzberg führt die Passage abwärts über den Feustelsteig zum Guckaspass und über die Schwarzen Berge abwärts in das Sinntal. Hier am Rande der Kernzone des Biospärenreservates Rhön dreht sich das Landschaftsbild. Die kuppelbergsgeprägten Landschaften der Rhön sind aus dem Blickfeld verschwunden. Markante Solitäre sind nicht mehr auszumachen. Langsam schleichen sich die Anhöhen der Rhön aus und auf dem Weg zum Tagesziel, Bad Brückenau, legt sich ein neues Bild in das Gesichtsfeld – das Sinntal.

Während die Spezi Mensch aufwändig und durchaus kreativ Objekte gestaltet……
..bleibt die natürliche Gestaltungskraft unübertroffen…..
Vom Fuße des Kreuzbergs plätschert die Sinn 70 Kilometer gen Gemünden, dort wo sie kurz vor dem Main in der Fränkischen Saale entwässert
Oberhalb des beschaulichen Sinntals spannt sich die A7-tragende Sinntalbrücke über eine Länge von 755 Metern
Bei sommerlichen Temperaturen ist eine kurze Dusche in Bad Brückenau durchaus angemessen

Von Bad Brückenau nach Partenstein

Szenenwechsel. Die Rhön schleicht sich langsam aus und wenn man von Bad Brückenau durch das Sinntal wandert erschließt man bei Jossa das nächste Mittelgebirge, den Spessart. Vom Ortszentrum der Kurstadt geht es zunächst der Sinn folgend hinüber zum drei Kilometer entfernten Staatsbad. Zweifelsohne – hier hat es König Ludwig der I. einst mächtig krachen lassen. In seltener Geschlossenheit präsentiert sich hier eine opulente Bäderarchitektur des 18. und 19. Jahrhunderts. Feinster Kies knirscht unter den Wanderstiefeln. Hier wandet man nicht, hier schreitet man durch die mondänen Parkanlagen. Wahrscheinlich wird hier im Biergarten das Bier in Sektflöten kredenzt, vermutlich zu Champagnerpreisen. Beeindruckend die mehrsprachige Prospektbeschreibung: “Enjoy the finest gastronomic specialties, from haerty franconian to exotic dishes” So bleibt der profane Biertisch auf dem Kreuzberg als angenehmer Nachhall des Vortages eher im Hinterkopf. Hinter Bad Brückenau wandert man auf schönen waldreichen und schattigen Pfaden oberhalb der Sinn unweit des längsten Denkmals Bayerns, über welches im Beitrag Strecke 46 schon berichtet wurde, gen Jossa, dort wo der fließende Übergang von Rhön in den Spessart vollzogen ist.

Gut für Magen, Darm, Leber und Galle Harnwege, Nieren und Blase. Mit diesen Attributen werden die fünf verschiedenen Heilwasser in Bad Brückenau beworben. So bleibt für das Kreuzberger Heilwasser nur das Prädikat: “Gut für den Gaumen”
Zwischen Bad Brückenau und dem Staatsbad sind oberhalb der Ernst-Putz-Straße prachtvolle Villen aber auch erschreckende Beispiele postmoderner Brutalarchitektur zu sehen
Mehr als beeindruckend sind dagegen die prachtvollen Anlagen……
… im Bayrischen Staatsbad
..und selbst die im Park angrenzende Kirche bettet sich stilvoll im Kurambiente ein
Kilometerlang wandert man auf schattigen Bergpfaden vom Staatsbad nach Jossa
Ein mächtiger Vertreter seiner Art
Und die Kraft der Natur sollte man niemals unterschätzen…
Spätestens in Jossa wird klar: Ab nun ist man im Spessart……
Und dass man im Spessart gerne isst und trinkt ist allgemein bekannt, aber übertreiben muss man es auch nicht….

Vulkangestein prägte die Rhön, sanfthügelige Kuppel dominierten die Landschaft, felsdurchsetzte Passagen prägten die Wanderabschnitte. Nun ist Szenenwechsel angesagt. Konträr dazu der Spessart. Die Landschaft ist rauer. Das dicht bewaldete Gebirge, bekannt für seine dunklen Ecken, geprägt mit steileren Passagen bestückt mit markanten Weitwanderwegen die stundenlange Märsche durch unbesiedelte Regionen garantieren. Kein Wunder dass sich hier legendäre Vertreter der Zeitgeschichte, ob Spessarträuber oder Erzwilddiebe besonders wohl fühlten. Besonders geeignet ist dabei der Spessart im Hochsommer. Während aktuell die Heidelberger Universität aktuell eine Hitze-App entwickelt hat, die den Schattenwurf von Gebäuden, Bäumen und versiegelten Arealen berechnet um den Stadtfußgängern und Asphaltcowboys auch bei heißem Wetter halbwegs erträgliche Fußwege zu weisen, kann man es im Spessart einfacher haben – ohne betreutes Wandern mit einer App. So geht es über den Sinneberg hinauf zum Schanzkopf, dort wo das höchstgelegenste Wirtshaus im Spessart, die Waldschänke Bayrische Schanz liegt – eine Kultstätte der besonderen Art.

“Wie gewohnt richten wir unser Sortiment nach den Wünschen unserer Kunden“, erklärt gerade eine Norma-Sprecherin in Heilbronn, dort wo bereits Anfang August bei 32 Grad erste Lebkuchen und weihnachtliches Gebäck feilgeboten wird. So liegt es auf der Hand bereits jetzt einen Weihnachtsbaum auszugucken. Oberhalb von Aura im Sinngrund sind mächtige Weihnachtsbaumplantagen angelegt
Man kann nur den Kopf schütteln dass im Spessart Wegeschilder durch Mittel der EU kofinanziert werden.
Ehrlicher ist diese Methode….
Kein Barcode sondern Spessartsprößlinge….
Nein… nicht Kopenhagen, sondern in Fellen an der Fella
Auch im dunklen Spessartwald wurden hie und da Akzente gesetzt
Überschaubar sind die Sitzgelegenheiten in der Region….
..und durchaus eigenwillig aber innovativ ist das Kunstverständnis in Unterfranken
Das Wirtshaus an der Birkenhainer Straße, einer historischen europäischen Fernverbindung – die Bayrische Schanze. Hier geht es unkompliziert und familiär zu. Gäste werden grundsätzlich geduzt, im Biergarten wird per Lautsprecher ausgerufen, wenn das Essen zum Abholen bereit steht und bei heißem Wetter…
..setzt man sich sinnvollerweise in die dunkelste Ecke der Traditionswirtschaft

An der Bayrischen Schanz ist der höchste Punkt des Tages erreicht. Durch den Ruppertshüttener Forst folgt man dem Roten Dreieck des Spessartbundes der durch die dichtbewaldete und unbesiedelte Region zwischen Frammersbach und Lohr am Main führt. Kurzum beste Auslangslage für heiße Sommertage. Bei Partenstein ist der Endpunkt dieses Abschnittes auf dem Deutschen Mittelgebirgs-Trail erreicht.

Auch wenn man hier nicht von einem schneesicheren Gebiet sprechen kann, wenn es hier einmal weiß werden sollte haben hier Wanderer nichts mehr zu suchen
Kaum zu glauben, aber wahr – Südhessen haben mit Unterfranken mehr gemein als man glaubt

Spannend, so das Resümee dieses Abschnittes des Deutschen Mittelgebirgs-Trail. Einmal mehr bestätigt sich die Erkenntnis des Wegeerfinders Frank Gerbert auf Bergpfaden das eigene Land neu zu entdecken, einmal mehr zeigt sich wie unterschiedlich die jeweiligen Kulturlandschaften sind, einmal mehr veranschaulicht sich wie einfach es ist geografische Zusammenhänge selbst zu erfahren beziehungsweise Schritt für Schritt zu erwandern, und einmal mehr wird mit 114 Kilometern und 3.400 Höhenmetern die dynamischen und auch gehaltvolle Textur der deutschen Mittelgebirge belegt. Spessart-Odenwald-Kraichgau so die nächsten hügeligen Perspektiven.

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