Schriesheim, den 06. Mai 2020 – Tückisch. Nach den sattsamen Anstiegen der vorhergehenden Burgen- und Blütenwegrunde an der Bergstraße war zumindest gefühlt ein moderater Streckenverlauf zwischen Weinheim und Schriesheim zu erwarten – jedoch abgerechnet wird immer zum Schluß. Gestartet wird am Weinheimer Waldschwimmbad, in Sichtweite des Wendepunktes der vorhergehenden Ringwanderung, der Burgruine Windeck. Am östlichen Rand des Weinheimer Exotenwaldes schraubt sich der Bergsträßer Burgensteig in gemächlich anmutenden Schleifen über den Goldkopf hinauf zum Geiersberg, um oberhalb von Lützelsachsen die markante Aussichtsterasse der in diesem Abschnitt eher spärlich verteilten Weinhänge zu erreichen.
Perfekt die frühmorgendliche Uhrzeit für den gewählten Streckenverlauf. Die im Osten aufgehende Sonne versorgt die Rhein-Neckar-Ebene mit feinster Lichtqualität. Von hier aus hat man weitreichende Blicke über die Industriemetropolen Mannheim/Ludwigshafen hinweg, hinüber zum Odenwälder Rheingrabenpendant, der Pfalz. Schwenkt man den Kopf um 45 Grad nach links, so hat man die Vogesen, scheinbar zum Greifen nah, auf dem Radarschirm.
Lützelsachsen, Großsachsen, Hohensachsen – drei Weinheimer Stadtteile, jedoch keine, wie man vermuten könnte, behaftet mit Beziehungen zum östlichen Teil unserer Republik. Namensursprung waren eher Ableger eines hier weitverbreiteten Familiennamens wie “Sachso” oder Sahst. In Hohensachsen führt der Burgensteig am Bergfriedhof vorbei, hier bietet es sich an, dem “Chef”, dem Architekten des Wunder von Berns, die Ehre zu erweisen. Fußball begleitete ihn, Sepp Herberger, bis zum Lebensende. Kurz nach seinem 80. Geburtstag erlitt die Trainerlegende während der Fernsehübertragung eines Länderspieles gegen Nordirland einen Herzinfarkt.
Von Sepp Herberger zur Marie. Marie in der Kohlbach, heißt das Blei- und Silberbergwerk, welches bereits im 15. Jahrhundert in Betrieb war. Im Laufe der Zeit verfeinerte man die Bergabbautechnik, jedoch nach 1,3 Tonnen Blei und 3,2 Kilogramm! Silber war das Erzvorkommen ausgebeutet. Vorbei an einem herrlich ausgebauten Waldkindergarten erreichen wir das Großsachsener Mühlental, um an der Höhe der Kunzmühle in den Höllenquellenweg einzusteigen. Herrlich die Streckenführung und offensichtlich geschichsträchtig die Namen der Wegschneisen und Pfade. Man könnte kulturhistorische Studien betreiben würde man den Ursprung der Schneisenbezeichnungen wie Margarethenruheweg, Kornbuckelweg oder Wolfsackerweg zu ergründen versuchen. Nach einigen Kilometern ist eine Informationstafel erreicht, die auf die Ruine Hirschburg hinweist. Mit Ausnahme der Infotafel sind zunächst keine steinernen Zeugen des bereits im 12. Jahrhunderts errichteten Adelsitzes auszumachen. Man sollte sich jedoch nicht scheuen einem steilen unscheinbaren Sandpfad zu folgen. Zwei vom Forstamt eingebrachte Stühle laden regelrecht ein, sich zwischen den spärlichen Burgresten zu einer Frühstückspause niederzulassen.
Von den Burgresten führt der Weg über den Hohen Waldweg durch das gleichnahmige Waldareal. Nomen est omen, weitreichende Wegeschleifen verbinden die steil abfallenden Höhenzüge und minimieren, zumindest in diesem Areal, die Steigungsbelastung. Jedoch die Tücken stecken im Detail und ab und an trotten wir den Hauptwegen, im Tiefenentspannungsmodus folgend, an einigen steil auf- beziehungsweise abwärts führenden Nebenpfaden vorbei. Den Weitertalbach querend führt der Burgensteig auf einer Steilflanke hinauf zum vielleicht spektakulärsten Abschnitt dieser Exkursion, der Spatschlucht. Im 19. Jahrhundert waren hier bis zu 100 Bergleute und Spatschneider beschäftigt, um Schwertspat abzubauen. Der Gang durch die mehr als zehn Meter hohe Schlucht beeindruckt allemal.
Vom Bergbauareal geht es hinab zur Talstraße, die in östlicher Richtung in das Heidelberger Hinterland führt, um auf der südlichen Gegenflanke eine ausladende Schleife, die unterhalb des Ölbergs zum Kurpfalzblick führt, zu begehen, dort wo sich die markante Strahlenburg oberhalb von Schriesheim erhebt. Hier beeeindruckt einmal mehr der Blick auf die Rheinebene. Aber auch der Blick hinüber auf die nächste Burgen- und Blütenwegpassage, Richtung Heidelberg begeistert. Weitläufige Weinhänge der Schriesheimer Weinlagen versprechen eine spannende Folgetour. Außerhalb der Pandemiezeiten ist eine Einkehr im Burgrestaurant der Strahlenburg, idealerweise unter Nutzung der Außenterasse, sehr zu empfehlen. Noch heute streiten sich die Gelehrten wann und von wem die Burg zerstört wurde. Verdächtigt wird ein Heidelberger Kurfürst einerseits und der Bayrisch-Landshuter Erbfolgekrieg andererseits. Heututage wird das bayrische Löwenbräu im Burgrestaurant ausgeschenkt. Vielleicht ein Indiz zur geschichtlichen Aufarbeitung…..
An der Strahlenburg, ist der heutige Wendepunkt, um den Burgensteig zu verlassen und den Rückweg auf dem Blütenweg nach Weinheim anzutreten. War der Burgensteig tradionell waldlastig, so gestaltet sich der Rückweg sehr aussichtsreich. Sicherlich, die Hauptblütezeit ist vorbei. Man könnte bereits ab März die frühlingstechnisch früh startende und mächtig aufblühende Bergstraße in vollen Zügen genießen, jedoch die Wanderstrecke ist zu allen Jahreszeiten empfehlenswert. Ausladend das hiesige Weinanbaugebiet. Schon die Römer sollen hier zwischen Schriesheim und Leutershausen Weinreben gepflanzt haben. Weiter geht es, vorbei an Groß- Hohen- und Lützelsachsen hinein in den Weinheimer Exotenwald, ein Areal für das man sich hin- aus reichend Zeit, im Rahmen einer separaten Exkursion, nehmen sollte. Sechzig Hektar groß, angrenzend am im englischen Gartenstil angelegten Weinheimer Schloßpark, bestückt mit Baumexoten aus allen Herren Länder, beplankt mit drei beschilderten Rundwanderwegen. Ein Freiherr ließ hier Ende des 19.Jahrhunderts mehr als 12.000 Bäume anpflanzen. Einst waren hier mehr als 150 Baum- und Straucharten zu besichtigen, heute sind es noch fünzig. So führt die Schlußpassage unserer Tour durch den nördlichen Teil des Exotenwaldes zurück zum Ausgangspunkt. Wiederum eine bemerkenswerte Passage über 43 Kilometer und doch mehr als 1.400 Höhenmeter.
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