Odenwälder Mundartweg

Neunkirchen, den 13. Mai 2020 – “Guure eehr Leit” schallert es aus der Babbelbox am Parkplatz des Odenwälder Höhendorfes Neunkirchen, wenn man auf die Taste “1” der Anlage drückt. Kein Geringener als der amtierende Bürgermeister des Modautals begrüßt die Wanderer, die sich aufmachen, den neu konzipierten Odenwälder Mundartweg zu begehen, angereichert mit einem umfangreichen akustischen Begleitprogramm. So haben die südhessischen Mundartfreunde gemeinsam mit dem Odenwaldklub eine geniale Idee verwirklicht. Man nehme einen qualitativ hochwertigen Wanderweg, wie den Modautauler Ufernweg, bestücke diesen mit sieben (Hör)Stationen und tauche ein in die wunderbar wanderbare Welt der heimischen Sprachkultur. Mit einer leicht angerauhten Stimme informiert zunächst der Bürgermeister, dass man den “Babbelpad” (hochdeutsch Sprechpfad) genießen soll und daß man keine Berührungsängste vor dem heimischen Volk haben muß. “Bei uns lääwe en haufe padende Leit un meer häwwe wenisch Ooakloore”, so die klare Botschaft des Verwaltungschefs. Ein weiteres Highlight dieser Station ist zudem der Beitrag des leutseligen Pfarrers, der seine prägnante Neunkirchner Kirche in einer unkonventionellen Art und Weise vorstellt.

Ein Unikat am Startpunkt: die Babbelbox, gespeist mit Solarenergie und ausgestattet mit einem Dämmerungsschalter, um zu vermeiden daß des Nachtens der Weiler Neunkirchen beschallt wird.
“Mer babbele ourewällerisch”. Unter der abgebildeten URL-Adresse können übrigens alle Beiträge der insgesamt sieben Stationen abgerufen werden.
Die Neunkirchner Kirche. Ausdrücklich lädt der Pfarrer in seinem Hörbeitrag ein, sich gerne nach einer schönen Wanderung in seiner Kirche auszuruhen.
Vorbildlich. Im Schaukasten der Pfarrei werden die Seuchenregeln passgenau in die Sprache der Heimat übersetzt. Uffbasse!!!!!
Der “Dalles”, wie man im Odenwald zu sagen pflegt – der kleine Marktplatz von Neunkirchen.
Odenwälder Schnitzkunst
Verlaufen ist hier schier unmöglich. Beste Wegekennzeichnung, wie hier, aufwändig in Holz gestaltet..
und ergänzt durch die bewährte hochwertige Kennzeichnungsqualität des Odenwaldklubs

Man folgt der Beschilderung des Modauer Ufernweges, einem grünen “M” welches neuerdings auch für “Mundart” stehen könnte. Zunächst geht es einer kleinen Anhöhe folgend aufwärts. Von hier oben genießt man weitreichende Blicke hinüber zum Taunus und der vorgelagerten Skyline von Frankfurt. Ein Stückchen weiter ist schon die nächste Abhöhrstation eingerichtet, dort wo der höchstgelegenste Apfelbaum des Odenwaldes steht. Hier ist, wie bei den anderen Stationen auch, eine Tafel mit QR-Code angebracht. So kann Wandersfrau oder -mann mit einem Smartphone die standortbezogenen Beiträge vor Ort anhören und lernt nebenbei daß man aus den hier gezogenen Äpfeln Apfelwein oder wahlweise Apfelbrand herstellt, letzteres dann wenn die Äpfel witterungsbedingt einmal sauer werden sollten.

Blick hinüber zum 60 Kilometer entfernten Großen Feldberg im Taunus
Dem Radarturm auf der Neunkirchner Höhe ist auf der zweiten Station sogar ein musikalischer Beitrag gewidmet
Ab Station 2 ist nur noch Smartphoneeinsatz angesagt. Alternativ kann man im Nachgang die Beiträge via Internet abrufen
Odenwalds höchster Apfelbaum……..

Wandern mit allen Sinnen, so kann man treffenderweise diese Tour beschreiben. Neben der akustischen Bereicherung begeistert die Streckenführung des Modautaler Uferweges. Regionaltypische Felsformationen bereichern die Strecke in einer besonderen Art und Weise. Nach einem weiteren Kilometer ist die Quelle der Modau erreicht. Unterhalb des 526 Meter hohen Gehrensteins tröpfelt das Nass heraus, um im Verlauf wassertechnisch gebündelt nach 44 Kilometern in Stockstadt am Rhein zu entwässern. So hat es sich angeboten oberhalb der Quelle eine weitere “Babbelstation” einzurichten, um sich über die Geschichte der Modauquelle in Versform informieren zu können.

Strack nach oben gerichtet
Hart aber herzlich – im Odenwald wird der Hintern nicht wirklich geschont….
Holziges Stilleben
Der Modautaler Uferweg – ein herrlicher Pfad
..mit lebendiger und abwechslungsreicher Landschaftstextur
Auch der außergewöhnliche Alemannenweg führt hier durch
An der Modauquelle
Hörtipp der dritten Station: Der Odenwälder Bauernblues
Holz auf Stein

Gute zweihundert Höhenmeter führen hinab nach Brandau, im Dialekt Branne genannt, wie man an der hier eingerichteten Station lernen kann. Durch den größten Ortsteil des Modautals gehend folgt man der Modau in das benachbarte Hoxhohl.

Holz im Rückabwicklungsprozess
Der Stein der Region – Granit
Bei Brandau hat die Modau bereits mächtig an Fahrt aufgenommen
Eine Vielzahl von guten Einkehrsmöglichkeiten hat man hier in dieser Region
Hier kann man herrliche Landschaftsbilder genießen
An der Brandauer Hörstation
Postalische Kontaktbeschränkung in Brandau
Nícht nur akustisch, auch schriftlich wird hier die Sprachkultur gepflegt
Wanderalternativen gibt es im Modautal zur Genüge

Hoxhohl. “Oamol auf,s Gas un ruckzuck is ma dorchgefoohrn” lernt man an der Hoxhohler Hörstation. Hier lebte einst in einem Hohl ein Einsiedler und legte den Grundstein für eine Ansiedlung. Einziges Manko der hier eingebrachten Hörstation: lagebedingt rauscht der Mobilfunkanschluß auf Edge-Niveau hinab, so kann man erst zwei Kilometer später die vier Beiträge der Station nachholen.

Natur pur – beste Gelegenheit zu einer Rast zwischen Brandau und Hoxhohl
Gut gangbar entlang der Modau
Etwas unscheinbar und empfangstechnisch nicht in bester Lage, die Hoxhohler Hörstation
Hoxhohler Landgeräteausstellung

Ein weiterer schöner Abschnitt begleitet den Flußverlauf der Modau zwischen Hoxhohl und Ernsthofen, dort wo die letzten beiden Stationen des Mundartweges eingebracht wurden. Linguisten werden die Freude an den Beiträgen von Ludwig Götz haben, der präzise die Sprachstruktur des Odenwaldes seziert und ein Regelwerk erarbeitet hat, beinhaltend die sprachwissenschaftliche Erkenntnis, daß der Odenwälder Dialekt kein “ü” kennt und stattdessen gebräuchliche Vokale wie “i” “ä” oder Anderweitiges verwendet. Dialektsprachbildung auf höchstem Niveau. Der letzte der insgesamt 29 Hörbeitrage schließt mit dem Liedbeitrag “Scholze Gret” ab, eine bekannte Odenwälder Volksweise, in der ein verliebter Odenwälder klagt, daß er kein Geld habe, um ein Haus auf dem Hügel zu bauen um dann seine Traumfrau, die schwarzlockige und mit weißen Zähnen ausgestatte “Scholze Gret” zu ehelichen.

Immer der Modau entlang
Rund um Ernsthofen findet man zahlreiche Pferdeweiden
Kurz vor Ernsthofen ist an der Ahlheimruhe die vorletzte Station eingerichtet. Absolut hörbar ist der hier eingebrachte Mundartkurs, dessen Fortsetzung auf der letzten Station erfolgt.
Die Schlußstation in Ernsthofen – leider etwas unspektakulär in Szene gesetzt

Nach zwölf Kilometern endet der Mundartweg in Ernsthofen. Hier könnte man per Bus zurück nach Neunkirchen fahren, die bessere Alternative ist jedoch die herrliche Infrastruktur der Wanderregion zu nutzen um über einen der vielen Wegealternativen zurückzuwandern. Ich wähle ein Stück des Saar-Rhein-Mainweges um via Hottenbacher Hof via Lützelbach nach Neunkirchen zurückzukehren. Mittlerweile hat der Pfarrer die Kirche aufgesperrt und man kann der Empfehlung des Geistlichen Folge leisten, um ein Stück innezuhalten, und diese herrliche natur- und kulturintensive Wanderung nachwirken zu lassen. Diese Tour, nicht geeignet für Highspeedwalker. Man sollte sich hin- und ausreichend Zeit nehmen die mit 550 Höhenmeter gespickten 24 Kilometer zu genießen und, wenn es die Infrastruktur wieder zuläßt, den Rat des Bürgermeisters zu beherzigen, “eemol in a Wertschaft eizukeehrn, eewer uffbasse net in die Besch zu weijlern, wenn mer zuveel gedrunge hot” Odenwald pur – in allen Dimensionen. Wie die Mundartfreunde Südhessens übrigens verlautet haben, ist geplant von Zeit zu Zeit die Tonaufnahmen auszutauschen. Sprachliche Potentiale sind genügend vorhanden. So könnte man sich beispielsweise eine Abhandlung über die Rungelriewerobbmaschin oder anderes vorstellen….

Beinwell bestens geeignet für Prellungen und Zerrungen
Wanderparadies Odenwald
Wer die Wahl hat, hat die Qual – viele Wege führen zurück
Grenzübergang Fischbachtal -Modautal
Einmal quer durch Lützelbach
St. Cosmas und Damian in Neunkirchen, einst eine Wallfahrtskapelle, dann als Kirche umgebaut
Die nächsten Wanderer an der Babbelbox

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