Aulhausen, 1. Mai 2017 –
„Geht mit Gott – aber geht“ verkündete mit einem verschmitzten Unterton Pfarrer Kurt Weigel um 3.35 Uhr im Gewölbekeller des St. Vincenzstift im Rüdesheimer Stadtteil Aulhausen als er 80 Pilger auf die erste geführte Rheingauer Klostersteig-Pilgertour entließ.
Klostersteig im Rheingau? Klostersteig im Rheingau! Eingeladen hatte der Rheingauer Wanderpabst Wolfgang (Django) Blum, der erstmals eine Gruppe über den kompletten Weg von Kloster Eberbach im Kisselbachtal bis zur Marienkirche auf dem Gelände des Vincenzstifts in Aulhausen führte. Wolfgang, der im Frühjahr 2016 für sein Konzept „Pilgerwandern im Rheingau“ einen Tourismuspreis erhielt, hatte den Termin bewusst geplant: Die Wanderer konnten die Messe miterleben, mit der der Limburger Bischof Dr. Georg Bätzing am 1. Mai die Wallfahrtssaison in Marienthal eröffnete.
Der Klostersteig wurde im September 2016 offiziell eröffnet und verbindet insgesamt sechs Klöster im Rheingau, wobei nicht mehr alle als solche genutzt werden. Auf 30 Kilometern und knapp 900 Höhenmetern haben Pilger die Möglichkeit frei nach Aurelius Augustinus der Sehnsucht zu folgen, der Einerlei des Alltages und der Enge seiner gewohnten Umgebung zu entfliehen.
So ging es zunächst um 3.45 Uhr per Bustransfer zum Startpunkt, dem Kloster Eberbach, das sicherlich berühmteste Kloster des gesamtes Steiges. Neuzeitlich als Drehort des Filmes „Der Name der Rose“ bekannt geworden, gegründet im 12. Jahrhundert, besiedelt von Zisterziensermönchen, beschäftigte man sich bereits frühzeitig mit dem Weinanbau. Nach einer wechselhaften Geschichte befindet sich das ehemalige Kloster im Besitz des Landes Hessen und wurde zu einem touristischen Magnet entwickelt.
In pilgerführergerechter Ausstattung ließ es sich Wolfgang Blum nicht nehmen, die Pilgergruppe mit einem spirituellen Impuls auf den Pilgerweg einzustimmen. Hierzu wurde auch ein aufwändiger Pilgerpass gestaltet, der jedem Pilger zum Start überreicht wurde, gespickt mit Informationen zu den Klöstern und angereichert mit Impulsen, die Wolfgang Blum im Streckenverlauf an insgesamt zehn Ruhepunkten rezitierte.
Die erste Prüfung die der Wanderführer der Pilgerschar am Kloster Eberbach auferlegte, ein kräftiger Anstieg zur Hallgarter Zange. „Pilgern heißt nicht nur, mit den Füßen beten, sondern auch ein wenig Buße tun“, hatte Blum die Wanderer vorgewarnt. Als wir nach einer Stunde am höchsten Punkt des Klostersteiges in 580 Metern Höhe ankamen, wussten alle, was er damit meinte.
Die Hallgarter Zange, der Sage nach ein Platz, dort wo einst ein Schmied für den Teufel ein Pferd beschlug, dafür eine Zange erhielt, die alles in Gold verwandelte. Sie brachte ihm jedoch nur Unglück, so dass er sich vom hier befindlichen Felsen stürzte und seine Leiche mit der Zange gefunden wurde, die mit seinem Tod ihre Magie verloren hatte. Hier am höchsten Ausflugsziel des Rheingaus, befindet sich ein Gastronomiebetrieb mit angeschlossenem Kletterpark. Während die Pilger mit Kaffee und Kuchen versorgt wurden, illuminierte eine aufgehende Sonne das umliegende Waldareal. Es sollte das einzige wettertechnische Highlight des Tages sein.
Nun folgte der idyllischste Abschnitt des Steiges. Zunächst ging es im Wald bis zum ehemaligen Basalter Bruch und von dort im Pfingstbachtal zum gleichnamigen Freizeitgelände mit seinen Forellenteichen hinab. Wenig später wechselt der Charakter der Tour: Das Logo, mit dem der Steig durchgehend markiert ist, leitet aus dem Wald in die Rebenlandschaft zwischen Schloss Vollrads und dem ehemaligen Benediktinerkloster Johannisberg, dort wo die Hälfte des Klostersteigs erreicht wurde.
Die Legende sagt, dass vor 1.200 Jahren Karl der Große, von der gegenüberliegenden Pfalz auf die andere Rheinseite blickte und feststellte, dass dort der Schnee früher schmolz. So veranlasste er, dort drüben Wein anzubauen – eine vortreffliche Entscheidung, sollte doch hier eine der weltbesten Weißweine der Welt angebaut werden. Im 12. Jahrhundert siedelten sich hier Benediktinermönche an. 1563 wurde das Kloster aufgehoben, Anfang des 18. Jahrhunderts von Fuldaer Fürsten erworben und als Barockschloss umgebaut. Dies hatte weitreichende Folgen. Fortan musste jährlich die Erlaubnis zum Beginn der Weinlese in Fulda eingeholt werden. Der reitende Kurier kam des Öfteren zu spät nach Johannisberg zurück. Die Trauben faulten und schrumpften zusammen, was jedoch nicht zum Nachteil gereichte. Die berühmte Spätlese war geboren.
Berge sind ehrlich. Nach einem Berg folgt ein Tal. In diesem Fall Marienthal, ein bekannter Wallfahrtsort. Hier wurde im 14. Jahrhundert eine Kapelle errichtet. Wechselvoll die Geschichte des Standorts. Seit 1873 sind hier Franziskaner ansässig, die bis heute die Tradition der Wallfahrtsseelsorge hüten, die seit 1309 nachgewiesen werden kann. Traditionell wird hier die Wallfahrtsaison jeweils am 1. Mai ein geläutet. Für viele Pilger insbesondere in diesem Jahr ein besonderes Erlebnis, da das Pontifikalamt erstmals vom Limburger Bischof Dr. Georg Bätzing geleitet wurde, der die Nachfolge eines sehr umstrittenen Vorgängers antrat.
Zuvor wurde der Pilgertrupp jedoch mit einer zünftigen Pilgersuppe versorgt. Nach der Messe führte die Passage zum Kloster Nothgottes, im 14. Jahrhundert errichtet und von Kapuzinern besiedelt. Bis 1813 fand hier Klosterbetrieb statt. Genau zweihundert Jahre später, im September 2013, ist das Kloster von Zisterzienser-Mönchen aus der südvietnamesischen Abtei Chau Son Don Duong besiedelt worden. Zielsetzung ist es das Kloster als Wallfahrtsort zu etablieren.
Beeindruckt von der wechselvollen Geschichte der hier ansässigen Klöster geht es zur mächtigen Abtei St. Hildegard, eines der bekanntesten sakralen Stätten im Rheingau. Das eigentliche Kloster der Heiligen Elisabeth von Bingen befand sich weiter unten. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die heutige Abtei als Ersatz der ehemaligen Klöster Eibingen und St. Hildegard errichtet. Im Ersten Weltkrieg diente die Abtei als Lazarett, heute managen 45 Benediktinerinnen einen professionellen Wirtschaftsbetrieb, der mit Weinanbau, Klosterladen, Klostercafe, Goldschmiede, Keramik- und Restaurierungswerkstatt ein weitreichendes Spektrum umfasst.
Nach einer letzten Prüfung, einem Kurzanstieg zum Ebenthaler Plateau, war die Marienkirche des ehemaligen gleichnamigen Klosters erreicht, welches im 12. Jahrhundert errichtet und immerhin bis 1811 als solches betrieben wurde. Begrüßt wurden die Pilger zunächst mit einem Glas Secco und anschließend von Frühaufsteher Pfarrer Kurt Weigel, der die Pilgerschar mit einem gemeinsamen Abschlusslied zur erfolgreichen Pilgertour beglückwünschte.
Der Klostersteig – ein attraktives Angebot, für all diejenigen, welche Interesse an einer besinnlichen kulturreichen Wanderalternative haben. Der Weg ist sehr gut, mit mehr als 100 Hinweisschildern, gekennzeichnet. Aus gut unterrichteten Kreisen ist zu hören, dass Wolfgang Blum diese Tour künftig jährlich am 1. Mai in sein umfangreiches Wanderangebot (http://www.blum-wolfgang.de/) aufnehmen wird. Wandern mit Wolfgang Blum, der als Welterbebotschafter geadelt und aktuell als erster Drei-Sterne-Gästeführer im Rheingau zertifiziert wurde, (Dank auch an die Familie Ute, Constantin und Christian Blum für den Support!!) – immer wieder ein besonderes Erlebnis.
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