Heppenheim, 23. Mai 2015
“Positiv bewertet werden eindrucksvolle Hohlwege, Steilhänge, Terrassen usw., die für den Wanderer erfahrbar sind” , so eines von 34 Hauptkriterien des Deutschen Wanderinstitutes zur Vergabe des Deutchen Wandersiegels mit der Prädikatsauszeichnung “Premiumweg”. Dass der Burgensteig an der Bergstraße, der seit 17. Januar 2015 dieses Siegel führen darf, die Qualitätsanforderungen in jeglicher Hinsicht erfüllt, verdeutlicht eindrucksvoll die zweite Passage, die von Heppenheim bis in das 40 Kilometer entfernte Großsachsen erwandert wurde.
Nach der spektakulären und mit vielen kulturellen Stationen belegte Ersttour von Eberstadt nach Heppenheim, ist der zweite Abschnitt von einer außergewöhnlichen Streckenführung geprägt. Die Verlagerung und Ausweitung des ehemaligen Burgenweges in das Mittelgebirge des Odenwaldes hat dem neuen Steig eine bemerkenswerte und besondere Note verliehen. Faszinierende Pfade und Hohlwege machen den Trail zu einem genussvollen Wandererlebnis. Dass im Gegensatz zum ersten Abschnitt die Anzahl der Einkehrmöglichkeiten deutlich geringer ist, ist kein Manko. Optional besteht natürlich die Möglichkeit die Passage in kürzere Abschnitte einzuteilen um die an den jeweiligen Endpunkten gelegenen Restaurationen aufzusuchen, die nicht direkt und unmittelbar am Steig liegen.
Gestartet wird am Ausgangspunkt der letztwöchigen Passage, am Bahnhof in Heppenheim. Die Wegweisung führt über den sehr sehenswerten und markanten Marktplatz in der Heppenheimer Oberstadt. Weiter geht es in südlicher Richtung, zunächst abwärts, um auf der gegenüberliegenden Seite über den Essigkamm, vorbei an im Unkental liegenden Weinbergen durch den Bodenwald den 294 Meter hohen Steinberg zu umrunden.
Auf einem faszinierenden Hohlweg, durchsetzt mit begehbaren Totholzbarrikaden, geht es weiter entlang der Laudenbacher Weinberge Ehrenberg und Mühlberg, die schon zu Baden zählen, hinein in den Kreuzwald zur dort liegenden Wallfahrtsstätte dem Kreuzberg. Auf dem im Volksmund “Zur Eich” genannte Hausberg Hembachs, dem Kreuzberg, errichteten 1350 Lorscher Mönche eine Kapelle, die mehrfach zerstört wurde. Anfang des 18. Jahrhunderts wurde die Wallfahrtstätte von einer Eremitage betreut. Nach Weggang der letzten Eremiten wurde 1808 die Einsiedelei aufgelassen. Kapelle und Einsiedelei existieren nicht mehr, dennoch bilden vierzehn gusseiserne Stationsbilder und ein Altarkreuz noch heute die Wallfahrtstätte, Höhepunkt des Jahres ist dabei die jährliche Pfingstwallfahrt, wo Pilger aus den umliegenden Ortschaften den Gang zum Kreuzberg antreten.
Weiter geht es zum “Steinernen Gaul” ein Felsblock, auf ein liegendes Pferd mit Fohlen deutet. Genau hier wurde die südliche Grenze der früheren Mark Heppenheim, im im Lorscher Codex als „Stennen Ross“ bezeichnet, amtlich dokumentiert. Einen knappen Kilometer weiter stößt man auf den Waldnerturm. Der Granitturm, Mitte des 19. J ahrhunderts im Stil eines mittelalterlichen Wachturms aus Granit erbaut, wird wegen seiner Ritterskulpturen, die in den vier Ecken der Turmspitze eingelassen sind, auch Vier-Ritter-Turm genannt. Dabei orientieren sich die mittlerweile stark verwitterten Skulpturen exakt nach den vier Himmelsrichtungen.
Offiziell wäre bei Hembach nach 14 Kilometern eine Abschnittsetappe zu Ende. Abwärts gehend, mit weitreichenden Blicken in die Rheinebene, geht es Sulzbach streifend wiederum aufwärts mit einem kraftvollen Anstieg entlang des Sulzbacher Steinbruchs und durch die Wiesen von Nächstenbach zum Hirschkopf. Vor vielen Millionen Jahren brandete am Hirschkopf ein Meer, dessen Spuren noch heute zu sehen sind. Geopark-Ranger des Geoparks Bergstraße bieten hier auch interessante Exkursionen unter der Überschrift “Der Hirschopf – Magmakammer und Lößhohlwege” an. Allemal zu empfehlen, den Aussichtsturm auf dem 345 m hohen Hirschkopf zu erklimmen. 1870 erbaut und einhergehend mit dem Wachstum der umliegenden Bäume immer wieder erhöht, genießt man herrliche Rundumblicke bis hin zu den Anhöhen der Vogesen.Bewegt auch die Turmgeschichte Zeitweise war hier die Weinheimer Flugwache dort untergebracht, nach dem 2. Weltkrieg bezogen Amerikaner und ein Polizeitrupp Quartier.
Vom Hirschkopf erblickt man die gegenüberliegende Wachenburg hoch über Weinheim. Unterhalb des Hirschkopfs stößt man auf einen exzellenten Aussichtspunkt. Weinheim liegt zu Füßen- ein Blick zur Wachenburg – so nah – und doch noch so fern. Rational könnte man verleitet sein nach Weinheim abzusteigen um gegenüberliegend die Wachenburg zu erklimmen. Doch die Väter des Steiges haben sich einen acht Kilometer langen Bypass ausgeheckt. Hinab in das Weschnitztal geht es zur Fuchs,schen Mühle. Die Öffnungszeiten des Lokales mit einem direkt an der Weschnitz gelegenen Biergarten sind extrem wanderfreundlich. Dienstags bis samstags geöffnet von 18.00 bis 23.00 Uhr. So besteht Motivation genug, behaftet mit dem Wissen, dass auf der 333 Meter hoch gelegenen Wachenburg eine passable Restauration gerne Wanderer begrüßt, den steilsten Tagesanstieg zu absolvieren.
Zunächst gilt es aber den Porphyr-Steinbruch von Weinheim zu umgehen. In einer großzügigen Schleife wird der 400 Meter hohe Wachenberg umrundet. Mächtig heftig der Schlußanstieg auf den Kamm des Quarzporphyrhügels um dann von “hinten kommend” die Wachenburg zu erreichen. Die Wachenburg, ein Korporationshaus, wurde im Stil einer romanischen Höhenburg 1907 bis 1928 vom Weinheimer Senioren-Convent , einem Korporationsverband studentischer Corps, als Tagungs- und Begegnungsstätte gebaut, ausschließlich durch Spendengelder finanziert. Burgschenke. Burghof, und Aussichtsplattform sind für die Öffentlichkeit frei zugänglich. Herrlich das Panorama von der Burgterasse.
Nach einer Mittagsrast und bereits absolvierten 29 Kilometern steht der Schlußauslauf in Form des 6. Burgensteigabschnittes von Weinheim nach Hirschberg-Großssachsen an. Zunächst geht es abwärts in das Gorxheimer Tal und orbei am Waldschwimmbad oberhalb des Weinheimer Exotenwaldes hinauf zum Geiersberg. Auf schönen Pfaden geht es, weitreichende Ausichten im Areal des Äpfelberges genießend, oberhalb der badischen Weinorte weiter südwärts. Über Hohensachen führt der Weg vorbei am Friedhof, dort wo die Trainerlegende Sepp Herberger begraben ist. Hinab zum Bahnhof Großsachsen ist ein wiederum herrlicher Trail am Burgensteig zu Ende. Auch wenn mit 1.400 Höhenmetern belegt – in der Gesamtbetrachtung eine perfekte Natur-Pur-Passage – Streicheleinheiten für jede Wanderseele.
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