Main stromaufwärts -Seligenstadt-

Seligenstadt, den 19.Dezember 2020 – “Selig sei die Stadt, da ich meine Tochter wieder fand” soll einst Karl der Große ausgerufen haben, nachdem er seine einst verstoßene Tochter nebst Anhang zu seiner Freude in Obermulinheim, dem heutigen Seligenstadt wieder gefunden hatte. Unselig jedoch der Wanderverlauf dieser Tour, auf der die schmucke Mainstadt, die auch als Einhardsstadt bekannt ist, als Wendepunkt vorgesehen war – jedoch dazu später mehr.

Gestartet wird in Mühlheim/Dietesheim um an der dortigen Bootschleuse den Main zu queren, dort wo der der historische Leinpfad direkt nach Hanau Kesselstadt führt, und dort wo seit Mainkilometer Null bei Mainz das mittlerweile dritte Schloß besichtigt werden kann, das Schloß Philippsruhe. Ursprünglich als Renaissanceschloß errichtet, im Dreißigjährigen Krieg zerstört und nachfolgend als Barockschloß wieder aufgebaut ist das Schloß nebst Museum und Schloßpark die Vorzeigestube von Hanau. Der Philippsruher Allee und dem mäandernden Main folgend passiert man anschließend die Mainanlagen, die auf beiden Seiten des Flusses sichtbar von Wassersporteinrichtungen geprägt sind.

Zwei Stunden vor Sonnenaufgang überwiegt die jahreszeitbedingte Tristesse an der Dietesheimer S-Bahnstation
An der Mühlheimer Schleuse geht es hinüber nach Hanau Kesselstadt
Vorbei am Schloßpark, dort wo das Amphietheater und die Orangerie eingebracht ist
Die schmucke Rückseite von Schloß Philippsruhe
..und das Hauptportal beeindruckt auch des nachtens
Die Nacht zieht sich zurück und mit Blick hinüber nach Hanau/Steinheim drückt eine Nebelfront herein

An der Steinheimer Mainbrücke quere ich wiederum den Main um ufernah südostwärts dem Flußverlauf zu folgen. Normalerweise wäre es geboten die sehr sehenswerte Altstadt von Steinheim in Augenschein zu nehmen und einen Cappuccino in einen der Altstadtcafes zu genießen, jedoch bleibt es lockdown- und nebelbedingt alternativlos, spaßbefreit aber dennoch elanvoll gegen den Strom zu wandern. Jedoch – auch wandern im Nebel ist reizvoll. Angenehm die feuchte Luft, der spärliche Bewuchs an den Uferböschungen entfaltet im Dunst des Tages seinen eigenen Reiz und Mainbrücken verlieren sich im nicht sichtbaren Gegenüber. Zwischen Groß- und Klein-Auheim schlängelt sich der Main hindurch. Man muß an diesem Tag schon angestrengt schauen um das gegenüberliegende Steinkohlekraftwerk Staudinger auszumachen.

Uferwechsel an den Steinheimer Mainbrücken
Novembertristesse im Dezember
Rechts geht es hinauf nach Steinheim, links folgt man dem Main
Ein belegbares Indiz an der Steinheimer Preßmauer, daß im Regelfall ein Besuch der Stadt hochgradig zu empfehlen ist
Die Hellenbachmündung am Main
Auheimer Mainbrücke: es fährt ein Zug nach nirgendwo……
Der letzte Block der Steinkohlenschleuder Staudinger soll 2025 vom Netz genommen werden

Es kommt nicht von ungefähr, daß in dieser Region ein Kohlekraft errichtet wurde. Vor einhundert Jahren wurde hier in der Hanau-Seligenstädter Senke noch kräftig Braunkohle abgebaut. 40 Millionen Quadratmeter groß war das Abbaugebiet auf der hier befindlichen bayrischen Seite bei Kahl am Main. Dass die Braunkohleförderung auch mit hohen Risiken verbunden war, belegt der Umstand, daß 1914 durch ein Loch in der Böschung 2,5 Millionen Kubikmeter Mainwassser den Tagebau fluteten, der Main kurzzeitig rapide absank und bei Seligenstadt deshalb ein Schiff auf Grund lief. Apropos Tiefe – hier bei Kahl am Main erinnert eine Stele, daß man sich am tiefsten Punkt von Bayern mit 102 Metern über den Meeresspiegel befindet. Wanderschilder am Mainufer weisen zudem daraufhin, daß man sich sowohl auf dem Mainwanderweg, als auch auf dem Limespfad befindet. Kein Wunder – der Mainlimes war schon zu römischen Zeiten eine nasse Grenze, die sich von hier bis nach Miltenberg am Main zog, um dann in den Odenwald zu verschwenken. Es wäre im Nachgang betrachtet zweckdienlicher gewesen, wenn die unter Kaiser Hadrian errichtete römische Brücke bei Kahl noch vorzufinden wäre, denn in der ursprüngliche Wanderplanung war vorgesehen am Wendepunkt Seligenstadt mit der Mainfähre überzusetzen. Allerdings machten Aerosole diese Planung zunichte. “Fährbetrieb bei Nebel eingestellt”, so die beschilderte Botschaft an der bayrischen Seite. So wird man bezeichnenderweise auch noch zu Coronazeiten mit dem meteorologisch bezeichneten Aerosol namens Nebel gequält. So wurde es zunächst nichts aus dem Plan den ursprünglichen Verlauf des Mainwanderweges, der hier von Seligenstadt über die Alte Fasanerie bei Klein-Auheim nach Dietesheim führt zu folgen.

170 Kubikmeter pro Sekunde rauschen im mittleren Wasserabfluß hier durch
Die Staustufe Krotzenburg
Schon die alten Römer zogen hier ihre Grenze
Mainkilometer 66 – ab Flußmündung Mainz
Tiefer kann man in Bayern nicht sinken… bei 102 Metern ist Schluß
Wanderbarer Main…..
Was nützt die beste Vorbereitung….. bei Nebel ist Schicht im Schacht

Was bleibt ist eine Lernkurve. Plane nie, wirklich niemals (!) bei einer Flußwanderung als Wendepunkt eine Fährstation ein. Verlasse dich niemals auf die öffentlichen Angaben der Fährzeiten, informiere dich am besten vorab beim zuständigen Wassserwirtschaftsamt und kalkuliere ein, daß die exakt 116 Meter lange Fährstrecke nur bei allerbesten Sichtverhältnissen schiffbar ist. Welche Stilblüten die eingeschränkten Betriebszeiten der Seligenstädter Fährstation zudem treibt belegt folgende Geschichte: 2017 verlegte man die Betriebszeiten der Fähre auf arbeitnehmerunfreundliche Zeiten. Seitdem schwimmt eine Tauchlehrin im Sommer täglich über den Main um ihre Arbeitsstelle pünktlich zu erreichen und einen Umweg mit dem Fahrrad von zehn Kilometern zu vermeiden. Da es zum Schwimmen doch etwas zu feucht ist, geht es sieben Kilometer zurück, um abermals die Krotzenburger Staustufe zu queren, um bei Klein-Krotzenburg in weiterführenden ursprünglich geplanten Wegeverlauf einzusteigen. Vorbei an Hainstadt quert man die Landkreisgrenze der Kreise Offenbach und Main-Kinzig-Kreis. Es geht vorbei an der Alten Fasanerie, welche bereits 1705 errrichtet wurde, und bis heute ein sehr beliebtes Naherholungsgebiet in der Region ist. Der Mainwanderweg umrundet den Klein-Auheimer See, quert erneut Steinheim und schwenkt westwärts in das Areal der Mühlheimer Steinbrüche ein. Leider beeinträchtigt auch hier die dicke Nebelsuppe den Erlebnisfaktor, denn die markanten Steinbruchformationen am Oberwaldsee und Vogelsberger See sind absolut sehenswert und für Besucher zur Besichtigung mittlerweile hervorragend erschlossen.

Die Seligenstädter Einhardsbasilika versteckt sich hinter der Nebelwand, unterhalb rostet die Fähre beschäftigungslos vor sich hin
Bei dieser Passantin scheinen die Zöpfe nahtlos in den Rucksack überzugehen
Entlang der kilometerlangen Steinmauer der Alten Fasanerie
Das Bild des Tages am Klein-Auheimer See
Feuchtgebiete am Mainwanderweg
Zwischen den Nebelwänden kann man ab und an Tiefenblicke auf Steinbruchformationen in der Seenlandschaft erhaschen
Das Leben kann teuer werden……
Am Brückensteg zwischen Oberwaldsee und Vogelsberger See

Jede Wanderung hat ihre eigenen Reize. Obschon durch Nebel gehandicapt durch maritime Umstände eingeschränkt und Lockdownmaßnahmen beeinträchtigt – die Fortbewegung zu Fuß, als natürlichste Bewegungsart des Menschens ist immer wieder ein Quell der Inspiration. So sind auch diese 44 Kilometer als bereichernde Passage zu verbuchen. Bleibt noch eine Rechnung mit der Mainstadt Seligenstadt offen…….

2 Kommentare

  1. Die Main Schleuse bei Nacht ist tatsächlich sehenswert. War dort bei Vollmond im Oktober 2019 im Rahmen vom Megamarsch Frankfurt. Hatte dort allerdings schon 60km hinter mir 🙂
    Ach ja: gutes neues Jahr !!!

    • Nachts am Fluß Michael hat auch seine Reize – sehr zu empfehlen beispielsweise eine Rhein-in-Flammen-Wanderung mit dem Rheingauer Wanderpabst Wolfgang Blum. Ansonsten wünsche ich Dir ein spannendes neues Wanderjahr

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