Dankmarshausen, den 30. April 2017 –
Finale! Semantisch betrachtet ist ein Finale ein besonderer Höhepunkt als glanzvoller Abschluss von Etwas. So gesehen war die letzte Passage des Lutherweges 1521 von Dankmarshausen bis nach Eisenach ein mehr als gelungenes Finale.
Gestartet wurde im hessischen Obersuhl, dort wo sich der nächstgelegene Bahnanschluss zum drei Kilometer entfernten thüringischen Dankmarshausen befindet. Omnipräsent und fast schon bedrohlich erhebt sich die mächtige Kaliabraumhalde hinter Dankmarshausen, die sich ebenso auf hessischem Gebiet befindet, nur auf der gegenüberliegenden Seite . Es mag zu DDR-Zeiten für die Bewohner rund um Dankmarshausen schon befremdlich gewirkt haben in einer eingekesselten Nahtstelle des geteilten Deutschlands zu leben, ein Umstand der zu Luthers Zeiten undenkbar war. Historisch liegt der Weiler an einem strategisch bedeutsamen Werraübergang durch die alte Handelsstraße der „Kurzen Hessen“ von Mainz nach Leipzig führte. Mit dem Sonnenaufgang im Rücken und dem aufsteigenden Morgendunst, der sich Dank jahreszeitunüblicher morgendlicher Frosttemperatur über die Auen der Werra legt, vor Augen, ist der Frühstart mehr als gelungen. Einmal mehr wieder die Bestätigung, dass die Natur die schönsten Bilde zeichnet – insbesondere zu früher Morgenstunde.
Durch ein Konglomerat aus Baggerseen führt die Passage zunächst entlang der Werra, die sich auf ihrem 300 Kilometer langen Weg hauptsächlich durch Thüringen schlängelt, bevor sie sich bei Hann. Münden mit der Fulda zur Weser vereinigt. Nicht unbeträchtlich ist dabei die Salzbelastung des Gewässers durch den umliegenden Kaliabbau.
Durch den benachbarten Weiler Dippach hindurch geht es zunächst aufwärts zum 323 Meter hoch gelegenen Hohen Rod. Immer wieder bietet sich ein Blick zurück auf die mächtigen Kalihügel und die sanfthügelige Landschaft des Werratals an.
Bald ist Berka/Werra erreicht. Die Ortschaft ist geprägt von stattlichen Fachwerksbauten, zahlreichen Gasthäusern, einer auffällig breiten Hauptstraße, einem prägnanten Stadttor und einem markanten Kirchturm – alles Belege die darauf hindeuten, dass Berka schon zu früheren Zeiten eine besondere Bedeutung inne hatte. Historisch belegt ist dass Luther gegenüber der Kirche im Gasthof „Zum Alten Stern“ einkehrte. Überdies weist ein mächtiges Transparent, angebracht am stattlichen Kirchenturm auf das Lutherjahr 2017 hin. Leider ist die Kirche jedoch verschlossen, wohlweislich ist im Pilgerführer vermerkt: „Öffnungszeiten auf Anfrage“. So geht es unverrichteter Dinge weiter nach Herda, zu Lutherzeiten ein Zentrum der Täuferbewegung.
Auf dem Weg nach Oberellen quert man ein weitreichendes Rapsfeldareal – eine Wohltat für das Auge. Glücklicherweise ist in Oberellen selbst die Kirche noch geöffnet, da just der sonntägliche Gottesdienst beendet wurde. Bemerkenswert ist die reich verzierte zweigeschossige Empore. In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich auch ein ehemaliges Schloss, welches einem Bauschild zufolge zu wohnwirtschaftlichen Zwecken umgewidmet werden soll.
Hinter Oberellen geht es aufwärts zunächst zum Weiler Hütschhof und dann weiterführend zum Rennsteig, dem bekannten Höhenweg des Thüringer Waldes. Herzhaft erfrischend die Passage. Ein munteres Auf und Ab sorgt für eine abwechslungsreiches Wandererlebnis. Bemerkenswert, dass man auf diesem Abschnitt eine Vielzahl von Wanderer begegnet. Kaum eine Rastbank die nicht von einem Wandertrupp belegt ist. Kein Wunder- der Einstieg zum Steig ist im nicht weit entfernten Hörschel gelegen, hier befindet sich auch das Rennsteig-Infozentrum. Einzig die Macher des Lutherweges 1521 haben es sich in diesem Abschnitt etwas zu einfach gemacht. Die Wegekennzeichnung des Pilgerpfades ist äußerst spärlich, teilweise komplett fehlend. Zweckmäßigerweise folgt man dem Rennsteig, jedoch ist dies für Ortunkundige nicht wirklich ausreichend. Hier sollte man sich eher an den Standard der hessischen Wegepaten orientieren um in toto die ansonsten hervorragende Markierungsqualität beizubehalten.
Bald ist das Sühnekreuz „Wilde Sau“ erreicht, dort wo man sich vom Rennsteig verabschiedet. Errichtet im Geburtsjahr von Martin Luther im Jahre 1483 handelt es sich mutmaßlich um ein Sühnekreuz, welches ein weimarischer Bediensteter hat aufstellen lassen, der bei einer Jagd seinen Dienstherrn versehentlich erstochen haben soll. Im Hintergrund des Kreuzes erhebt sich majestätisch das Ziel des Pilgerweges, die Wartburg zu Eisenach.
Nach weiteren zwei Kilometern ist die traditionelle Waldgaststätte Sängerswiese erreicht. Offensichtlich eine beliebte Jausestation und nach 35 Kilometern geeignet um eine erste Rast einzulegen. Eine Original Thüringer vom Grill auf die Hand – mehr braucht es nicht für eine angemessene Wanderverpflegung.
Im Dunstkreis der Wartburg verdichtet sich die Wanderschar auf den Wanderpfaden. Durch ein naturbelassenes Schutzgebiet führt die Passage zu eine der geschichtsträchtigsten deutschen Burgen, der auf einem Felssporn thronenden Wartburg. Ein gewisser Ludwig der Springer, aus dem Adelsgeschlecht der Ludowinger stammend, soll hier mit dem Ruf „Wart! Berg, du sollst mir eine Burg werden“ die Gründung der Burg proklamiert haben. Nur ein Problem hatte der Adelige – ihm gehörte nicht der Berg. So ließ er der Sage nach Erdreich aus seiner Heimat heranschaffen. Seine Gefolgsleute rammten ihre Schwerter in den herbeigekarrten Boden und beschworen, dass Ihre Schwerter in Ludwigs Erde steckten. Nun durfte der Sage nach gebaut werden.
Die Reste der Erstburg verschollen, die heutige Form überwiegend im 19.Jahrhundert errichtet. Seit 1999 ist das Areal als UNESCO-Weltkulturerbe geadelt. Der Rest – Geschichte. Luther, der sich hier als Junker Jörg versteckte, Goethe der die Burg mehrfach besuchte, die Jenaer Burschenschaft, die das Wartburgfest als Sammelbecken deutscher Studentenbewegungen aus der Taufe hoben oder Ludwig II, der die Wartburg als Vorlage für Schloß Neuschwanstein heranzog. Auf einer Terrasse, vor dem Tor der Wartburg, kann man die Schokoladenseite, die Ostflanke der stattlichen Burg bewundern. Imposant auch der Blick auf das untenliegende Eisenach und dem gegenüberliegenden 33 Meter hohen Burschenschaftsdenkmal, von wo man aus angeblich den schönsten Blick auf die Wartburg genießen kann.
Menschenmassen, die sich durch das Tor schieben belegen, die Wartburg ist ein beliebtes Ausflugsziel. Mehr als 350.000 Gäste besuchen übrigens jährlich die historische Stätte, wobei die Meisten eher die motorisierte Anreise bevorzugen. Der krönende Abschluss des Pilgerweges –natürlich ein Besuch des Lutherzimmers, dort wo der Reformator einst das Neue Testament in die deutsche Sprache übersetzte.
Der Weg in die Stadt Eisenach wird flankiert von informativen Luther-Schautafeln. Vorbei an einem Gymnasium, dort wo Luther und mehr als 200 Jahre später ein weiterer großer Sohn der Stadt, Johann Sebastian Bach, die Schulbank drückten führt der Weg zur beeindruckenden Georgenkirche und dem Marktplatz, der vom historischen Stadtschloss geprägt wird. Nach einem kurzen Gang zum Lutherhaus, dort wo Luther während seiner Schulzeit gewohnt haben soll, geht es durch das nicht minder imposante Nikolaitor zum Eisenacher Bahnhof. Die kurze Eisenacher Stippvisite – eine Schnupperrunde, die Lust auf eine vertiefende Erkundung auslöst.
Was bleibt ist die Erinnerung an eine außergewöhnliche und beeindruckende 42 Kilometer lange Schlußwanderung als Krönung eines bemerkenswerten Pilgerpfades. 405 Kilometer inclusive einiger ÖVM geschuldeten Bypässe und 5.617 Höhenmeter in elf Passagen, drei Bundesländer, eine Vielzahl geschichsträchtiger Orte aber auch verschlossener Kirchenpforten, interessante Begegnungen und eine Vielzahl neuer Impulse für interessante Wandertouren.
Beeindruckende Fotos meiner Heimat, die man selbst so nicht wahrnimmt.
Auch die Texte zeugen von vielen Detailkenntnissen.
Hoffentlich eine Motivation für viele Pilgerer und Wanderer, diesen Weg mal unter die Füße zu nehmen.
Lieber Wanderfreund Roland Vogt, herzlichen Dank – und genau das ist die Intension des Blogs, einfach Lust auf herrliche Wandererlebnisse zu vermitteln