Marburg, den 16.Juli 2016 –
Würde man einen Sonderpreis für Wandermarketing vergeben, so könnte man diesen getrost dem Burgwald-Touristservice zukommen lassen. “Die märchenhafte 51 km lange Traumroute führt durch die von Lahn und Eder umschlossene Mittelgebirgslandschaft des sagenumwobenen Burgwaldes. Sie verknüpft den Lahn-Dill-Berglandpfad und den Elisabethpfad in der Universitätsstadt Marburg über die Extratouren Stirnhelle und Christenberg mit der Stadt Frankenberg an der Eder. Dort steht das zehntürmige Rathaus mit Glockenspiel, eines der schönsten Fachwerkrathäuser Deutschlands. Der mit dem Deutschen Wandersiegel ausgezeichnete Pfad macht Ihnen die eindruckvollsten landschaftlichen, historischen Höhepunkte und schönsten Ausblicke der Region zugänglich. Auf dem Weg durch den Burgwald, eines der größten unzerschnittenen Waldgebiete Deutschlands, begegnen Ihnen stille Waldwiesen, geheimnisvolle Moore mit Wollgrasflächen, sprudelnde Quellen, spiegelnde Teiche, sagenumwobene Burgen und der keltisch, fränkische Christenberg mit seiner romanischen Kirche mitten im Wald. Museen, historische Rastplätze und Kutschenwege der hessischen Landgrafen erzählen Ihnen vom früheren Leben der Menschen und erklären die alten Namen der märchenhaften Orte. Durch die Verknüpfung der unvergleichlichen Landschaft mit der Geschichte garantiert Ihnen der Burgwaldpfad ein hohes Landschaftserleben.”
Neugierig geworden? Neugierig geworden! Ein langer Sommertag, angenehme Temperaturen – beste Voraussetzung um den angepriesenen zertifizierten Wanderweg in einer Tagesetappe anzugehen. Trotz Zertifizierung durch das in Marburg sitzende Deutsche Wanderonstitut, ominös sind die divergierenden Kilometerangaben zur Gesamtstrecke. Zum Streckenstart weist die offizielle Beschilderung 49,9 Kilometer aus, der Touristikverband Waldecker Land spricht von 57 Kilometern- und die Wahrheit wird erfahrungsgemäß in der Mitte liegen. Offiziell ist der Trail in drei Etappen segmentiert, für all diejenigen, die die Strecke geruhsamer angehen möchten.
Gestartet wird in Marburg eine der ältesten protestantischen Städte der Welt. Selbstverständlich ist um 5.30 Uhr nicht zu erwarten, dass die Elisabethkirche, Startpunkt des Burgwaldpfades geöffnet ist. Gegenüber dem Kirchenportal führt der Pfad durch eine enge Gasse zwischen den Häusern hinauf zur Kapelle St. Michael, auch “Michelchen” genannt, Der Friedhof am „Michelchen“ wurde als letzte Ruhestädte für die Pilger, die sich auf die Reise zur Elisabethkirche gemacht hatten, eingerichtet. “Von hier aus hat man einen wunderschönen Blick auf die 80 Meter hohen Türme der Kirche”, so zumindest die Wanderwegsbeschreibung. Fakt ist jedoch, dass Bäume die Eigenschaft haben zu wachsen. Demzufolge entfällt der “wunderschöne Blick”.
Wunderschön jedoch die Pfade durch das Naturschutzgebiet Teufelsgraben auf dem Weg Richtung Wehrda. Hier passiert man auch das Steinbruchareal “Weißer Stein”. Von hier stammen die Sandsteine, mit denen die Elisabethkirche errichtet worden ist. Auch Teile des Berliner Reichstagsgebäudes wurden mit Steinen aus den hier ansässigen Steinbrüchen errichtet.
Weiter geht es der Lahn entlang, den Weiler Göttingen passierend stetig bergauf gehend nach Oberrosphe dem ältesten Dorf in der Burgwaldregion. Den Quellen zufolge haben bereits Kelten hier eine Ansiedlung begründet. Hier endet übrigens auch nach insgesamt 19 Kilometern die erste offizielle Etappe.
Im zweiten Abschnitt Richtung Münchhausen sind die meisten Steigungen der Gesamtetappe zu absolvieren. Geboten werden weitreichende Aussichten über die Burgwaldlandschaft. Nach fünf weiteren Kilometern ist die Burgenstadt Mellnau erreicht. Die Burg, im Jahre 1250 zunächst eher als Backsteinhaus errichtet und 80 erst 80 Jahre später mit einem Turm ergänzt ist eine weithin sichtbare Landmarke. Seit der Übergabe der Burg an die hessischen Landgrafen im Jahre 1469 verfällt das Gemäuer. Teile der Steine wurden auch zum Bau des Dorfes Mellnau verwendet.
Weiter geht es durch das Naturschutzgebiet „Christenberger Talgrund“, bevor es kräftig ansteigend zum Christenberg, hinauf geht. Das Gebiet ist bekannt für seine Moore und bietet einen reichhaltigen Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Auf dem 388 Meter hohen Christenberg begegnet man Urgestein der hessischen Geschichte im wahrsten Sinne des Wortes. Bei Ausgrabungen auf dem Berg konnten erste Siedlungsanlagen aus keltischer und fränkischer Zeit nachgewiesen werden. Noch heute erhalten und von bemerkenswerter Anmut ist die Martinskirche, deren Bau vermutlich im 11. Jahrhundert begonnen wurde. Von der Aussichtsterasse der benachbarten Waldschänke hat man übrigens herrliche Weitblicke in das Wetschaftstal.
Steil abwärts geht es nach Münchhausen, welches teilweise aus den Steinen der nicht mehr erhaltenen fränkischen Burg auf dem Christenberg erbaut worden ist. Vorbei an der 1712 erbauten Nikolausmühle führt der Burgwaldpfad mit Abstand an den Dörfern Wiesenfeld und Birkenbringhausen vorbei und verläuft bis zum Frankenberger Ortsteil Röddenau dicht entlang der Eder oberhalb eines Steilhanges mit den markanten aus Buntsandstein bestehenden Ederfelsen. Die Buntsandsteine erstrecken sich zahlreiche Kilometer entlang des südlichen Edertals und wurden bereits vor 200 Millionen Jahren als Schutt und Geröll vom damaligen Zechsteinmeer dort hinterlassen.
Nach exakt 11 Stunden und 51 Kilometern ist das Ortsschild Frankenberg erreicht. Lohnend ist allemal noch eine zusätzliche Passage zur Oberstadt, dort wo eines der markantesten Rathäuser Deutschlands besichtigt werden kann. Ein zehntürmiger Fachwerkbau 1509 errichtet. mit feingliedriger Ziegelsteinausmauerung, einem achteckigen Treppenturm und Huckepackfiguren über den Portalen. Die historische Altstadt allerdings weist nicht immer ein geschlossenes Bild auf. Bausünden der Postmoderne, wie aufgesetzte Fachwerkbauten oder lieblos gestaltete Klinkerfassaden beeinträchtigen das Gesamtbild und sprechen nicht zwingend für eine gelungene Sanierung der geschichtsträchtigen Stadt. So wollen die Kleinode, die zweifelsohne vorhanden sind, erst auf dem zweiten Blick entdeckt werden, sofern man sich hierfür die Zeit nimmt.
Mit der Regionalbahn geht es ohne umzusteigen zurück nach Marburg. 44 Minuten Bahnfahrt kompensieren insgesamt 55 gewanderte Kilometer bei knapp 1.400 Höhenmetern. Auch wenn die Einkehrmöglichkeit auf dem Trail bescheiden sind und der letzte Abschnitt nach Frankenberg nicht allumfassend als zertifizierter Wanderweg deklariert werden kann – in Gänze betrachtet ist der Burgwaldpfad allemal eine dicke Empfehlung wert.
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