Wein auf Bier……

Hochheim am Main, den 14. Juli 2019 –

….“das rat ich Dir – Bier auf Wein das lasse sein“. So der Wortlaut einer alten Weisheit. Jedoch diese Lebensweisheit hat einen historischen Hintergrund.  Früher konnte sich das einfache Volk allenfalls Bier leisten. Wein dagegen war das Getränk des Adels. “Wein auf Bier” verband daher den sozialen Aufstieg– im umgekehrten Falle dagegen den sozialen Abstieg. Zunichte gemacht wird diese Hypothese durch eine triviale Erkenntnis: Weinexperten trinken nach einer ausgiebigen Weinprobe gerne ein kühles Bier, ohne sich über besondere Nebenwirkungen zu beklagen.

Günstig an diesem Juli-Wochenende die Konstellation zur Verprobung dieser einschlägigen Erkenntnisse. Gestartet wird in Hochheim am Main, dort wo seit einigen Jahren ein hochinformativer Weinerlebnisweg eingerichtet wurde.  Zwei Faktoren waren es, die die Region um Hochheim auf Weltniveau in der Produktion höherwertiger Getränke hieften. Hier versektete seit 1837 die älteste und größte rheinische Sektkellerei Schweickhardt & Burgeff Hochheimer Weine nach der Champagnermethode. Die Marke „Mumm“ beispielsweise stammte  aus diesem Hause. Der „Sparkling Hock“, war feinste Sprudelware der im 19. Jahrhundert höher als der französische Champagner gehandelt wurde. 1877 nahm das Sekthaus Graeger in Hochheim die Produktion auf, jedoch nach dem zweiten Weltkrieg schloß eine Sektkellerei nach der anderen.

Gestartet wird am S-Bahnhof der Weingemeinde. Nach zwei Kilometern in östlicher Richtung stößt man auf das Königin-Viktoria-Denkmal. Man schrieb das Jahr 1845 als die Queen vor Ort den hier gezogenen Riesling verkostete, hocherfreut war über dessen Qualität und fortan den hier ansässigen Winzer beauftragte den englischen Hof mit dem Rheingauer Qualitätswein zu versorgen. So etablierte sich am Hof der Spruch „ A good Hock keep off the doc“ (Ein guter Hochheimer ersetzt jeden Arzt“). Zum Dank für die Gnade als Hoflieferant ausgewählt zu werden errichtete der Weinbergsbesitzer 1854 ein mächtiges Königin-Viktoria-Denkmal, welches derzeit restauriert wird.

Ein kurzes sonniges Intermezzo in den Hochheimer Weinbergslagen am frühen Morgen
Das Wahrzeichen von Hochheim, die einzige hessische spätbarocke Fresko-Kirche
Das einzige was hier steil ist, ist die Bahnunterführung für Radler, ansonsten sind die Weinlagensteigungen in diesem Abschnitt flach
Aufwändig und hochinformativ ist die textliche Begleitung auf dem Weinerlebnisweg. Im Hintergrund das derzeit eingezäunte Königin-Viktoria-Denkmal

Den 50. Breitengrad querend geht es weiter Richtung Flörsheim durch den Ortsteil Keramag/Falkenberg, der an die traditionelle Porzellan- und Keramikindustrie in dieser Region erinnert. Grausig gruselig der Lärmeintrag der von der oberen Etage kommt. Im Minutentakt donnern  auf zwei Anflugbahnen die ankommenden Flugzeuge Richtung Frankfurter Flughafen. Bemüht man die Permanentaufzeichnungen des Deutschen Fluglärmdienstes so kann man sich selbst davon überzeugen, welche Lärmeinträge über diese Region lasten. Auch Wirbelschleppenschäden an den Dächern gehören hier zum Tagesgeschäft.

Einst war der 50. Breitengrad der maximal vertretbare Korridor für einen gepflegten Weißweinanbau – dem Klimawandel geschuldet gilt das heute nicht mehr
Historische Brandöfen
Kreativer Hinweis an der Obermühle auf den massiven Lärmeintrag in dieser Region
Findet man selten – Erinnerungsposten an die Opfer der Hexenprozesse – gerade einmal sechzehn Generationen her….

Vorbei an einem Regionalparks-Wahrzeichen, dem Flörsheimer Eisenbaum geht es weiter zu einer beliebten Einkehrstätte in der Gemarkung, der Flörsheimer Warte. Zu früher Morgenstunde ist die Gaststätte jedoch noch geschlossen. Was bleibt ist ein Blick hinüber zur markanten Frankfurter Skyline, bevor das östliche Tor des Rheingaus, der Weiler Wicker erreicht wird. Zurück geht es an der Randzone des Kirschenwaldes  in die Hochheimer Weinlagen, die markante Hochheimer Kirche immer vor Augen habend.

Ein Wahrzeichen des Regionalparks Rhein-Main – der begehbare Eisenbaum
Blick von der Aussichtsplattform des Eisenbaums auf die Frankfurter Skyline – vom Messeturm bis zum Henninger Turm
Entdeckungenmöglichkeiten gibt es hier zur Genüge
Das Tor zum Rheingau steht offen, wenn man will 120 Kilometer lang bis nach Kaub
Blick auf die Flörsheimer Warte, im Hintergrund sieht erkennt man das Opel-Gebäude von Rüsselsheim. By the way: die erste urkundliche Erwähnung von Riesling-Reben ist für das Jahr 1435 belegt – und zwar in Rüsselsheim!
Das Wahrzeichen des Wickerer Nonnberg erinnert an die jahrhundertelange klösterliche Weinproduktion
Zurück in Hochheim. Links unterhalb der Kirche befindet sich die Weinlage „Domdechany“ , als großes Gewächs eines der weltweit besten Rieslinglagen.

Jedoch nicht die Weinstadt Hochheim ist das erste Teilziel dieser Exkursion,, sondern die auf der anderen Rheinseite gelegene rheinland-pfälzische Landeshauptstadt Mainz, dort wo just an diesem Wochenende am Mainzer Rheinufer  die 21. Mainzer Bierbörse stattfindet.

Die Kreativität der lärmgeplagten Anwohner kennt keine Grenzen
Man muß nur die richtige Schule besuchen…

Entlang der Hochheimer Mainwiesen, die Kostheimer Brücke passierend, geht es durch die Kostheimer Maaraue vorbei an Mainz-Kastel und über die Theodor-Heuss-Brücke hinüber zum Mainzer Bierparadies.  Obschon vorbelastet mit den vielschichtigen Eindrücken des Rheingauer Weinerlebnispfades – schmackhafte internationale Biere zur gepflegten Mittagszeit, kredenzt am Ufer des Rheins, sind auch nicht zu verachten. Ausgestattet mit einem 0,1l Probierglas geht es von  Stand zu Stand. Polnisches Bier, Tiger Beer aus Singapur, ein Gerstensaft aus St. Petersburg, hopfiges aus Schottland, zwischendurch ein bayrisches Getränk sowie ein Kölsch und der Tagesgewinner ein leckeres Trapistenbier aus Belgien. Angesichts der Getränkevielfalt ist man gut beraten den Magen zu kalibrieren, dank einer exzellenten und reichhaltigen polnischen Küche kann man sich hier bestens präparieren.

Mainkilometer „0“, dort wo der Main an der Mainspitze bei Gustavsburg in den Rhein entwässert
Vorbei an der ehemaligen Bundesfestung Reduit in Mainz-Kastel
Alljährlich treffen sich beim „Meeting of Styles“ hochgradige Graffiti-Künstler in Mainz-Kastell um zur Verfügung gestellte Flächen zu bereichern….
Street-Kunst vom Feinsten
Unterhalb des Kurfürstlichen Schlosses in Mainz findet am Rheinufer die Biermesse statt
In Bayern verboten – der 0,1l Probierkrug im Reagenzglasformat
Ob Chili-Bier, Kaffeebier, Whiskybier…..
…das Mainzer Kultbier Eulchen….
…Mord und Totschlag…., …Seelsorgerbier….
…oder russische Biere…
..mehr als 500 Biersorten könnte man, wenn man wollte, verproben
Polen sei Dank – dank deftiger Küche unseres Nachbarlandes kann man sich wohlweislich für diese Herausforderungen präparieren

Zurück Richtung Weinparadies führt die Passage vorbei am Mainz Strand eine Eventlokation mit Strandfeeling. Der Eintritt ist frei, eine Runde Hängematte als zweckdienliche Ruhepause nach der Bierbörsenexkursion als willkommene Pause.  Erlebniswandern auf hohem Niveau. Nach der Pause ist vor der Pause. Entlang des belebten Rheinufers geht es zurück über die historische Südbrücke, die Gustavsburger Mainspitze querend um anschließend den Main via Kostheimer Brücke zu überqueren.

..anschließend eine gepflegte Ruhepause am Mainzer Strand
Zurück geht es über den Rhein

„Wein auf Bier – das rat ich Dir“. Thematisch passend geht es über die Weinberge hinauf nach Hochheim, dort wo just an diesem Wochenende, das weit über die Hochheimer Grenzen bekannte traditionelle Weinfest stattfindet. Sage und schreibe 104 Stände sind hier aufgeschlagen.  Vom Festbetrieb am Rande der Weinberge bis hinein in die Altstadt, witterungsbedingt  herrscht am frühen Nachmittag Hochbetrieb an allen Weinständen. Kein Wunder, die kredenzten Weine sind exzellent, das Angebot vielschichtig und die gesamte Atmosphäre geprägt von Frohsinn und Lebensfreunde. Kurzum das Hochheimer Weinfest – eine Veranstaltung der Superlative.

..Wein auf Bier…. hier werden exzellente Weine angebaut. Der Riesling des Tages: ein 2017er Hochheimer Kirchenstück, Riesling trocken, aufgelegt vom Domdechant Werner, ein fulminantes Erste-Lage-Gewächs
Ob in den Weinlagen….
..den Hinterhöfen…
..oder den Gassen – das größte Weinfest im Rheingau ist allemal ein Besuch wert

So könnte man diesen Beitrag durchaus mit der Überschrift „Auf den Spuren des guten Geschmacks“ versehen. Ein lehrreicher Start durch den Weinerlebnispfad, mit einem hopfigen Intermezzo im benachbarten Mainz und einem exzellenten Abgang in der Weinhochburg Mainz, gut portioniert auf angenehm gangbaren 36 Kilometern mit nicht bemerkenswerten 240 Hölhenmetern. Dank S-Bahn-Anschluß ist die Region für derartige Exkursionen bestens erreichbar.  Aus gut unterrichteten Kreisen war zu erfahren, dass die 22. Bierbörse in Mainz ab dem 17. Juli stattfindet, das 71. Hochheimer Weinfest findet jedoch schon eine Woche zuvor startet – ergo beste Voraussetzungen für eine Wanderwoche……

 

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*