Vom Niksen zum Wandelen…

Texel im September 2023 – …Nein – es ist keine Gebirgstour und auch keine geografische Standortbestimmung, sondern Ausdruck einer Entschleunigung der besonderen Art. Was die Dänen als hygge bezeichnen hat sich in den Niederlanden seit einigen Jahren als niksen etabliert. Ein entspannter Lebensstil – kurzum “Nichtstun”. In Kombination mit genussvollen Wandertouren kann man entschleunigtes Wandern nach niederländischem Strickmuster auf der größten westfriesischen Insel vortrefflich vor Ort praktizieren. Die Voraussetzungen hierzu sind optimal. 140 Kilometer Wanderwege durch Dünenlandschaften, Heidegebiete, vogelreiche Biotope, Sumpfareale, UNESCO-Welterbe Wattenmeerabschnitte, Naturschutzgebiete, Mischwaldzonen und nicht zu vergessen – einen dreißig Kilometer langen Strandabschnitt – willkommen auf der niederländischen Wanderinsel.

Seit zehn Jahren hat man in den Niederlanden ein Waddenwandelen-Netz aufgebaut, welches in Gänze aus einem Netz von Wanderwegen auf den niederländischen Watteninseln einschließlich der deutschen Insel Borkum besteht. Wattwanderungen sind damit nicht verbunden, sondern Touren auf festem Untergrund ohne besondere Überschwemmungsgefahren. Auf Texel selbst gibt es insgesamt sieben Watten-Wandelen-Pfade die sich jedoch teilweise überschneiden. Die hier vorgestellte Exkursion umfasst auf Basis der vorhandenen Infrastruktur eine komplette Inselumrundung über insgesamt 125 tiefenentspannte und faszinierende Kilometer nach der niederländischen Philosophie: niksen en wandelen.

Los geht es in t,Horntje an der Fährstation Veerhaven, dort wo Festlandbewohner für schlappe 2,50 Euro (inclusive Rückfahrt) das Eilland in 20 Minuten im Stundentakt erreichen können. Von der Fährstation taucht man direkt ein in die ersten Naturschutzgebiete. Ob De Hors mit seiner Seenlandschaft, die langgestreckte Dünenlandschaft De Geul oder der Nationalpark Duinen Texel, der das Waldgebiet De Dennen umfasst, auf dem Weg gen De Koog ist das Spektrum äußerst vielfältig. Als Sahnehäubchen gibt es noch einige Kilometer auf menschenleeren Strandabschnitten obendrauf.

Startpunkt t, Horntje Fährstation Texel – dreißig Minuten vor Sonnenaufgang
Blick hinüber nach Den Helder. Einmal jährlich wird hier ein Monster Cross veranstaltet. Hier treten Kampfschwimmer an, die von Den Helder nach Texel schwimmen.
200 Meter westlich der Fährstation liegt De Mokbaai eine Bucht zwischen De Hoors und den südlichen Poldern von Texel
..und von Anbeginn ist es klar – Wandergenuß pur…
Ein Blick zurück gen Osten – die Nacht hat verloren…
…an diesen Pfahlen kann man die historische Landentwicklung Texels vortrefflich studieren. 1590 endete hier das Eiland.
Farbenpracht bei besten Lichtverhältnissen
Sumpfpflanzen, Sanddorn- und Brombeerbüsche ziehen sich über die Dünenlandschaft de Geul
Die offizielle Streckenausschilderung der Waddenwandelen-Pfade
Blick über die Dünenlandschaft zur markanten Kirchturmspitze von Den Hoorn
Lange Zeit weideten schottische Highländer mit ihren markanten Hörnern auf der Insel – derzeit werden schottische Gallowayrinder, und wie hier Black-Angus-Rinder, eingesetzt. Warntafeln empfehlen einen Abstand von 25 Metern einzuhalten. Nicht immer halten sich die Vierbeiner an diese Abstandsregel
Vom Nationalpark geht es zu den schier endlosen Sandstränden der Insel….
..die glücklicherweise nicht von Strandkörben, Liegestühle und sonstigem Beiwerken verschandelt sind. Einzig Strandhäuser, die teilweise im Privatbesitz sind und teilweise angemietet werden können, sind hier gestattet.
Darüber hinaus sind am dreißig Kilometer langen Strand insgesamt elf bewirtschaftete Strandpavillons eingerichtet, die teilweise sogar das ganze Jahr geöffnet gaben
Vom Strand geht es wieder zurück in die Dünenlandschaft, dort wo man auf unterschiedlichen Wegen..
..in die bewaldete Region des Nationalparks eintauchen kann…
..um in die De Koog, dem touristischen Hotspot der Insel, Station zu machen
Rund um De Koog findet man eine ausgeprägte Infrastruktur vor

De Koog, heute der einzige echte Badeort der Insel war, einst das älteste und wohlhabendste Fischerdorf der Insel. Einst bedeutet, dass bis 1570 Texel aus zwei Teilen bestand. Texel einerseits und Eierland andererseits. Oberhalb von De Koog lag der Schiffshafen und von hier aus starteten Walfänger ihre Expeditionen. Zunehmende Versandungen und eine gewaltige Sturmflut von 1570 setzten dem ein Ende. Aus zwei Inseln wurde eine Insel und das ehemalige Fischerdorf verkam zu einem ärmlichen Bauerndorf.

Einst war De Koog ein Fischerdorf

Von De Koog aus geht es weiterführend in nördlicher Richtung in die Naturreservate Koverskool und dem Reservat De Slufter, das einzige Naturschutzgebiet der niederländischen Küste wo die Nordsee ungehindert eindringen kann. Hier gelang es nicht den Deich zu schließen und so entwickelte sich ein einzigartiges Gebiet mit faszinierenden Lagunenlandschaften, Salzwiesen und Sandbänken.

Die letzte Flutbarriere am Stand von De Koog
Die inseltypischern Strandhäuschen….
..jedoch die Saison ist gelaufen und die Büdchen werden in das Quartier gebracht
..so bleibt dem sitzaffinen Besucher in den Wintermonaten nur noch der Blick aus den bewirtschafteten Strandpaals
..im Vorteil jedoch Strandläufer -den es hier gibt es immer etwas zu entdecken…
..von Februar bis Oktober….
..und vom November bis zum Januar..

Nach zehn Kilometer Strandwalk ab De Hoorn erreicht man hinter dem Areal Slufterbollen eine Wasserenge, die man durchaus durchqueren könnte, wenn man nicht wasserscheu ist und ein Handtuch im Rucksack hätte. Mangels Handtuch geht es auf einem Rundweg durch das Naturgebiet De Slufter zurück nach De Koog – eine wunderbare gangbare Alternative zur vorausgegangen Strandexkursion.

Niksen und einfach wandelen
De Slufter – auch hier kann man freilaufenden Wildpferden und Rindern begegnen…
..ansonsten genießt man die Fauna des Landstrichs
Durch das Naturgebiet De Muy wandert man zurück nach De Koog

Wer kennt ihn nicht – den Spruch: “Der frühe Vogel fängt den Wurm”. Für wandernde Momentensammler gilt die Erkenntnis: Frühstarter ernten die beste Zeit des Tages. Sicherlich – es gibt es zwei Fraktionen. Der überwiegende Teil der Menschheit begeistert sich für Sonnenuntergänge – jedoch die Lichtstimmung bei Sonnenaufgang ist unübertroffen, wobei der Sonnenaufgang selbst relativ unspektakulär ist. Spannend ist jedoch das Lichtszenario dreißig Minuten zuvor bis kurz bevor sich der Feuerball über den Horizont hebt. Für Frühstarter ist der nordöstlichste Zipfel Texels am Robbengat bei De Cocksdorp der ideale Punkt für einen bemerkenswerten Tagesstart. Einmalig das Lichtszenario bei passender Wetterlage – und wer es schafft, kann das Zeitfenster bei passenden Verhältnissen im Glanz des rot-orange-gelb-blau changierenden Lichtes bis zur Fährstation Texel-Vlieland als Lichtspektakel für das Auge nutzen.

Blick von der Kikkertstraat in De Cocksdorp auf den Nordseedamm nebst Eierland Pumpstation
..stehenbleiben und niksen – so das Gebot der Stunde….
..das einzige was sich minütlich verändert ist die Lichtstimmung….
..und von Mai bis September kann man hier zur Nachbarinsel schippern
…ein weiterer Vorteil zur frühen Stunde – man hat den Strand für sich alleine….
..das Wahrzeichen der Insel
..nicht zu verfehlen Strandhuus 217…
..und auch Nummer 138 hebt sich ab…..
..hinter dem Leuchtturm, im Gebiet der Eierlandse Duinen wandert man gute zehn Kilometer entlang der Nordsee. Entlang dieses Abschnittes gibt es keine bewirtschafteten Strandpavillons
..und hier am anderen Ende der Nordsee-Einbuchtung schwenkt man ein in einen herrlichen Dünenwanderweg, der zurück in nördlicher Richtung führt
Auch wenn scheinbar viele Wege durch die Dünenlandschaft führen – gut beraten ist man hier achtsam unterwegs zu sein…
..denn man ist hier in Naturschutzgebieten unterwegs…
..und wer nicht folgen kann, muss fühlen…….

Szenenwechsel – nach der westlichen Passage folgt die östliche Seite, dort wo das Wattenmeer beheimatet ist. Man kann von Nord nach Süd oder von Süd nach Nord wandern – entweder als Streckenwanderung oder als Ringwanderung – orientieren sollte man sich dabei an der Wetterlage und den Windverhältnisse. Bei Sturmstärke 6 beispielsweise empfiehlt es sich mit Rückenwind über den Nordseedamm treiben zu lassen um die windlastige Passage über den anschließenden Rückweg im Landesinneren über Naturgebiete wie De Schorren, Utopia oder Eendenkopp in Angriff zu nehmen. Alternativ kann man wunderbar mit dem Texelhopper auch Streckentouren einplanen. 130 Haltestellen gibt es auf der Insel. Online kann man sich, spätestens dreißig Minuten vor Start, seine Start- und Zieldestination auswählen – zum Einheitspreis von 3,05 Euro pro Strecke. Perfekt um sich seine individuellen Touren zusammenzustellen.

Von De Cocksdorp geht es an diesem Tag nicht per Boot sondern per Texelhopper (Haltepunkt an der grünen Holzbarke) zum Startort nach Oudeschild..
Start an der Windmühle In Oudeschild. Die Windmühle wurde1727 in Zaandam errichtet. Da es auf Texel keine Windmühlen gab und in Zaanse Schans genügend Mühlen herumstanden, baute man die Anlage 1908 ab, schaffte sie auf die Insel und seitdem ist die westfriesische Insel mit De Traanroeier wie die Windmühle offiziell heißt um eine Attraktion reicher
Der Heimathafen der Texeler Fischereiflotte in Oudeschild
..und hier – östlich der Inselhauptstadt Den Burg – sind in Überzahl die wahren Herrschen der Insel ansässig – die legendäre Texelschafe
13.000 Menschen sind hier auf der Insel als Einwohner registriert sowie 16.000 Schafe. Bis 1845 gab es noch ein striktes Einfuhrverbot für Schafe. Nach der Aufhebung des Verbotes wurden in die vorhandenen Landschafe britische Schafrassen eingekreuzt. Daraus entstand das Texelschaf. Im Frühjahr ist die Insel zudem im Bann der Lämmer – dann verdoppelt sich locker die Anzahl der Tiere.
Sichtlich ruhiger ist der Seegang an der Ostseite der Insel
..vorbei an der zweiten Windmühle der Insel – Het Noorden
Die Zahl der Deiche im Landesinnereien ist überschaubar……
..die regionaltypisch mit Gräser bewehrt sind
Sowohl kräftige Vierbeiner….
..als auch flugtaugliche Zweibeiner sind rund um den Roggesloot vor De Cocksdorp angesiedelt
Landgewinnung war und ist harte Arbeit auf Texel wie hier am Prins Henrik-Polder
Harte Arbeit am Damm bei Windstärke 6 (ca 50 km/h) Aber niederländische Radler sind kampferprobt und strotzen überwiegend auch ohne E-Bike den Nordseewinden
..weniger sturmerprobt hingegen ist das Texelschaf. Mensch denkt jedoch mit und baut Stallungen mit einer geraden Hauskante gen Osten. So kann sich der Grasvernichter bei Tiefdruckgebieten, die aus England heranströmen, locker hinter die Hauswand stellen.
Vorbei am ältesten Schafhof der Insel….
..geht es hinauf zur höchsten Erhebung der Insel, dem 15 Meter hohen Hoge Berg. Hier standen einst zwei Galgen, damit die dort aufgeknüpften Galgenvögel weithin sichtbar waren und hier, unterhalb der Anhöhe, pumpte man gutes eisenhaltiges Wasser ab, welches die Seefahrer für ihre langen Schiffspassagen abfüllten
Inseltypisches Wohlfühlambiente
UNESCO-Welterbe Wattenmeer

Der Kreis der großen Inselrunde schließt sich mit einer Rundtour rund um Den Hoorn – eine Tour die sich vom Nationalpark Duinen van Texel bis zur Mokbaaispitze nach t,Horntje erstreckt. Von Den Hoorn aus geht es zunächst in westlicher Richtung einmal mehr über die Dünenlandschaft bis hin zum Strandpaal 6 an der Nordsee um über das Areal der ehemaligen Militärbunker bis zur Fahrstation Verhaagen zu wandern, um von dort aus über das Hoornder Nieuwland zurück in das Künstlerdorf Den Hoorn zu gehen.

Start an der meistfotografiertesten Kirche der Insel – wobei man diese Perspektive auf Google vergeblich sucht
im Gegensatz zu solchen Ansichten….
Zuerst waren die Fietsen – und irgendwann später die Fußgänger – so zumindest die Prioritäten im Nachbarland
Vier Wochen früher und hier hätte es ausgesehen wie in der Lüneburger Heide
Kaum zu glauben….
..wie vielschichtig diese Insel ist
Im Zentrum des Nationalparks Duinen von Texel
Und während im Licht der Morgensonne die Gräser in der Dünenlandschaft regelrecht leuchten..
..verdampft gegenüber die Kirche von Den Hoorn regelrecht im sonnendurchfluteten Gegenlicht
Einmal mehr sind die üblichen Verdächtigen in der Dünenlandschaft versammelt
Hier oben an der hohen Düne, der Het Lootmannsduin, errichteten 1939 die Niederländer Bunker…..
..die eine freie Sicht bis hinüber nach Den Helder ermöglichten.
..spannender hingegen jedoch die Einblicke auf Bodenhöhe…
..oder an der Wasserfront
..der Nationaal Park – ein Wanderparadies
..auch wenn hie und da schon mit Rost behaftet….
..und mit niederländischer Kreativität bereichert….
..sowie punktuell, wie hier am Künstlerdorf Den Hoorn, kunstgerechtt in Szene gesetzt

Komplett die Inselumrundung – eine gefühlte Lücke jedoch sollte geschlossen werden. Das Naturschutzgebiet Waalesburg, ideal für eine schöne Rundwanderung, ausgehend von de Koog gen De Waal. Auf eine zusätzliche existente Tour, die die Inselhauptstadt Den Burg mit einbezogen hätte wurde bewusst verzichtet. Stadtgedöns eingemantelt in das Thema dieser Wanderexkursion “Entschleunigtes Wandern auf niederländische Art” wäre deplaziert gewesen.

Keine hundert Meter vom Zentrum der Touristenhochburg De Koog entfernt geht es ab in den Wald
Einmal mehr begleitet magisches Licht die Wanderstrecke
Texel – die Vogelinsel schlechthin – sowohl Brutgebiet als auch Durchzugsgebiet. Erst kam der Vogel, dann der Mensch, dann die Schafe……
..im Viertelstunden-Takt ändert sich das Himmelsbild
..langweilig wird es auf der Insel wirklich nicht
GROSSartig im wahrsten Sinne des Wortes
Einmal mehr niksen en wandelen auf höchstem Niveau
Eine Stippvisite im Strandräubermuseum von Texel…
..einem weltweit einmaligen Fundus von Strandgut, Schiffsmotoren, Containerfracht, Raketen und Munition, Bojen, Knochen, Schnapsflaschen, Flaschenpost, Seile, Puppen, Gartenzwerge, Gebisse – es gibt nichts was schon aus dem Meer herausgefischt wurde……
Natur pur….
..auf dem Weg zurück gen De Kook
..durch Pinienwälder
..erneut zum Strand. Umweltbewusstsein wird auf Texel großgeschrieben. Einerseits jagen die “Jutter” nach Fundstücken aus dem Meer, andererseits sind am gesamten Strand Abfallkörbe aufgestellt so dass Strandgänger Plastikmüll aufnehmen und sachgerecht entsorgen können
Sonnenuntergangssammler können am besten zwischen Strandpaal 17 und Strandpaal 21 den Tagesausklang bewundern….
..komfortabel natürlich in einem Strandpaal wie hier im Beachclub am Paal 19…
Alternativ zu Fuß mit einer Meeresbrise am Nordseestrand

Vom Niksen zum Wandelen – ein großartiges Wandererlebnis auf einer faszinierenden Wanderinsel. Neben den offiziellen Waddenwanderwege gibt es noch weitere gangbare Routen, die sich allesamt vortrefflich kombinieren lassen. Wer einen wunderbar wanderbaren Rückzugsort sucht, der ist auf Texel, vorzugsweise in der Nachsaison, bestens aufgehoben.

In einen gut ausgestatteten Wanderrucksack gehört auch ein gepflegtes Wanderbier. Zwei Lokalmatadore sind auf der Insel vertreten. Texels hatte bereits vor Jahren mit dem allseits beliebten Skuumkoppe seinen Siegeszug angetreten, so dass irgendwann Heineken den gesamten Laden übernahm. Grund für viele Gastronomen auf Texel auf den neuen Inselstar, die Tesselaar Familienbrauerei auszuweichen. Wie auch immer, zwei Sorten sind besonders zu empfehlen. Texels Springtij Spezialbier (Drehzahl 7,5%) und das leckere Strandstruner von Tesselaaar. Wohlbekömmliche Basisversorgung auf einer prächtigen Wanderinsel.
Und was das mächtige Moai-Standbild in Zuid-Eierland mit den Osterinseln zu tun hat und andere spannende Geschichten kann man vor Ort selbst entdecken

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