Bad Wildungen, den 08. September 2023 – Schon inflationär ist das Wanderangebot für Langstreckenwanderer im vielleicht beliebtesten Wandermonat September. Rund fünfzig Veranstaltungen werden im Bundesgebiet für diese Zielgruppe angeboten. Ein Topangebot hierbei ist das 24stündige Wanderabenteuer am Edersee. Der Name ist Programm und bürgt für Qualität. So folgten insgesamt 400 Wanderinnen und Wanderer dem Ruf des Veranstalters, der bereits zum neunten Male zu dieser Veranstaltung einlud.
Frei nach der Erkenntnis “Never change a running system” hat man konzeptionell auf die bewährte Durchführungsform zurückgegriffen. Der Startort als Wandermarktplatz, dort wo die 130 Langstreckenwanderer bereits am Vorabend in die 45 Kilometer lange Nachtstrecke starteten, und dort wo elf Stunden später 230 Wandermarathonis in die Tagesstrecke einstiegen. Logistisch perfekt, denn einerseits haben die 24-Stunden-Wanderer die Chance nach der Nachttour Equipment auszutauschen und die Betreuer an den Verpflegungsstellen werden zudem entlastet, da sich der Wanderpulk entzerrt.
Einmal mehr war die Wandelhalle Bad Wildungen Startort der Veranstaltung. Schon Martin Luther differenzierte in seiner Bibel zwischen “wandeln” und “wandern”. Während “wandeln” als das hin- und hergehen auf kleinerem Raum beschrieben wurde verband der Reformator “wandern” mit der Absolvierung größerer Strecken. By the way: Wandeln ist, was den Kurpark nebst Wandelhalle in Bad Wildungen anbelangt jedoch eine Untertreibung. Mit einer Länge von 7,5 Kilometer und einer Fläche von 50 Hektar wandelt oder wandert man hier im größten Kurpark Europas.
Pünktlich um 19:00 Uhr, just fünfzig Minuten vor Sonnenuntergang schickte der Geschäftsführer der Edersee Marketing GmbH, Claus Günther, die hochmotivierte Wanderschar auf die Piste. Waren in der Vergangenheit auch einmal Jacken, Kappen, Schals und Handschuhe auf der Nachtstrecke angesagt, dominierten in 2023 T-Shirts und kurze Hosen – ergo wettertechnisch beste Voraussetzungen für eine angenehme Nachttour.
Raus aus den Kurpark und hinein in das Sondertal, dort wo der Talgraben und der Sonderbach sich durch die eine kleine Schluchtenlandschaft schlängelt. Rasch senkt sich die Sonne hinter den Kuppen des Wildunger Berglandes und Stirnlampeneinsatz ist angesagt. Hinter Odershausen wechselt die Streckenführung auf den Kellerwaldsteig. Wer hier tagsüber unterwegs ist kann Hute- und Süntelbuchen bestaunen, sehenswerte Bäume, die im schmalen Streifen des Stirnlampenlichtes verborgen bleiben. So geht es bei milden Temperaturen bei einer angenehmen Steigungstextur zum sechzehn Kilometer entfernten Dorfgemeinschaftshaus in Bergfreiheit, eine von insgesamt sieben Verpflegungsstationen.
Wetterlagenbedingt ist der Himmel geputzt und ein sehenswerter Sternenhimmel dominiert das nächtliche Szenario. Auf guten Wegen geht es auf dem Kellerwaldsteig vorbei an Armsfeld, den Weiler Hundsdorf querend zum Dülfershof, der schon bei anderen 24h-Veranstaltungen als bewährte Verpflegungsstation herangezogen wurde. Besonders begehrt nach 32 Kilometern auf der Strecke ist natürlich Kaffee als Muntermacher und Cola als Unterzuckerungsprophylaxe. Manch ein Teilnehmer bemängelte die geringe Anzahl der Verpflegungsstationen. Sicherlich, 2015 hatte man bei der Auftaktveranstaltung insgesamt zehn Stationen, die Erste nach sechs Kilometer, die Zweite nach zwölf, die Dritte nach 20 Kilometer. Jedoch mit den Erfahrenswerten aus der Vergangenheit hat man hier zielgerichtet nachjustiert. Für die Nachtstrecke zwei Etappen über circa 15 Kilometer, anschließend die nächste Station nach zehn weiteren Kilometern. In die Tagesstrecke startet man mit einem Vorlauf von fünfzehn Kilometern, um in Anschluss bedarfsorientiert auf eine Zehn-Kilometer-Taktung überzugehen. Mild die Nacht und mit Ausnahme eines kleinen “Dschungelpfads” war die Auswahl des Streckenverlaufs nachtwanderungstauglich eingeplant. Von Dülfershof geht es nach Albertshausen und von dort aus zurück in das benachbarte Bad Wildungen. Wohlweislich hat der Veranstalter dem Leistungsanspruch der Wanderer Rechnung getragen. Wer gegen die Uhr läuft kann bereits ab 01.30 in der Wandelhalle zum Frühstück greifen und bis 09:00 Uhr wird für Genußwanderer das Buffett offengehalten.
Rational gesehen könnte man sich (und Einige haben davon auch gebraucht gemacht) sich zunächst hinlegen um dann bei Tagesanbruch in die Tagesstrecke zu starten. Könnte man. Jedoch gemäß Wettervorhersage steht ein weiterer heißer Spätsommertag an. So bietet es sich regelrecht an, statt “carpe diem”, “carpe noctem” anzuwenden. Nutze die Nacht und gehe direkt weiter in die Tagesstrecke – so diepersönliche Losung. Der Aufwand lohnt in mehrfacher Hinsicht. Die Tagestiefsttemperaturen haben ihren Zenit erreicht und die Wetterbedingungen sind schlichtweg ideal. Über den Bad Wildunger Hausberg, dem Homberg, geht es zunächst aufwärts gen Kleinern. Auf dem Weg gen Kleinern mäandert ein Höhenweg zwischen den Bilsteinklippen und den Wolfsklippen. Wohltuend die Nachtfrische, die sich auf dieser Passage entfaltet. Just um 05.30 Uhr ist es vorbei mit der Stille des Waldes. Erste Vogelstimmen begleiten die am östlichen Horizont auszumachenden schmalen Lichttreifen. Die Nacht hat verloren, und wer schon eine Nacht durchgewandert ist kann bestätigen, dass der Dynamisierungsfaktor Licht neue Energie freisetzt auch wenn man schon 60 Kilometer unter der Wandersohle hat. Lagebedingt hat sich eine Nebelschicht über die Niederungen gelegt, jedoch die Kraft der Sonne lässt den Schmauchspuren der Nacht keine Chance.
Hinter Kleinern geht es uhrzeitenbedingt in die reizvollste Etappe des gesamten Trails. Von Kleinern aus folgt man zunächst dem Kellerwaldsteig. Der Wanderweg schmiegt sich als Höhenpfad rund um den Stürzelstkopf. Atmosphärisch dicht dabei die Stimmung im Wald. Während der unten liegende Affoldener See noch regelrecht eingenebelt ist, schubt auf der Westseite über den Bäumen blaues Licht durch. Faszinierende Lichterspiele die eine mystische Stimmung verbreiten. Vorbei an den mächtigen Rohren des Pumpenspeicherkraftwerks schwenkt man ein in den Urwaldsteig, der zur nächsten Verpflegungsstation am Campingplatz Bringhausen hinab zum Edersee führt. Tolle Pfade und punktuell wadenkräftigende Anstiege kennzeichnen den Urwaldsteig, einen Wanderweg der Superlative, den es lohnt einmal komplett zu erwandern. Zur rechten Zeit am rechten Ort – so die Erkenntnis bei Ankunft in Bringhausen. Langsam schleicht sich der Nebel am Edersee aus, und ein strahlend blauer Himmel übernimmt die Regie in der oberen Etage. So sitzt man auf der Terrasse der Gaststätte des Campingplatzes förmlich auf einem Logenplatz, um dieses eindrucksvolle Panorama zu bewundern.
Wenn man eine 24-Stundenwanderung richtig interpretiert, sollte man 24-Stunden auf Achse sein. Wenn man jedoch zehn Stunden zuvor die vorletzte Verpflegungsstation, die in exponierter Lage stationiert ist erreicht hat, fängt das Grübeln an. Pragmatisch betrachtet sollte man hier eine große Pause einlegen und die Füße ausstrecken. Einen idealeren Platz findet man nicht. Einzig der prognostizierte Temperaturanstieg hindert daran die Wanderstiefel auszuziehen. So geht es schweren Herzens weiter – zunächst hinauf zum Daudenberg und weiterführend über die bewährte Achse Urwaldsteig und Kellerwaldsteig zum zehn Kilometer entfernten Gellershausen, dort wo die letzte Versorgungsstationen vor dem Zieleinlauf in Bad Wildungen eingerichtet wurde.
Schlußsport von Gellershausen nach Bad Wildungen. Ein sanfter Anstieg unterhalb der Kuppe des Angstberg, und von dort aus weiterführend dem Kellerwaldsteig folgend, führt der Rückweg analog der Nachtstrecke hinab nach Albertshausen und weiterführend über eine Flurstrecke nach Bad Wildungen/Reinhardshausen. Einzig die Schlußpassage zur Wandelhalle zieht sich mächtig. Kein Wunder denn hier ist man auf Europas größtem Kurpark unterwegs. Manch ein Kur- und Tagesgast, der das ungewohnte Treiben an der Wandelhalle beobachtet fragt sich mit sorgenvoller Miene, ob man allen Ernstes 24 Stunden am Stück wandern kann. So obliegt es einmal mehr der persönlichen Interpretation wie man einen Kuraufenthalt definiert. Kurtechnisch kann man den Teilnehmern eine erhöhte Sauerstoffzufuhr nicht absprechen. Ob daraus resultierend der Teilnahmebeitrag bei der Krankenkasse als Aufwendungen für einen Kuraufenthalt geltend gemacht werden kann, wäre an anderer Stelle zu prüfen. Denn als Fastenwanderung lässt sich diese Veranstaltung nicht deklarieren, wie an den Versorgungsstationen mehrfach unter Beweis gestellt wurde.
Die 24-Stunden-Wanderung am Edersee, die Erfolgsgeschichte wird fortgeschrieben. Einmal mehr war die Streckenauswahl und die Unterstützung und Logistik -bis hin zum Shuttleservice- perfekt. Die Nachtstrecke sorgsam als nachtstreckentauglicher Abschnitt ausgewählt, die Tagespassage über hitzeschützende waldreiche und sehenswerte Abschnitte gelegt, und protokollarisch natürlich auch mit einer Ecke des Edersees garniert. Sicherlich, manch ein Wanderer hätte sich mehr See gewünscht – jedoch die Region besteht eben nicht nur aus See und es ist durchaus nachvollziehbar, das man bewusst die Gelegenheit anbietet einzutauchen in eine wunderbare Wanderregion, die mittlerweile auch das Siegel “Qualitätsregion Wanderbares Deutschland” trägt. 24 Stunden genügen nicht um 60.000 Hektar Naturpark Kellerwald-Edersee, davon 7.700 Hektar Nationalpark, zu entdecken. Ein Zuckerstückchen gab es noch für alle Teilnehmer: ein Early-Bird-Ticket für die nächstjährige Veranstaltung, dann wenn am 13. September zum zehnten Mal zum 24-Stunden-Wanderabenteuer eingeladen wird.
43 km: toller Weg, gute HM, gute Markierung (wandern ohne Technik super gut möglich), Verpflegung gut (Nudeln haben gefehlt, nur im Ziel und nur gegen Bezahlung = nicht gut), etwas mehr Coca Cola (für die Letzten, war nie mehr was da). Gemeinsames grillen zum Abschluss fehlte. Toll die Möglichkeit zum Duschen, tolles Team und super Verpflegungsstationen,
Lieber powerwalker Martin, wie immer ein gelungener Beitrag über unsere 24 h Edersee. Vielen Dank und gerne bis zum nächsten Jahr :-)Beste Grüße aus der Region Edersee, Claus
Herzlichsten Dank Claus, und Kompliment zurück – wie immer eine tolle Veranstaltung. Auf ein Neues in 2024. Herzliche Grüße an den Edersee -Martin-