Frankfurt, den 19. Juni 2021 – Wenn man will findet man immer einen guten Anlass für eine gepflegte Wanderung. Diesmal waren es sogar drei Anlässe. Erstens die tropische Temperaturen, die tagsüber das Thermometer auf 35 Grad schnellen ließen und nachts auf maximal 23 Grad absanken, zweitens die anstehende Sommersonnwende und drittens ein Jubiläum: dreißig Jahre Grüngürtel Frankfurt. Zugegeben, am langen Ende genügte die Hitze des Tages die uns in die Hitze der Nacht getrieben hatte.
So starten wir just vor Sonnenuntergang in der grünen Stube der Stadt Frankfurt, in Oberrad, einem Frankfurter Stadtteil und gleichzeitig Gärtnerdorf, welches zwischen Sachsenhausen und Offenbach gelegen ist. Hier befindet sich die Heimat der legendären Grünen Soße, die aus Borretsch, Kerbel, Kresse, Petersilie, Pimpinelle, Sauerampfer und Schnittlauch hergestellt wird und gerne zu jungen Kartoffeln und hartgekochten Eiern gereicht wird. Wer das Ganze noch mit einem Frankfurter Ebbelwoi herunterspült muss sich um seine Darmflora keine Gedanken machen. Sogar ein Grüne-Soßen-Denkmal liegt auf dem Grüngürtelweg, der mit 68 Kilometern als längster Wanderweg Frankfurts einmal rund um die Bankenstadt führt, und dabei seinem Namen durchaus gerecht wird, denn die Strecke verläuft mehr oder minder durch die grünen Oasen rund um die Mainmetropole.
Die Gartenlandschaft von Oberrad querend erreicht man rasch die Frankfurter Gerbermühle, der Edelbiergarten der Stadt. Stromabwärts folgen wir zunächst dem Main mit Blick auf die Frankfurter Skyline, um am Osthafen unterhalb der Europäischen Zentralbank das Ufer zu wechseln um in östlicher Richtung einzuschwenken. Dabei ist die mainquerende Deutschherrnbrücke speziell bei Dunkelheit ein beliebter Hotspot für Fotografen, um die markante Skyline eindrucksvoll abzulichten. Vorbei am Ostbahnhof führt der Grüngürtelweg hinein in den Ostpark. Das einziehende Dunkel der Nacht flutet den grünen Ostpark und legt grauschwarze Schlieren über die Parklandschaft. So wird in den nächsten Stunden aus dem Grüngürtelweg ein Grau-und Schwarzgürtelpfad.
Vom Ostpark geht es “hinauf” zum Bornheimer Hang, der oberhalb der weitläufigen Sportgelände am Riederwald verläuft. Auch wenn nachts nicht mehr sichtbar, der Grüngürtelweg bleibt seiner Farbe treu. Entlang eines Grünstreifens wandert man durch den Erlenbruch um im Anschluss in das Waldgebiet zwischen Bergen-Enkheim und Bischhofsheim einzutauchen. Einzig konfus, zumindest in der Nacht, ist die Streckenführung des Grüngürtelwegs, der über die derzeit größte Frankfurter Baustelle, dem Bau des Riederwaldtunnels verläuft. Nach einem fünf Kilometer langen Waldspaziergang ist der Berger Hang erreicht, ein ansprechendes Flora-Fauna Habitat, welches insbesondere zur Blütezeit lohnt erwandert zu werden. Entlang des schmalen Ludwig-Emmel-Weges, der hinein nach Bergen-Enkheim führt, kann man die nun im Westen gelegene illuminierte Frankfurter Skyline bewundern. Der angedachte fotografische Merkposten, das Berger Rathaus muss jedoch entfallen. Seit Jahren (!) ist das sehenswerte denkmalgeschützte Objekt zu Sanierungszwecken eingerüstet, seit Jahren passiert rein gar nichts. Angeblich soll nun im Jahre 2022 mit den Arbeiten begonnen werden. Von Bergen-Enkheim führt der Wanderweg zum Hausberg der Frankfurter, dem Lohrberg, dem schönsten Sonnenaufgangsbeobachtungsplatz Frankfurts. Jedoch auch das nächtliche Panorama auf die Frankfurter Skyline ist erfreut das Auge des Betrachters.
Vom Lohrberg, dem höchsten Punkt des Grüngürtelweges, geht es abwärts durch die offene Feld- und Wiesenlandschaft zwischen Preungesheim und der Siedlung Heisberg, den Ortsteil Berkersheim touchierend hinüber zur Nidda, der wir nun auf einer Länge von zwanzig Kilometern bis zum Zielpunkt unserer Mitsommernachtsexkursion folgen. Der Europaturm, besser bekannt als Ginnheimer Spargel, wird dabei als beleuchtete Landmarke als nächtlicher Orientierungsposten dienen. Dank Lichtverschmutzung der Mainmetrople ist der Einsatz der Stirnlampe entlang der Nidda obsolet. Zudem zu glauben, dass die nächtliche Stille sich über die Niddauauen legt und wir im Rahmen einer meditativen nächtlichen Entspannungswanderung durch die Flusslandschaft ziehen, ist ein Trugschluss. Auch wenn der Fluss selbst mit einer fast nicht zu bemerkenden Fließgeschwindigkeit scheinbar im Flussbett verharrt, so begleitet ein stimmungsvolles Krötenkonzert die nächsten Kilometer in dieser lauen Sommernacht. Einzige Kröte die wir schlucken – der Niddauferweg ist, da als Radweg ausgebaut, mehr oder minder durchgängig asphaltiert. Vorbei am Alten Flugplatz Bonames wechselt der Grüngürtelweg öfters die Seiten. Man unterquert die A 661, wandert am Freibad Eschersheim vorbei, passiert die Praunheimer Wehr, lässt Heddernheim buchstäblich rechts liegen, schlängelt sich auf grünen Pfaden zwischen Praunheim und Hausen durch, um abermals eine Autobahn, diesmal die A66 zu unterqueren. Gegen 4.20 Uhr ist eine der kürzesten Nächte des Jahres vorbei, die bürgerliche Dämmerung setzt ein.
Weiter geht es von grün zu grün. Wir tauchen ein in den schmucken Brentonapark der gemeinsam mit dem vorgelagerten Niddapark 1989 im Rahmen der damaligen Bundesgartenschau in Szene gesetzt wurde. Unterhalb von Rödelheim folgen wir dem weiteren Flussverlauf der Nidda, unterqueren das Frankfurter Westkreuz und tauchen ein in die dem Frankfurter Stadtteil Hoechst vorgelagerten Seenlandschaft. Bei Nied ist die Wörthspitze erreicht, hier mündet die Nidda in den Main. National verbindet man Frankfurt Hoechst mit dem ehemaligen Chemiegiganten, die Hoechst AG, die heute unter dem Namen Aventis firmiert. So sind Besucher immer wieder überrascht, wenn man die gute Stube, die Hoechster Altstadt nebst Schloss und Marktplatz, kennenlernt.
Bei Hoechst ist nach 49 Kilometern und überschaubaren 240 Höhenmetern das Tagesziel erreicht. Sicherlich, man könnte noch die restlichen 20 Kilometer dranhängen, um über die Schwanheimer Dünen durch den Frankfurter Stadtwald zur Oberschweinstiege und zum Frankfurter Goetheturm zu wandern – jedoch bei drohenden 34 Grad in der Spitze ziehen wir es vor, diese angenehme Nachttour mit einem wohlverdienten hopfenhaltigen Weißwurstfrühstück stilvoll zu beenden. Welche Facetten der Grüngürtelweg im Hellen und in Gänze bietet, kann man dem Blogbeitrag aus dem Jahre 2015 “Das Grüngürtelexperiment” entnehmen.
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