Veitshöchheim, den 31. Januar 2021 – Wanderplanung ist ein Kapitel für sich. Bei Flußwanderungen spielen nicht nur wetteradjustierte Fährdienstfahrzeiten oder saisonale Absperrungen von Schleusenübergängen eine Rolle, aktuell sind auch die Wasserstände gebührend zu berücksichtigen. 50 cm und acht Stunden sollten reichen, um vom Mainparkplatz in Karlstadt/Mühlbach zu einer 42 Kilometer langen Mainwanderung aufzubrechen… so die Annahme.
Sicherlich der Main ist träge, jedoch die aktuelle Fließgeschwindigkeit ist nicht zu unterschätzen. Gestartet wird in Mühlbach dem Stadtteil des gegenüberliegenden Karlstadts. Noch verschluckt die Dunkelheit die mächtigen Bauten des weitläufigen Zementwerkes der Kreisstadt. Bei frostigen Temperaturen ist der Mainweg vereist, jedoch mit Grödeleinsatz gut zu bewältigen. Optimal geeignet sind hierfür City-Spikes, die man für kleines Geld erwerben kann. Bereits auf den ersten Kilometern Richtung Laudenbach macht sich die flutenbedingte Flußausdehnung bemerkbar. Die Mainauen sind unterdessen mehr oder minder komplett geflutet und stellenweise zieht sich die Mainwasserfront bereits zur Kante des Mainweges hoch. 50 cm – acht Stunden – sollte klappen.
Glatteis am Morgen hat ein Vorteil: man hat die Strecke für sich, keine freilaufenden Hunde, keine klingellosen Hochgeschwindigkeitsradler, lediglich der gurgelnde Strom belebt geräuschvoll die sich gen Würzburg öffnende Mainlandschaft. Nach sechs Kilometern ist Himmelstadt erreicht, dort wo man, dank des himmlischen Namens, das einzige bayrische Weihnachtspostamt besichtigen kann. Zur Adventszeit beantworten ehrenamtliche Helfer Weihnachtspost aus aller Welt bereichert mit einem Sonderstempel der Post und sinnigerweise hat die Deutsche Post zudem hier am Mainufer den ersten deutschen Philatelisten-Lehrpfad eingerichtet. Zwischen Himmelstadt und Retzbach fallen die markant ausgeprägten Muschelkalkfelsen in das Auge, versteinerte Restanten eines Binnenmeeres, welches vor 230 Millionen Jahren die Region flutete. Das Meer hat sich zurückgezogen, versteinerte Fisch- und Muschelreste hinterlassen, und in unserer Zeitrechnung damit eine ausgezeichnete Bodengrundlage für den hier kultivierten Weinanbau geschaffen.
Dem Flußverlauf des Mains folgend geht es in südöstlicher Richtung weiter, vorbei an Zellingen, weiterführend nach Ellabrunn, um nach knapp zwanzig Kilometern Margetshöchheim zu erreichen. Auf der anderen Seite des Mains falten sich die unterfränkischen Weinhänge in die hügelige Spessartlandschaft, während gegenüber sich die Mainebene ausbreitet und somit dem Landschaftsbild in der Gesamtbetrachtung eine gewisse Wohlgefälligkeit verleiht. Zahlreiche Einkehrmöglichkeiten entlang des Mainverlaufes könnten zudem, bei entsprechender Witterung, durchaus zu dem ein oder anderen zweckdienlichen Aufenthalt verleiten.
Was Köln und Düsseldorf, ist Margetshöchheim und Veitshöchheim. Streit, Rivalitäten und Neckereien prägten schon von je her das Zusammenleben der beiden Gemeinden dies- und jenseits des Mains. Kurios beispielsweise der Bau der ersten Gasleitung für die Straßenbeleuchtung vom Gaswerk Veitshöchheim nach Margetshöchheim im Jahr 1919. Ursprünglich sollte ein Gehsteig über den Main geschlagen und an diesem die Gasleitung befestigt werden. Da aber die Margetshöchheimer nicht zur Besprechung erschienen, wurden die Gasrohre über zwei Masten den Main querend gespannt, wo die eigenwillige Konstruktion bis zur Versorgung mit Ferngas 1966 hing. Sicherlich, das gegenüberliegende Veitshöchheim hat schon eine überregionale Strahlkraft. Hier befindet sich das Epizentrum der fränkischen Fastnacht, hier wurde der Grundstein für die Sommerresidenz der Fürstbischöfe von Würzburg gelegt, und hier kann man einen der bedeutensten Rokokogärten unseres Landes besichtigen. Allemal ist Veitshöchheim ein weiterer Meilenstein der Mainwegspassagen.
Wendepunkt Hofgarten Veitshöchheim. Dem Main, nun nordwärts folgend, geht es vorbei an der Bayrischen Landesanstalt für Wein- und Gartenbau, die hier unterhalb des Neuenbergs eine Außenstelle eingerichtet hat. Vorbei an Thüngersheim folgt Retzbach und der Gang hinauf zum Klößberg. Die leicht schneebedeckten Weinbergshänge zaubern ihre eigene landschaftsarchitektonischen Spuren in die Spessartlandschaft. Auf den Weinbergshöhen von Himmelstadt eröffnen sich neue weitreichende Blickachsen auf die weiterführende Mainbogenlandschaft um Lohr und Gemünden. Am Stettner Berg verschwenkt anschließend der Mainwanderweg in einen verschneiten Waldabschnitt, um über den Stationsweg hinab nach Karlstadt zu führen.
Karlsstadt, die Kreisstadt des Main-Spessartkreises, ein weiteres Schmuckkästchen. Das sehenswerte historische Zentrum ist ein wohltuender Kontrast zu den mächtigen Zementfabriksbauten, die das Stadtbild zumindest optisch nicht wirklich bereichern. So kann man es sich auch Ende Januar vorstellen, unter anderen Rahmenbedingungen nach 42 abwechslungsreichen Kilometern bei einem wohltuenden Wanderbier in eine der zahlreichen hier vertretenen Wirtshäusern diese Maintour zünftig abzuschließen.
50 Zentimeter und acht Stunden so die Vorgabe zum Startbeginn. Sieben Zentimeter Wasseranstieg, so nach amtlich gemeldeter Messung. Jedoch zwölf Stunden später wäre die Luft schon dünner geworden: So meldete das Wasseramt: Marktheidenfeld Parkplatz Mainkai überflutet, Osttangente in Lohr überflutet, Mühltorstraßem in Gemünden überflutet, Staatsstraße 2315 überflutet…und und und. Am langen Ende ist es alles eine Frage der Wanderplanung, der Fließgeschwindigkeit des Stroms, des eigenen Marschtempos und das Vertrauen in die Prognosequalität des Wasserstraßen- und Schiffahrtsamtes.
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