Main stromaufwärts -Obernburg-

Obernburg, der 7. Januar 2021 – Gelogen! Schlichtweg gelogen! Mit einer Lüge startet diese Tour. ” Churfranken, wo der Main am schönsten ist. Willkommen in Elsenfeld prangt an einem Schild des Bahnhofsparkplatzes von Obernburg/Elsenfeld. Willkommensgrüße werden grundsätzlich gerne entgegengenommen und wo der Main am schönsten ist, wird am Ende die Schlußabrechnung zeigen. Jedoch Churfranken? Churfranken eine historisch nicht belegte Territorialbezeichnung – jedoch dazu später mehr.

Churfranken – zweifelhaft bleibt die Namensherkunft

Über die Mainfußgängebrücke, die Elsenfeld mit Obernburg verbindet, geht es über Main. Nicht umsonst heißt die Haupstraße von Obernburg Römerstraße, denn, wenn man durch die Geschäftsstraße des 9.000 Seelen zählenden Ortes wandert, dann sollte man sich bewußt machen, daß man gerade einmal 60 Zentimeter über der “Via Principales” wandelt, der ehemaligen Hauptstraße des einst hier befindlichen Römerkastells. 1954 wurden zudem bei Bauarbeiten europaweit erstmalig eine gut erhaltene römische Polizeistation ausgegraben. Eine kurze Runde durch die Altstadt drehend geht es südwärts via a vis der gewaltigen Glanzstofffabrik zwischen B469 und Main zum sieben Kilometer entfernten Wörth am Main. Bereits vom Mainufer aus kann man die historische gewachsene Struktur dieser Mainstadt erkennen. Mächtige Sandsteinwälle, die einst mit sieben Türmen beplankt waren, belegen die historisch strategische Bedeutung von Wörth. Schon zu römischen Zeiten war auch hier ein Kastell errichtet, und die Kurmainzer bauten hier im 13. Jahrhundert ein Schloß, wovon heute allerdings nur noch ein Schloßturm übrig geblieben ist.

Durch die Römerstraße in Obernburg
Sechs Türme kann man heute noch in Obernburg besichtigen. Von der Mainseite aus ist insbesondere der Almosenturm stadtbildprägend
Blindflug ist angesagt. Entlang des Mainradweges beeinträchtigt der blendende Autoverkehr der hochfrequentierten Bundesstraße die Sicht
Blick auf den Tannenturm, Teil der Stadtbefestigung von Wörth am Main
Schon die Rückseite ist markant…..
..und die Vorderseite des historischen Rathauses ist das Schmuckstück von Wörth

Weiter geht es auf dem Mainradweg nach Klingenberg. Zahlreiche Campingplätze, sowohl für Dauer- als auch für Saisoncamper, sind hier am Mainufer vorzufinden. Zweifelsohne, die Region ist attraktiv und hat im Umfeld viel zu bieten. Bei Trennfurth geht es, den Main erneut querend, hinüber nach Klingenberg. Ein Blick hinüber auf die gegenüberliegenden Weinberge erinnert daran, dass ich 25 Kilometer später dort drüben herunterschauen kann. Nahtlos geht Klingenberg in das sich unmittelbar anschließende Röllfeld über. Der Main zieht seine Schleife um den Busigberg, an dessen Ausläufern die ersten Stöcke der Großheubacher Weinbergslage eingepflanzt sind. Nach 19 Kilometern Mainradweg entlaste ich die Füße vom Asphaltbelag um in die flußnahe Auelandschaft einzutauchen. Dies ist eben der Preis, wenn man unter Pandemiezeiten nachtsichttaugliche Rundstrecken wählt

Blick auf die gegenüberliegende Clingenburg, die 25 Kilometer später aufgesucht wird
Vier Meter Fallhöhe überbrückt die Staustufe Klingenberg
Ein letzter Weihnachtsgruß am Klingenberger Mainufer
Endlich mal ein kreativer Hinweis. Man kann sie nicht mehr sehen, die einschlägigen Schilder wie “Vorsicht reißende Bestie” o.ä…….
Camperparadies Mainfranken
Hinter Klingenberg liegt versteckt der ehemalige Friedhof Grubingen. Einst unterhielt man nebenan noch ein Beinhaus, da der Friedhof früher nicht ausreichte
Fast schon wie in Holland. Hier werden Erdbeeren im Tunnel angebaut, die bereits ab April pflückbar sind…
…und nebenan fast schon karibische Verhältnisse am natürlichen Mainstrand
Blick auf die Großheubacher Weinlage
Auch wenn man sich hier sichtbar im unterfränkischen Weinanbaugebiet befindet – ohne Biergarten geht hier gar nichts, auch in einem Weingut…..
Nach einem neunzehn Kilometer langen Radwegsmarsch wird endlich gewandert

Lediglich ein mächtiges Industriegebiet trennt die Städte Großheubach und Miltenberg, jedoch man merkt, wenn man hier auf die gegenüberliegende Seite der Spessartanhöhen einschwenken möchte, hat man als Wanderer/Fußgänger schlechte Karten. So geht es in einem weitläufigen Bogen in die Umlaufbahn des Rühlesberg, um über einen steil aufwärts führenden Kreuzweg zum berühmten Kloster Engelberg aufzusteigen. Bereits zu keltischen Zeiten befand sich auf dem Engelberg eine heidnische Kultstätte. Um 1300 wurde eine Kapelle eingeweiht und 1630 errichteten Kapuziner die ersten Klostergebäude. Für Gläubige ist Kloster Engelberg eine berühmte Wallfahrtsstätte und Biertrinker pilgern gerne zur Klosterschänke, um das schmackhafte dunkle Bier zu verköstigen, welches allerdings im Kloster Kreuzberg in der Rhön gebraut wird. Jedoch auch auf heiligem Boden gilt die weltliche Ordnung. So ist der klösterliche Zapfhahn seuchenbedingt seit Anfang November bis auf Weiteres trockengelegt.

Noch sechs Kilometer bis das gegenüberliegende Kloster Engelberg erreicht ist
Tante Google sei Dank: die MS Rückert mit sechs Knoten von Erlenbach am Main auf dem Weg nach Würzburg
Konsequent inkosequent: Entlang des Fränkischen Rotweinwanderweges zum Kloster Engelberg, dort wo feinstes Klosterbier ausgeschenkt wird
Entlang des Kreuzweges geht es aufwärts zum heiligen Berg
Der von Miltenberg aufwärts führende Kreuzweg ist moderater anzugehen als der von der Großheubacher Seite kommende
Der Engelberger Klostergarten, die kleinste bayrische Weinlage
.. auch Weintrinker sind hier willkommen
Humorvolles am Klosterparkplatz
Kloster Engelberg
Und stilgerecht gestaltet ist die Klosterterrasse
Bayerns längste steinerne Außentreppe: 612 Engelsstaffeln führen seit 1637 hinab nach Großheubach
Zwischen 65 und 5.000 Kilometer – hier ist für jeden Geschmack etwas dabei

Steil abwärts geht es auf den 612 Stufen hinab nach Großheubach. Die Väter des Mainwanderweges waren sich der Strapazen für das Knie sicherlich bewußt, denn der offizielle Mainwanderweg führt in Serpetinen unweit des Kreuzweges abwärts. Jedoch ist es nicht verboten, alternativ den Kreuzweg zu gehen. Großheubach nordöstlich querend geht es hinauf zur Großheubacher Weinlage Bischofsberg. Offiziell verläuft der Mainwanderweg zwei Etagen höher auf dem Lachenthalbweg. Empfehlenswerter und aussichtsreicher ist jedoch die Wanderung durch die Großheubacher Weinberge. So geht es stromabwärts zurück nach Röllfeld um am Ortsende vom folgenden Klingenberg zur Burgruine Clingenburg zu gelangen. Auch hier kann man unter Normalbedingungen auf der Burgterrasse einkehren um in einem aussichtsreichen Umfeld einen Frankenwein oder ein gepflegtes fränkisches Bier zu genießen.

Das historische Rathaus von Großheubach. 1611 errichtet und im Untergeschoß einst mit Gefängniszellen versehen
Auf exzellenten Wegen geht es aufwärts in die Großheubacher Weinlagen
…dort wo seit Jahrhunderten auf kultivierten Terrrassen Wein angebaut wird
Blick auf Großheubach und weiterführend Miltenberg. Linker Hand Kloster Engelberg auf dem gleichnamigen Berg und rechter Hand die ersten Ausläufer des Odenwaldes
Weinlage Bischofsberg
Blick auf Klingenberg
Die Burgruine Clingenburg
Die klassische Strecke des Rotweinwanderweges
Hier wird die Weinkultur aktiv gepflegt
terroir f: Dieser Name steht für Orte, an denen die ganze Magie des Frankenweins besonders deutlich zu spüren ist  Churfranken steht für die Magie von Marketingexperten, die 2007 diesen Begriff erfunden haben um 25 mainfränkische Kommunen wirkungsvoller zu vermarkten
Das Spiegelobjekt Sonnentraube als kreative Kunstinstallation
Zurück in Elsenfeld. Schön ist es hier allemal, ob es die schönste Mainecke ist – abgerechnet wird zum Schluß. Und wenn auch historisch nicht gesichert: “Churfranken” klingt durchaus charmant

Und wieder ein Stück Main. Reich beladen mit Geschichte und Geschichten und historischer Kultivierung. Einst zeichneten die Mainzer Kurfürsten für den Landstrich verantwortlich, nun regieren die Churfranken in diesem Landstrich. 44 flußnahe Kilometer mit Wendepunkt vor Miltenberg, dem nächsten Startpunkt der kommenden Mainetappe.

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