Steinheim, den 15. Dezember 2018 –
Der Rheingau hat den Rieslingspfad, in Bamberg setzt der 13-Brauereien-Weg ein, im Unterfränkischen lockt der Rotweinwanderweg, im Schwarzwald heißt es am Schnapsbrunnenweg “5% in den Beinen und 40% im Magen” und in Südhessen kann man auf den Spuren des Hessischen Nationalgetränks umgangssprachlich”Eppelwoi“, und “Apfelwein” im allgemein verständlichen Terminus, wandeln.
Seit 1972 gibt es eine Arbeitsgemeinschaft der Hessischen Apfelweinstraße, die es sich seinerseits zum Ziel gesetzt hat, das hessische Brauchtum und hier speziell alles was Leib und Seele gut tut, zu fördern. So nebulös der Streckenverlauf der Hessischen Apfelweinstraße, so unklar die Entstehungsgeschichte der Route, die offiziell von Steinheim bei Hanau bis nach Frankfurt führt. Einer Quelle zufolge wurde die Straße bereits 1958 angedacht , andere Quellen berufen sich auf 1982. Die Homepage der Arbeitsgemeinschaft: out of order. Fruchtlos die mehrfachen Anfragen an die Stadt Hanau. Peinlich nur. daß sich Hanau anschickt demnächst ein Apfelweinmuseum zu eröffnen. Rasch dagegen das Feedback der Tourismus GmbH Frankfurt, welche allerdings die Hessische Apfelweinstraße mit den Hessischen Apfelwein- und Obstwiesenrouten verwechselte. Einzig Peter Heckert, ein Heimat- und Familienforscher aus Maintal, der sich unter anderem auch intensiv mit dem Thema Apfelwein auseinandergesetzt hat, gab den entscheidenden Fingerzeig zum ursprünglichen Streckenverlauf. Hinweisschilder, die einst entlang der Strecke angebracht wurden gibt es nicht mehr – Orientierungstafeln mit denen die Ebbelwoischenken seinerseits gekennzeichnet wurden – Fehlanzeige. Umso spannender gestaltete sich diese Scouttour auf den Spuren des “Ebbelwois”.
Gestartet wird im Hanauer Stadtteil Steinheim, dort wo angabegemäß der Hessische Apfelweinstraße offiziell einsetzt. Eine entsprechende Kennzeichnung sucht man vergebens, jedoch empfiehlt es sich das Zentrum von Steinheim mit den zahlreichen historischen Bauten als Ausgangspunkt zu wählen. Die Verbindung zum „Ebbelwoi“ ist Steinheim in die Wiege gelegt. Zudem wird hier seit 1952 das Bundesäppelwoifest begangen, welches sinnigerweise in der Gaststätte „Hofbräuhaus“ aus der Taufe gehoben wurde und zudem jährlich von der örtlichen Karnevalsgesellschaft ausgerichtet wird. Entsprechend der hessischen Grundeinstellung: ein programmierter Apfelwein-Frohsinn. Zahlreich die Einkehrmöglichkeiten im adretten Hanauer Ortsteil, wobei sich Häuser wie der Wenckscher Hof, das Maa-Äppelsche oder das Treppchen im Huttenhof weit über die Grenzen des Stadtteils einen guten Ruf erarbeitet haben.
Entlang des Mains wandernd führt die Passage vorbei am Steinheimer Schloßgarten über die markante Stabbogenbrücke den Main querend. Immer den Main folgend geht es durch den Hanauer Stadtteil Kesselstadt der Philippsruher Allee folgend zum gleichnamigen Schloß. Zweifelsohne gehört dieses Areal mit den umliegenden historischen Bauten zu der Vorzeigeecke der Industriestadt Hanau. Die spärlich vorhandenen Quellen im Hinterkopf habend folge ich der “offiziellen” Apfelweinwegpassage durch die Kastanienallee über den Beethovenplatz zum Staatspark Hanau Wilhelmsbad.
Mangels Wegekennzeichung empfiehlt es sich aus pragmatischen Gründen die vorhandene Wanderwegsinfrastruktur nach Wachenbuchen, einer offiziellen Wegestation des Apfelweinweges, zu wählen. Die Verbindung Wachenbuchens zum Apfelwein erschließt sich für Apfelweinunkundige nicht zwingend und schon gar nicht auf den ersten Blick. Strukturell läge es näher das benachbarte Mittelbuchen im Wegeverlauf integriert zu wissen, dort wo ganze Apfelweinplantagen angesiedelt sind. Jedoch ist anzunehmen, dass ein zielorienter Streckenverlauf zu den nachfolgenden Apfelwein-Epizentren wie Hochstadt und Bischofsheim für die Streckenlegung durch Wachenbuchen verantwortlich zeigte.
Hochstadt das nächste Ziel der Passage. Weit über den Einzugsbereich der Kommune hinaus ist der „Alte Hochstädter“ ein Begriff in der Ebbelwoiszene. Bereits seit 1779 wird hier der Apfel gekeltert. Heutzutage firmiert Deutschlands älteste Kelterei unter dem Namen Höhl und ist neben dem Frankfurter Apfelweinproduzent Possmann unter den ganz Großen der Branche. Kein Wunder, denn im Hochstädter Areal ist das größte zusammenhängende Streuobstwiesenareal von Hessen vorzufinden. Wenn man das Obertor passiert, kann man entlang der Hauptstraße die teilweise mehr als 500 Jahre alten Bauten bewundern. Im Zentrum des alten Ortskerns dominiert das historische Rathaus das städtebauliche Bild dieser Ebbelwoikommune. Dort wo einst Ratsherren tagten kann man heutzutage im stilvoll historischen Ambiente Apfelwein und die dazugehörigen hessischen Speisen genießen. Einzig die Öffnungszeiten der traditionellen Apfelweinwirtschaften sind zu bemängeln. Üblicherweise öffnen die Schänken ab 17.00 Uhr. Reflektierend auf die verdauungsfördernde Komponente des Apfelgetränks unterzieht sich scheinbar der heimische Apfelweinkonsument tagsüber einer Darmreinigung, bevor er abends wieder an der Tränke durchstartet – was die späten Öffnungszeiten begründen könnte.
Nach zwei Kilometern ist die Nachbarkommune Bischofsheim erreicht, ein weiterer Hotspot in der hessischen Ebbelwoiszene. Bischofsheim,seit der Gebietsreform 1974 Bestandteil der Kunststadt Maintal, ist Sitz des hessischen Apfelweinpabstes Stier – der sehr erfolgreich als innovativer Kelterer und Wanderprediger in Sachen Apfelweinkultur unterwegs ist. Allemal lohnt ein Besuch des Verkaufsladens Am Kreuzstein 25. Angeboten wird hier ein breites Spektrum an trink- und essbaren Spezereien rund um den Apfelwein.
Von Bischofsheim aus geht es weiter durch das weitläufige Streuobstwiesenareal hinauf zum Berger Hang mit weitreichenden Blicken, die sich von den Anhöhen des Spessarts über den Odenwald bis zur um die Ecke liegende Frankfurter Skyline erstrecken.
Einmal Enkheim querend ist rasch der höchste Punkt der Wanderung, der Lohrberg, erreicht. Auch wenn es nicht gesichert ist daß der Lohrberg Bestandteil der Hessischen Apfelweinstraße ist oder war, es gebietet es der Anstand und die Ratio diese bedeutende Stätte in diese Passsage aufzunehmen. Der Lohrberg – Hausberg der Frankfurter, Teiletappe des Grüngürtelweges, begehrter Hotspot von Grillfreunden im Sommer, beliebt bei Tagesgästen die gerne einen Äppler ziehen möchten, und markant aussichtsreicher Treffpunkt an Silvester für all diejenigen, die einen etwas anderen Blick auf die Frankfurter Skyline werfen möchten. Die Lohrbergschänke einerseits und das Äppel-Bistro des 200 Meter entfernten MainÄppelhauses andererseits sind vortreffliche Stätten, um sich intensiver mit der Apfelweinmaterie auseinanderzusetzen. Und wer sich konzentriert mit dem Thema Streuobst im Generellen und Apfelkunde im Speziellen beschäftigen möchte, kann sich im umweltpädagogisch konzipierten MainÄppelHaus kundig machen. Ergänzend bleibt noch zu erwähnen, dass auf dem Lohrberg schon seit dem 9. Jahrhundert Frankfurter Wein angebaut wird, der lagetechnisch zum östlichsten Zipfel des Rheingaus zählt.
Nach einer zünftigen Ebbelwoirast in der Lohrbergschänke geht es perspektivisch Richtung Downtown Frankfurt. Vom Lohrberg führt der Trail bergab nach Seckbach, dort wo die ersten alteingessenen Apfelweinschänken angesiedelt sind. Die A661 überquerend empfiehlt es sich der Frankfurter Kultstraße, der Berger Straße, zu folgen. Fernab der hochfrequentierten Konsumstraße, der Frankfurter Zeil, atmet man hier den wahren Geist der Frankfurter Boheme ein. Das Ganze angereichert mit altehrwürdigen Apfelweinlokalen – hier kann man Frankfurt Lokalkolorit erleben.
Knapp drei Kilometer schlängelt sich die Berger Straße südwestwärts. Via Friedberger Anlage geht es Richtung Altstadt zum altehrwürdigen Römer und der wieder aufgebauten Altstadt am Hühnermarkt. Jahreszeitbedingt ist das Altstadtareal überfüllt – der Publikumsmagnet Weihnachtsmarkt lockt Gäste aus nah und fern, so dass eine Inspektion der hier ansässigen Apfelweinlokale nicht zielführend ist.
So geht es über den Eisernen Steg von Hippdebach nach Dribbdebach. Diesseits und jenseits des Flusses würde man andernorts sagen. Jenseits liegt Sachsenhausen – das weltbekannte Epizentrum der hessischen Apfelweinkultur. Hier sind zahlreiche traditionelle Apfelweinlokale angesiedelt. Mit einem kurzen Rundgang durch Alt-Sachsenhausen und dem Areal am Schweizer Platz ist eine 41 Kilometer lange Entdeckertour zu Ende gegangen.
Die von Adolf Amberger besungene Streckenführung: “„Die Ebbelweistraß’, wie jedem klar, die schlängelt sich grad wie de Maa. In Staanem die ihrn Aafang hat,mecht iwwer die Brück nach Kesselstadt, von Wilhelmsbad raer sehe kann, kimmt die in Wachebuche an. Da werd se dann total geknickt nach Hochstadt dosch es Dor geschickt. Da tankt se Wei un mecht o Wunner direkt nach Bischem da enunner, da hört se mit ihrm Schwung net uff un mecht nach Berje‑Enkem nuff.“ mag zwar eine erste Orientierungshilfe sein – für eine dezidierte Streckenführung ist dies jedoch nicht ausreichend.
Es bleibt zu wünschen, dass die Träger der Arbeitsgemeinschaft Hessische Apfelweinstraße sich auf ihren eigentlichen Auftrag besinnen und die “Hessische Apfelweinstraße” wieder zu dem machen, was einst ursprünglich angedacht war. Eine wander- und radfahrbare Route durch die Apfelweinregion, gut ausgeschildert und dokumentiert und sinnvollerweise ergänzt um einen profunden Führer mit den auf der Strecke befindlichen Apfelweindestinationen. Stoff gibt es zur Genüge um das “Stöffche”, wie der Apfeltrunk im heimischen Umfeld liebevoll genannt wird, in das rechte Licht zu rücken. Ein Grundstein sollte mit diesem Beitrag gelegt sein. Und daß man Wandern mit dem Thema Apfel herrlich verbinden kann beweist der Umstand, dass der Podologe Wanderfüße saniert, während der Pomologe sich auf das grundsätzliche Wohlbefinden des Wanderkörpers konzentriert. Wohl bekomms!
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