Lohr, den 24. Februar 2019 –
Bayrisch Schanz. Für einen Oberpfälzer oder Niederbayern sicherlich nicht einzuordnen, ist die Bayrisch Schanz, im nördlichen Zipfel des Freistaates, in Unterfranken gelegen, durchaus ein Begriff. Bayrisch Schanz – als ehemalige historische Zollstation an der hessisch-bayrischen Grenze errichtet, heute das höchstgelegene Wirtshaus im Spessart, nach eigenem Bekunden Wirtshauskulturstätte mit urgemütlicher Atmosphäre.
Gestartet wird in Lohr am Main, welches auf halber Strecke zwischen Aschaffenburg und Würzburg gelegen ist. Lohr selbst bleibt bei dieser Tour außen vor, denn es wird am Bahnhof gestartet der im nördlichen Bereich der Kommune liegt, dort wo das Industriegebiet angesiedelt ist. Obschon man sich auf bayrischem Territorium befindet, folgt man zunächst der Wegwesiung „Hessenweg 9“, der von Lohr am Main bis nach Limburg an die Lahn führt. Stetig aufwärts steigend ist rasch der berühmt-berüchtigte Spessartwald erreicht. Vorbei am Beilstein und am Mittelberg folgt man den ausgewiesenen Wanderwegen. Geologisch befinden wir uns hier Sandsteinspessart, eingekesselt zwischen Fränkischer Platte und Odenwald.
Bewegt man sich im Spessart, so kann man sich auf stundenlange Waldwanderungen ohne nennenswerte Aussichtsmöglichkeiten einstellen. Selbst in der blätterkargen Zeit, dann wenn sich die Baumskelette konturenreich in den weißblauen Himmel strecken, sind die Weitsichten sehr begrenzt. Dicht bis sehr dicht der Baumbewuchs, hoch der Bestand an Schwarzwild, wie die Spuren am Wegesrand verdeutlichten. Ideal eben die Waldstruktur für die Schwarzkittel, die sich hier im wahrsten Sinne des Wortes sauwohl fühlen. Man merkt zudem dass man hier in einer überwiegend katholischen Region unterwegs ist. Wegekreuze und Sühnekreuze flankieren die zahlreichen Waldschneisen.
Am Wegekreuz Katharinenbild hat man eine der seltenen Gelegenheiten im Spessart einen Weitblick zu erhaschen. Oberhalb des Obersees kann man die Blicke bis in die Rhön schweifen lassen. In den Spessartdörfern rund um Lohr wurd übrigens die heilige Katharina als eine besondere Fürsprecherin beim lieben Gott angesehen und dementsprechend mit hohen Ehren bedacht. So fanden sich in früheren Zeiten viele Frauen, die auf den Namen Katharina getauft wurden.
Weiter geht es, mehr oder minder auf einem Höhenniveau bleibend durch den Ruppertshüttener Forst.Das 18 Hektar große Gebiet ist siedlungsbefreites Gebiet und komplett bewaldet. Den kleinen Weiler Ruppertshütten passierend sind nach Waldquerung nochmals 150 Höhenmeter zu absolvieren, bis das eigentliche Hauptziel der Wanderung , die Bayrisch Schanz, erreicht ist.
Circa 600 Meter vor der Bayrisch Schanz flaniert man durch einen regelrechten Kunstraum. Forstleute, Künstler, Schüler und Kindergartenkinder gestalten hier regelmäßig ansehnliche Objekte und bereichern mit ihren Kunstwerken diesen Abschnitt – eine willkommene Abwechslung für die Besucher, die per Moped, Rad, Auto oder zu Fuß dieses Areal aufsuchen.
Die Bayrische Schanz selbst liegt im im Naturpark Spessart unmittelbar an der Grenze zu Hessen. 1777 wurde die Schänke erstmals auf einer Karte als „Geis-Wirtshaus“ erwähnt. Frühere, bis ins Mittelalter reichende Überlieferungen gehen auf die unmittelbare Lage an der Birkenhainer Strasse, einer wichtigen Ost-West-Verbindung zwischen Hanau und Gemünden, zurück. 1854 ging die Gastwirtschaft wegen zu geringer Rentabilität in den staatlichen Forstbesitz über. Mit dem Verkauf an die heutigen Besitzern, erhielt das Gasthaus wieder neuen Glanz. Durch den Ausbau der Räumlichkeiten bietet die Bayrische Schanz nun für Feierlichkeiten in den Gasträumen Platz für 90 Personen und für bis zu 200 Personen in der Remise.
Ideal für Frühstarter die Öffnungszeiten der Schanz. Bereits um 10.00 Uhr wird die Wirtstüre aufgesperrt. Der sehr zuvorkommende Gastwirt war jedoch regelrecht überrascht, dass sich hier zu früher Stunde ein Wanderer in dieser Jahreszeit verirrt. Obschon die Küche erst um 11.30 Uhr in Produktion geht war flugs ein wandertypisches Gedeck (Kaffee, Weißbier und Brotzeitteller) zubereitet. Nach und nach trudelten die ersten Gäste, vornehmlich aus der Region stammend, ein. Die herzliche Begrüßung der Ankommenden verdeutlicht das familiäre Umfeld was hier gepflegt wird und die Gaststätte weit über ihre Grenzen hinaus auszeichnet.
Wohlweislich gestärkt geht es zurück über die Birkenhainer Straße tendenziell abwärts Richtung Gemünden am Main. Die Birkenhainer Straße war eine mittelalterliche Heeres- und Handelsstraße, die auf 71 Kilometer Länge Hanau mit Gemünden verband und als Teilstück der mittelalterlichen Verbindung Amsterdam-Wien fungierte. Übele Gestalten, Lumpen und Wegelagerer, die heute als Spessarträuber glorifiziert werden, lauerten damals in den dunklen Spessartwäldern. Per Geleitschutz wurden die Reisenden durch das unsichere Gebiet geführt. Mit Verlagerung der Handelswege entlang des Mains verlor jedoch die Birkenhainer Straße zunehmend an Bedeutung.
Heuzutage ist die Birkenhainer Straße ein beliebter Trail für Radler und Wanderer und wird vom Spessartbund gehegt und gepflegt. Bewundern kann man noch heute die zahlreichen Grenzsteine die den Wegesrand flankieren. Teilweise sind diese gedoppelt, was durchaus ungewöhnlich ist. Üblicherweise wurde früher ein Grenzstein gesetzt mit den unterschiedlichen Gebietswappen auf Vor- und Rückseite. In dem unterfränkischen Hoheitsgebiet musste scheinbar jeder Regionalfürst seinen eigen Duftstein hinterlassen. So wurde beispielsweise neben dem Mainzer Rad der Hanauer Sparren gesetzt.
Wer auf der Suche nach Entschleunigung ist, dem sei hochgradig eine Tour entlang der Birkenhainer Straße zu empfehlen. Was die Japaner als Waldbaden hochgehypt haben, kann man hier mit einfachen Mitteln praktizieren. Umzingelnd von Bäumen, fernab der Zivilisation läßt es sich hier einfach wegtauchen – und das stundenlang.
Nach einigen Kilometern ist das ehemalige Areal des Klosters Einsiedels erreicht, welches im 11. Jahrhundert mitten im Wald an der Birkenhainer Straße zwischen Rieneck und Ruppertshütten errichtet wurde. 2012 begannen umfangreiche Ausgrabungsarbeiten. Nach insgesamt fünf Grabungskampagnen konnten bis 2016 beeindruckende Reste des als Straßenstation fungierenden Klosters freigelegt und dokumentiert werden. Heute informieren zahlreiche Informationstafeln über die historische klösterliche Zeit. Hier könnte man locker mehr als eine Stunde verbringen um die gesamten Informationen im Detail aufzunehmen.
Weiter geht es, peu a peu bergab, immer der historischen Birkenhainer Straße entlang, bis nach insgesamt zwölf Kilometern entlang der historischen Straße der Zollberg bei Langenprozelten erreicht ist. Man könnte, wenn man wollte, von Langenprozelten im Stundentakt mit der Regionalbahn in zehn Minuten zurück nach Lohr fahren. Alternativ bietet sich jedoch eine Wanderung entlang des Mainufers an. Einziges Manko: der Weg ist durchgängig als Radweg asphaltiert. Jedoch geniesst man bei frühlingshaften Temperaturen Mitte Februar die ersten wärmenden Sonnenstrahlen des Jahres und erreicht mit einem geruhsamen Auslauf nach insgesamt 41 Kilometern und 745 Höhenmetern wiederum Lohr am Main.
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