Mannheim, den 16. Februar 2019 –
Mann oh Mann Mannheim – was eine Stadt! Die drittgrößte Stadt des „Ländles“, als Stadt mit etwas mehr als 400 Jahren noch sehr jung, gemeinsam mit der pfälzischen Schwesterstadt Ludwigshafen den Nukleus der Rhein-Neckar-Region bildend, touristisch nicht zwingend in der ersten Reihe stehend, bodenständig einerseits, kosmopolitisch andererseits und in vielschichtiger Weise prägend, sowohl national als auch international.
„Das Hereinragen einer glänzenden künstlerischen Vergangenheit in den staunenswerten wirtschaftlichen Aufschwung der modernen Großstadt verleiht Mannheim einen eigenartigen Reiz, der sich freilich erst bei engerer Fühlungsnahme mit der Stadt erschließt“, so niedergelegt von Dr. S.Schott im 1907 veröffentlichten „Führer durch Mannheim“. Auch 112 Jahre nach Veröffentlichung hat diese Erkenntnis noch Gültigkeit. Mannem, oder Monnem wie man hier die Stadt im Dialekt bezeichnet offenbart sich nicht auf dem ersten Blick. Die Stadt will und muß entdeckt werden.
Spannend schon die Vorbereitung dieser Entdeckertour. Geeigneter Weise nähert man sich solch einer Stadtexkursion durch das Studium historischen Kartenmaterials. Wo lag der einstige Stadtkern? Wie hat sich die Stadt entwickelt? Welche Kulturräume wurden erschlossen, welche Naturräume wurden geschaffen oder vernichtet? Das Ganze einhergehend mit einer gesunden Mischung aus naturnahen Räumen, markanten Hotspots aber auch kommunaler Problemzonen – fertig ist eine abwechslungsreiche Tour durch die vielschichtigen Korridore einer Großstadt.
Gestartet wird am Luisenpark, eine der schönsten Parkanlagen Europas, 1892 aus der Taufe gehoben und 1975 mit der Durchführung einer Bundesgartenschau in besonderer Art und Weise geadelt. Am Friedensplatz, vis a vis des Haupteingangs kann man kostenfrei parken. Vorbei am sehr zu empfehlenden Technoseum, dort wo auch der SWR untergebracht ist, quert man die vierspurige aus dem Osten kommende Einflugsschneise, um am Europaplatz das Planetarium zu erreichen.
Am Neckarauerübergang, dort wo rechter Hand die Südtangente zur Konrad-Adenauer-Brücke, dem Gateway nach Ludwigshafen, führt und linker Hand im Stadtteil Lindenhof das Lanz-Folgeunternehmen John Deere vorzufinden ist, geht es zunächst südlich Richtung Stollenwörtweiher, dort wo der Stadtteil Almenhof, die letzten besiedelte Bastion vor dem Naherholungsgebiet Waldpark, vorzufinden ist. Man folgt dem Franzosenweg, der seinen Namen der Tatsache verdankt, dass auf dieser Höhe 1734 die Franzosen den Rhein überschritten. Bald ist das Areal des Mannheimer Strandbades erreicht.
Man schrieb das Jahr 1925. Um der wilden Baderei im Rhein und im Neckar Einhalt zu gebieten, legte man ein Strandbad an, inklusive zweier Restaurants und Bootsanlegestege. Rasch entwickelte sich das Gebiet zu einem sehr beliebten Freizeitareal. In den siebziger Jahren wurde jedoch das Badevergnügen beendet. Die Flüsse waren mittlerweile so verschmutzt, dass man sich statt einer Abkühlung eher die Krätze holte.
Vom Strandbad geht es hinüber zur Reißinsel, als Naturschutzgebiet ein Juwel im direkten Umfeld der Großstadt. Vererbt von einem gewissen Konsul Reiß an die Stadt Mannheim, mit der Auflage die Insel den Bürgern als Naherholungsgebiet zur Verfügung zu stellen, entwickelte sich hier eines der größten Vogelruheplätze in der Rheinebene. Ein viereinhalb Kilometer langer Rundweg führt durch das Bannwaldareal. Zudem wurde hier im 20. Jahrhundert ein weitreichendes Streuobstwiesenareal, hauptsächlich mit alten hochwasserresistenten Apfelbäumen angelegt. Einzig zu beachten ist, dass während der Brutzeit vom 1. März bis Ende Juni der Zutritt auf die Insel nicht gestattet ist.
Zurück geht es via Stephanienufer benamst nach der beliebten Großherzogin, die des städtebauliche Bild Mannheims deutlich prägte. Durch den Hauptbahnhof geht es weiter zum Barockschloß der Stadt, nach Versailles das größte seiner Art in Europa. Beeindruckend der große Ehrenhof und überwältigend das Interieur des Schlosses mit der Vorzeigestube, dem großen Rittersaal.
Bereits vom Ehrenhof erblickt man schräg gegenüber die imposante Jesuitenkirche, die im 18. Jahrhundert zur selben Zeit wie das Schloss errichtet wurde. Noch heute prägen die mächtigen Kuppeln das städtebauliche Erscheinungsbild der Stadt Mannheim. Reich die Verzierungen des im späten Barockstils gestalteten Innenraums.
Über einen kleinen Schlenker erreicht man die historische Sternwarte. Bereits 1727 errichtet, wurden hier astronomische Forschungen von Weltruf betrieben. Vorbei an der innerstädtischen Museumsmeile geht es durch das Quadrantenviertel der Stadt. „Leben im Quadrat“ so der ausgerufene Slogan der Stadt. Die quadratische Struktur geht auf den Festungs- und Stadtbau von Kurfürst Friedrich IV. im Jahr 1606 zurück. Entworfen wurde ein gitterförmiges Straßennetz, das durch große Baublöcke – die Quadrate – gebildet wurde. Die Straßen hatten keine eigenen Namen sondern wurden schachbrettartig mit Koordinaten aus Buchstaben und Ziffern benamt, was für Ortsunkundige nicht immer einfach zu verstehen ist.
In nordwestlicher Richtung geht es den Luisenring querend zum „kirchlichen Viertel“ von Mannheim. Rechter Hand die katholische Liebfrauenkirche und linker Hand streckt sich das 35 Meter große Minarett der Yavuz-Sultan-Selim-Moschee empor, die zur Errichtungszeit im Jahre 1995 Deutschlands größte Moschee war. Platz für insgesamt 2.500 Personen bietet der hier eingerichtete Gebetssaal.
Die weitere Passage führt hinein in das Jungbuschviertel, einst als Problemviertel verschrieen, mittlerweile als Szeneviertel Mannheims etabliert. Sicherlich gibt es noch Entwicklungspotential im Viertel, jedoch der Trend ist unverkennbar. Hier hat sich unter anderem auch eine starke Musikszene etabliert. Mannheim seit 2014 als UNESCO City of Music geadelt, beherbergt unter anderem eine Popakademie die aaußergewöhnliche Studiengänge wie Popmusikdesign und Weltmusik anbietet.
Entlang des Neckars geht es vorbei am Mannheimer Museumsschiff und am Alten Neckerkran Richtung Collini-Center, ein mittlerweile umstrittenes Areal, Auf der gegenüberliegenden Seite strecken sich drei jeweils 100 Meter hohe Wohnanlagen der Neckeruferbebauung Nord empor. Von hier aus führt die Passage zum Alten Meßplatz, dort wo im Schatten der NUB-Silos die Alte Feuerwache tront. 1912 im neobarocken Stil entwickelt, 1972 beinahe abgerissen und mittlerweile als Kulturzentrum etabliert bereichert heute die alte Feuerwehrstation das kulturelle Leben der Stadt. Schräg gegenüber des Platzes kann man eine weitere Kulturbastion der Stadt, das Capitol besichtigen, bevor es weiter geht Richtung Herzogenriedpark inmitten des Stadtteils Neckarstadt gelegen.
Der Herzogenriedpark, 1975 ein Bestandteil der damaligen Bundesgartenschau und seinerseits per Schwebebahn mit dem Luisenpark verbunden. Damals wurde auch die Multihalle mit der größten freitragenden Holzgitterschalenkonstruktion der Welt errichtet. 3,50 Euro kostet der Eintritt zur Nutzung der lohnenden Infrastruktur des Parks. Gepflegte Gartenlagen, Ruhezonen mit Liegen, ein kleiner Streichelzoo und diverse Möglichkeiten für Spiel und Sport bereichern das Naherholungsgebiet.
Nach dem Parkbesuch steht eine erweitere Runde an. Vom Stadtteil Neckarstadt geht es durch den Stadtteil Käfertal, dessen Namensherkunft nichts mit Käfer sondern mit hier einst vorzufindenden Kiefern zu tun hat, zum Ortsteil Vogelstang in die Brandenburger Straße 44. Seit 2013 lädt das Stadt.Wand.Kunst-Projekt jeden Sommer rennomierte Street-Art-Künstler nach Mannheim ein, um sogenannte „Murals“ – großformatige Wandgemälde – an Hausfassaden anzufertigen. Die Umkehrung von Eintönigkeit und Tristesse im öffentlichen Raum zu Vielfalt und Kunst bewirkt eine enorme Aufwertung des Stadtbildes. Bislang existieren 18 Murals in Mannheim, darunter Vera, das Porträt einer Frau aus Sibirien. 44 Meter hoch und 37 Meter breit und damit das größte an einem Hochhaus angebrachte Wandbild in Deutschland.
Zurück geht es durch das weitläufige Areal des künftigen Bundesgartenschaugeländes 2023 im Einzugsbereich der mittlerweile aufgebenen Spinelli-Kaserne. Geplant ist dabei das alte Bundesgartenschaugelände von 1975 mit dem neuen Areal zu verknüpfen. Vorbei am Hauptfriedhof, der -nomen est omen- im Stadtteil Wohlgelegen vorzufinden ist, wird nach 40 Kilometern die erste Raststation des Tages, das am Neckarufer gelege Gasthaus Maruba vis a vis des Mannheimer Fernmeldeturm erreicht.
Nach einer erneuten Neckarquerung geht es zurück in das Mannheimer Zentrum. Am späten Samstagnachmittag herrscht noch buntes Treiben. Temperaturbedingt sind alle Plätze der Außengastronomie belegt. Geschäftig geht es insbesondere in Little-Istanbul, wie im Volksmund das Viertel hinter dem Marktplatz genannt wird, zu. Türkische Teeläden, hervorragende türkische Lokale, opulente Brautmodengeschäfte, Schmuckläden und Baklavacis bereichern das Viertel. Türkische Ärzte, Barbiere, Reisebüros und Einzelhandelsgeschäfte bieten den 19.000 hier lebenden Türken ein stilgerechtes Umfeld. Für alle Anderen – ein Kurzurlaub für die Sinne.
Zurück zum Marktplatz, dort wo das Alte Rathaus die Kulisse dominiert. Außergewöhnlich dieser Bau. Linker Hand wurde ein Rathausgebäude errichtet, rechter Hand eine Kirche, dazwischen der Glockenturm als Prototyp einer säkularen Stadtgesellschaft. Just wenige hundert Meter weiter stößt man auf das Mannheimer Stadthaus im Quadrat N1, scheinbar ein postmodernes Replikat des Alten Rathauses, was der ausgebildeten Mittelturmfassade geschuldet ist.
Hier am Paradeplatz schwenkt man ein in die Planken, die Mannheimer Einkaufsstraße. Früher, so sagt man, wurden bei widrigen Wetterverhältnissen die Straße mit Planken ausgelegt, damit die Damen der feinen Gesellschaft bequem über die verdreckten Wege flanieren konnten. Unweit des ersten Kaufhauses am Platze lohnt sich eine Stippvisite im Eiscafe Fontanella. 1969 erlag Dario, der Sohnemann des Eiscafebesitzers beim Verzehr von pürierten Maroni der plötzlichen Versuchung, das gleiche mit Vanilleeis zu versuchen. Um die Erfahrung unzähliger Spätzlemaschinentestreihen reicher, kam er schließlich hinter das Geheimnis eines tadellosen Spaghettieises: Um die echte Pastaoptik zu erzielen, bedarf es eines sahnigen Vanilleeises, das durch eine gut gekühlte Spätzlepresse gedrückt wird. Die passende Tomatensauce zu finden, war simpel: eine Sauce aus pürierten Erdbeeren und geraspelte weiße Schokolade als Permesansurrogat. So war das Spaghettieis in Mannheim erfunden. Leider konnte er seinen Vater damals nicht überzeugen 900 Mark zu investieren, um das Spaghettieis patentrechtlich schützen zu lassen. Bedauerlich, angesichts der geschätzten 25 Millionen verkauften Spaghettieisbomben, die jährlich über die Tresen in diesen Landen geschoben werden.
Weiter geht es durch die Planken zum Wahrzeichen der Stadt Mannheim, dem Wasserturm. 1889 errichtet, 60 Meter hoch, 19 Meter der Durchmesser, so die Koordinaten des Turms, der bis zum Jahre 2000 als Reservehochbehälter verwendet wurde. Der Grund der Errichtung war einfach. Das Mannheimer war war seinerseits ungenießbar. Der kurfürstliche Hof lies Wasser aus Heidelberg herbeischaffen, da das heimische Brunnenwasser eine überriechende Brühe war. Ansehlich gestaltet wurde der Platz rund um den Wasserturm. Erklimmt man das Podest des Turms, kann man auf der linken Seite einen markanten Renaissancebau entdecken, welcher 1901 als Parkhotel errichtet wurde. Schräg gegenüber kann man die Originalfassade des Mannheimer Rosengartens bewundern. 1903 errichtet und mit 6.000 Sitzplätzen zu seiner Zeit eine der größten Festhallen Deutschlands. Der prächtige Nibelungensaal, der im Krieg zerstört wurde war nach einhelliger Meinung Deutschlands schönster Saal.
Es folgt ein kurzen Abstecher zur Villa Lanz, zu seiner Zeit Deutschlands größtes Privathaus, errichtet auftrags eines gewissen Karl Lanz, der den legendären Lanz-Bulldog erfand. Noch heute zählt das Objekt zu den wichtigsten erhaltenen Baudenkmäler französischer Belle-Époque-Architektur in Deutschland.
Über die mit Kunstobjekten angereicherte Augustaanlage geht es zurück zum stattlichen Luisenpark. Alleine im Luisenpark könnnte man Stunden vebringen. Legendär das hier im Park vorzufindende größte chinesische Teehaus Europas. Mangels Besichtigungsmöglichkeit am frühen Morgen wird eine partielle Besichtigungstour in die Nachtstunden verlegt, just zur aktuellen Veranstaltung “Walk the Light” In den ersten Wochen des Jahres können fantastische Lichtkreationen in den Abendstunden besichtigt werden, darunter beleuchtete Baumkronen und Stauden, kunstvolle Statuen die in mystisches Licht getaucht werden, illuminierte Objekte sowie animierte Licht- und Tonsequenzen. Ein großartiger Abschluß eines sehr beeindruckenden Stadttrails.
Nach insgesamt 52 hochspannenden und erlebnisreichen Kilometern bleibt die Erkenntnis, dass allemal lohnt Mannheim zu entdecken. Eine Stadt, wie auch das benachbarte Ludwigshafen schillernd und facettenreich, nicht einzuordnen in traditionelle Schubladen. Unterlegt mit dem bodenständigen Naturell der hier lebenden Bevölkerung bietet sich hier ein lebenswertes Umfeld. Bleibt als Schlußwort die alte mannnheimer Erkenntnis: “Alla gut!”
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