Bamberg, den 26. August 2016
Es wird gedarrt, geschrotet, gemaischt, geläutert, gekocht, ausgefiltert, gekühlt, vergoren, umgefüllt, endfiltriert und abgefüllt – und dass in einer Dichte, die weltweit einmalig ist. Die Rede ist von der fränkischen Braukunst und hier speziell von mehr als 200 regionalen Brauereien, die teilweise schon seit Jahrhunderten ein kreuzehrliches Bier brauen. Demnach war diese Region mehr als prädestiniert, hier in 2016 anlässlich des 500jährigen Jubiläums des Reinheitsgebotes eine themenorientierte Wanderung unter Einbeziehung der fränkischen Bierkultur durchzuführen.
Im Nuklus stand dabei die Großregion Bamberg mit ihrem einzigartigen Bierkulturerbe. Bereits 1039 verfügte der Bamberger Domherr Ouldariccus, dass es an seinem Todestag Freibier in Bamberg geben sollte, und sicherte damit den ersten urkundlichen Nachweis der amtlichen Biererwähnung. Ein guter Mann der Hopfenszene, dessen Wirken noch nach 1.000 Jahren nachhallt.
20 Brauereien auf insgesamt 57 Kilometern, in zweieinhalb Wandertagen, so die spannende Herausforderung, bei nicht minder anspruchsvollen Temperaturen jenseits der 30 Grad. Jedoch ein klares Wort vorneweg. Zielsetzung war es nicht im Rahmen einer Druckbetankung so viele Bierstationen wie möglich abzuarbeiten. Dies entspricht nicht den Konventionen eines verantwortungsvollen Umganges mit Alkohol. Der Anspruch bestand, einzutauchen in die facettenreiche fränkische Brauereikultur, Brauchtumsstudium und -pflege zu betreiben, das Ambiente von Gaststuben, Bierkellern und Biergärten zu erleben, die schmackhafte fränkische Brotzeit zu genießen mit Franken am Tische zu sitzen, über Land und Leute zu reden und in die sanfthügelige Landschaft, der sogenannten bayrischen Toskana einzutauchen. Ob man sich am langen Ende für ein schmackhaftes Regionalbier, ein alkoholfreies Hopfengetränk oder ein Softgetränk entscheidet, bleibt letztendlich jedem selbst überlassen.
Nach einer zweckmäßigen Anreise via Bahn (Bayern-Ticket lässt grüßen), starteten wir am frühen Freitagabend zu einer ausgedehnten Bamberger Bierrunde. Neun Braustätten sind im Stadtgebiet vertreten, sieben sollten es am langen Ende besucht sein. Just an diesem Wochenende fand zudem die größte Kirchweihveranstaltung Frankens, die Bamberger „Sandkerwa“ statt. Presseveröffentlichungen zufolge werden an den Kerbtagen über 300.000 Besucher erwartet. Hierzu später mehr.
Eingeplant war zunächst dem in Hotelnähe gelegenen Brauhaus Greifenklau einen Besuch abzustatten, angeblich der Geheimtipp unter Bamberger. Bei dem Geheimtipp sollte es bleiben, denn just zur Kirchweih hatte das Brauhaus Betriebsferien. So ging es unverrichteter Dinge weiter zur Sternwarte, dort wo der älteste Bierkeller Bambergs, der Spezialkeller gelegen ist. Bereits hier die erste Erkenntnis. In dieser Region geht man nicht in den Keller, sondern auf den Keller. Hier am Stephansberg wurde in 23 Meter Tiefe das Bier bei gleichbleibenden Temperaturen eingelagert. Mehr als nachvollziehbar, dass man auf dem Keller entsprechende Schänken einrichtete um vor Ort das Bier zu verköstigen. Hier oben an der Sternwarte genießt man einen der schönsten Aussichten auf Bamberg. Sicherlich auch durch den Vorteil des ersten Bieres begünstigt, der positive Geschmacktest des Spezial-Weißbieres. Im Antrunk spritzig lebendig mit einer aromatischen, aber nicht aufdringlichen Rauchnote. In der Rezenz mit einer vollmundig satten Note und im Abgang mit einem grandiosen Nachhall, der sich angenehm über die Geschmacksknospen zieht. (Wobei damit belegt sein sollte , dass nicht nur Weinkenner sich großblumig über die Geschmacksvielfalt auslassen können).
Positiv eingestimmt ziehen wir weiter hinab zum Klosterbräu, direkt an der Regnitz gelegen. Seit 1533 wird hier Bier gebraut. Damit ist dieses Haus die älteste Brauerei Bambergs. Wetterbedingt ist die Gaststube verwaist und der Außenbereich hochfrequentiert. Wir ergattern einen exponierten Platz direkt an der Regnitz. Es fällt schwer eine Entscheidung für die Bierverprobung zu treffen. Bamberger Schwärzla, Braunbier, oder Bamberger Gold. Wir entscheiden uns für das Bamberger Braunbier und werden nicht enttäuscht. Vollmundig, malzig im Antrunk mit einer leichten unaufdringlichen Herbnote im Abgang, so die Kurzumschreibung des bernsteinfarbenen Bieres.
Weiter ziehen wir, zum etwas außerhalb der Innenstadt gelegenen Brauhaus Keesmann. Auch hier eine klare Ansage. „Gasträume angesichts des Wetters geschlossen“ – getrunken wird ausnahmslos draußen. Voll belegt die Garnituren im Biergarten, so bleibt ein Platz am Stehtisch für die Verprobung eines Keesmann-Bieres. Frankenuntypisch hat sich das relativ junge Brauhaus seit 1862 auf Pils spezialisiert, was immerhin 92% der Keesmann-Bierproduktion ausmacht und weit über Bamberg hinaus einen exzellenten Ruf genießt. Uns ist jedoch eher nach einem schönen Hellen, im südhessischen auch Export genannt. Das Bier selbst vollmundig würzig, ohne ein besonderes Alleinstellungsmerkmal zu generieren. Subjektiv bewertet – anständiger Durchschnitt ohne Ausreißer nach oben oder nach unten.
Quasi um die Ecke gelegen ist Station Nummer vier der Bamberger Brauhausrunde, Mahrs Bräu in der Wunderburg 10. Der Biergarten platzt aus allen Nähten. Just sind am Stammtisch zwei Plätze freigeworden, doch schon der Blick auf das freigewordene Gestühl ist scheinbar verboten. „Des is der Stammdiesch“ giftet mich eine Fränkin an, die den glasigen Schlieren im Augapfel zu urteilen, schon mehr als ein Bier getrunken hat. Klare Ansage, durchgereiste Odenwälder haben an diesem Tisch nichts, aber rein gar nichts verloren. „Fremde, solltest Du jemals in unsere Heimat kommen……“ schießst zunächst durch den Kopf, jedoch respektvoll nehmen wir hinter dem Zapfhäuschen an einer Bank Platz, die scheinbar für all diejenigen ausgelegt ist, die auf einen Nottrunk angewiesen sind. Rasch hat die rührige Bedienung unseren Notstand erkannt und kredenzt die Hausmarke das naturbelassene und ungespundete Kellerbier namens aU. A U steht für „a Ungespundetes“ frei nach dem Motto: Wer „A“ sagt, muß auch „U“ sagen. Ungespundet sind Biere, die ohne Spund im Faßloch gegärt werden und demnach wenig Kohlensäure aufweisen. Diese Biere werden üblicherweise als Kellerbiere oder Zwickel vertrieben. Das Bier selbst „Grandios“ Ein vollmundig malziger Antrunk, der den Gaumen fast schon überfordert mit seiner mächtigen Resonanz. Weich das Wasser, vollmalzig die Rezenz. Ein aromatischer Donnerhall mit einer bemerkenswerten Süffigkeit. Fast wäre man verleitet ein zweites „Seidla“ zu bestellen – jedoch, die Bamberger Bierrunde ist noch nicht beendet.
Von einem Banknachbar erfahren wir, dass das nächste Ziel unserer Begierde, das Stammhaus der Brauerei Spezial Betriebsferien hat, es aber nicht verboten ist, vis a vis, das Traditionshaus „Fässle“ zu besuchen. Gerne nehmen wir den Hinweis auf, um der Gaststube in der Oberen Königsstraße einen Besuch abzustatten. Angesichts des Kirchweihfestes in der Innenstadt ist die Gaststube gen Dreiviertelneun nur noch mäßig frequentiert – und die Bedienungen signalisieren, dass man langsam die Stühle hochstellen möchte. Allemal findet man jedoch noch Zeit uns ein hauseigenes Lagerbier zu kredenzen. Auch wenn das ungespundete Mahrbräu immer noch die Geschmacksnerven beansprucht – auch das Brauhaus Fässle braut leckeres Bier. Das Lagerbier, weich und mild im Antrunk entfaltet einen gewaltig würzigen Nachhall mit einer sich verfestigenden Geschmacksnote. Wiederum eine gelungene und wohlbekömmliche Verprobung.
Über den Grünen Markt geht es hinein in das Epizentrum der Sandkerwa. Umfallen unmöglich. Zentimeterweise werden wir durch die Fußgängerzone geschoben. Eingemantelt von einer regelrechten Bierdunstglocke, umgeben von leicht- bis schwersedierten Festbesuchern schuben wir uns vor in die Dominikanerstraße 6. Hier ist die wohl bekannteste Brauerei Bambergs ansässig – die Rauchbierbrauerei Schlenkerla. Rauchbier, aus Eichenholzfässern gezapft und unter dem Signet „Aecht Schlenkerla Rauchbier“ weltweit vertrieben. Der Name des Bieres ist einem früheren Brauer geschuldet, der von einem Pferdefuhrwerk überfahren wurde und seitdem mit den Armen schlenkerte. Rauchende Buchholzscheite, die bei der Darre eingesetzt werden sind für die intensive rauchige Note des Dunkelbieres verantwortlich. Manch ein Biertrinker meint, dass das Bier erst nach dem dritten Glas anfange zu schmecken. Uns genügt eine Probe – das Bier prägnant und außergewöhnlich, jedoch nicht unangenehm. Hier scheiden sich sicherlich die Geschmacksgeister. Das Bier gut vorstellbar als Tischbegleitung für eine deftige Mahlzeit – als durstlöschendes Sologetränk sicherlich nicht Jedermanns Geschmack.
Finalisiert wird die Bamberger Bierverprobung mit einem Besuch des jüngsten Brauhauses der Stadt, dem Ambräusianium, welches fünf Häuser vom Schlenkerla entfernt ist und seit 2004 in Betrieb ist. Auch wenn das Haus unter Bamberger Gesichtspunkten noch jung ist, die Einrichtung ansprechend und gemütlich. Ein Helles soll es zum Abschluss sein. Mag es am Biervorlauf der vorhergehenden Brauereien gelegen haben, geschmacklich fällt das Helle deutlich ab. Übersäuert, mit einem leichten Bitterüberhang verzeichnet sich der Malztrunk im Mundraum. Ungeachtet dessen, Dank des vielfältigen Angebotes in den Bamberger Brauereien ist für jeden Geschmack etwas dabei. Würde man einen „Tagesgewinner“ küren, so könnte das a U von Mahrs Bräu auf dem Podest stehen.
Bamberg, den 27. August 2016
Am Tag danach. Sattsame acht Seidla als Vorlauf jedoch keinerlei Nachwirkung, was auch für die Qualität der hervorragenden Biere spricht. Nach einem kräftigen Frühstück steht am zweiten Tag der legendäre 13-Brauereien-Weg von Memmelsdorf nach Strullendorf an. 33 Kilometer und 13 Brauereien, so die beachtliche Textur dieses Trails. Es obliegt der persönlichen Entscheidung, was am langen Ende schwerer wiegt – die Anzahl der Kilometer oder die Anzahl der Brauereien oder die Mengenverteilung der Trunkesstätten. Allemal zu empfehlen ist jedoch diese hopfige Landpartie auf mindestens zwei Tage zu verteilen, damit das kulturelle Erlebnis und der damit einhergehende Genuss in Sachen Speis und Trank seinen gebührenden Stellenwert erfährt.
Gerne verzichten wir auf die Busfahrt in das neun Kilometer entfernte Memmelsdorf und queren Bamberg nordöstlich Richtung Gartenstadt. Wandertechnisch ist diese Stadtquerung nicht wirklich spannend, da man sich außerhalb des historischen Zentrums bewegt, einzig die Aktivierung des Kreislaufes steht hier im Vordergrund. Allemal ein Highlight ist eine Stippvisite von Schloß Seehof. Stattlich, die Sommeresidenz der Bamberger Fürstbischöfe, welches Ende des 17. Jahrhunderts errichtet wurde und architektonisch der vierflügligen Anlage des Aschaffenburger Schlosses nachempfunden wurde. Der berühmte Hofbildhauer Ferdinand Tietz schuf hier mehr als 400 opulente Steinfiguren. Vis a vis des Schlosses rundet das Memmelsdorfer Tor, eines der schönsten fränkischen Orangeriebauten, das architektonische Ensemble ab.
Von der Stein- zur Bierkultur. Nach insgesamt elf Kilometern ist die erste von 13 Brauereien erreicht. Gegen 10.30 Uhr erreichen wir die Brauerei Höhn, seit 1783 in Memmelsdorf als familiengeführtes Brauhaus am Platze. Riesig das Wirtshaus, groß der Biergarten, offenkundig sind wir die einzigen Gäste zu diesem Zeitpunkt. Nicht abgeräumte Frühstückstische belegen, dass man sich, obschon im Bierland Franken, noch nicht auf die ersten Tagesgäste eingestellt ist. Kredenzt wird die Hausspezialität, das Görchla, ein leicht bernsteinfarbenes Landbier nach Pilsner Art gebraut mit einem herbrauchigen, aber durchaus aromatischen Geschmack. Weich das Wasser, der Abgang mit einer etwas zu auffälligen Zurückhaltung – jedoch zweifelsohne ein gutes Bier.
Just nebenan, einige Schritte, weiter betreten wir die Brauerei Drei Kronen, der zweite Bräu in Memmelsdorf. Welch ein Haus! Eine urgemütliche Inneneinrichtung, liebevoll gestaltet – man wird magisch hineingezogen. Auf der Kreidetafel sind die aktuellen aus dem Faß gezapften Biere zu gelistet. Stöffle, Lager, Weisse oder Keller-Pils – die umtriebige Bedienung empfiehlt ausdrücklich das saisonale Märzen. Und fürwahr eine vortreffliche Entscheidung. Mit Anerkennung und Respekt flösen wir das butterweiche Hopfengetränk, welches mit einem kräftigen Bernsteinfarbton im Glase chanchiert ein. Der Antrunk würzig vollmundig, in der Resenz eine belebende Frische und im Abgang mit einem urgewaltigen Nachhall im Gaumen – Braukunst vom Allerfeinsten und das schon seit mehr als 555 Jahren. Nur schweren Herzens verlassen wir die gastliche Stätte und schreiten zu neuen Taten in das vier Kilometer entfernte Merkendorf.
Die Streckenkennzeichung des 13-Brauereienweges ist mit einer eigens angefertigten Beschilderung versehen. Nicht immer ist die Beschilderung ausreichend, wobei zu vermuten ist, das manch ein bierseliger Brauwegswanderer die Beschilderung als Erinnerung abgeschraubt hat. Hier sollte man sich auf jeden Fall mit Karte und/oder GPS-Gerät einrüsten.
Asphaltbelegte Wirtschaftswege führen nach uns Merkendorf. Vortrefflich die weitreichenden Aussichten in die sanfthügelige Landschaft, die man nicht umsonst als Fränkische Toscana bezeichnet. Auch in Merkendorf erwarten uns wiederum zwei Brauereien, so dass man zu Beginn durchaus von einem beträchtlichen alkoholischen Klumpenrisiko sprechen kann, was man im Vorfeld der Planung berücksichtigen sollte.
Wir kehren ein im Gasthaus Wagner, just in time zur fränkischen Mittagszeit Schlag Zwölf. Die Gaststätte gut besucht, Bierkrüge und ordentliche Fleisch und Knödelportionen verteilen sich auf den Tischen. Diesmal soll es ein Weißbier sein. Das sehr hell ausgeprägte Weißbier überrascht jedoch geschmacklich, leicht im Antrunk mit einem hervorragenden aromatischen Abgang, ein beeindruckender Trunk. 17.000 Hektoliter werden jährlich ausgestoßen, und wie der Wirt berichtet haut die Küche an einem Wochenendtag mehr als 250 Essen heraus, und dass in allerbester Qualität zu mehr als zivilen Preisen.
Frisch gestärkt ziehen wir 300 Meter weiter um im in der 968 Seelen zählende Kommune die zweite Brauerei, das Brauhaus Hummel aufzusuchen, ein altes Traditionhaus. Hier wird seit 1556 gebraut. Jahreszeitbedingt ist auch in Merkendorf Kirchweih. Demzufolge klare Ansage: Der Gastraum geschlossen, Ausschank im hinterrücks aufgebauten Großzelt. Auch hier soll es tageszeitbedingt ein Weißbier sein – und die Wahl hat sich gelohnt. Welch eine obergärige Meisterleistung. Herzhaft frisch im Antrunk. Wie ein Donnerhall begleitet ein besonderes Röstaroma den Abgang Richtung Magenhöhle. Bei solch einer Qualität kann man getrost auf die Fernsehbiere verzichten.
Nur kurz die bierfreie Wanderzeit Richtung, Drosendorf, denn nach zwei weiteren Kilometern ist die Brauerei Göller erreicht. Die Wirtsstube geschlossen, geöffnet ist jedoch der große Biergarten. Das Areal eher nüchtern und zweckmäßig, als einladend und gemütlich, jedoch das Bier hervorragend. Im Aussschank ein außergewöhnliches Sommer-Export, dunkelgelb, mit einem mächtigen würzigen Stich im Antrunk – hier tanzen die Geschmacksknospen Samba. In wohldosierten bedächtigen Schlucken wird das kümmelige Abgangsaroma aufgenommen – ein weitere Beleg für die außerordentliche Vielfalt fränkischer Braukunst.
Mittlerweile knallt die Sonne herab und heizt die Luft offiziell auf trockene 32 Grad und gefühlt auf 38 Grad auf. Glücklicherweise führt nun ein Waldabschnitt in das fünf Kilometer entfernte Schammelsdorf. Wasser aus der Trinkflasche auch eine adäquate Alternative. Die Hopfenreste mittlerweile herausgeschwitzt und die Grundkonsistenz sehr stabil. Nach einer Stunde ist die Brauerei Knoblach erreicht. Der gemütliche Biergarten lädt zum Verweilen ein. Im Gastraum sind mehr als 380 Krügla für die Stammkunden verwahrt. Auch ein Südafrikaner und ein Kanadier hat hier sein Trinkgefäß untergebracht. Hitzebedingt wird auch hier ein Weißbier geordert. Ein ehrliches aber am langen Ende unspektakuläres Getränk. Malzig der Antrunk der sich im Abgang jedoch überraschend schnell auflöst. Leichter Trunk an einem heißen Tag – auch nicht verkehrt.
Glücklicherweise steht nun wieder ein längerer Wanderabschnitt an. Auf dem Weg zum sechs Kilometer entfernte Tiefenellern ist ein gesunder Anstieg zu absolvieren. Mehr als schwach in diesem Abschnitt die Wegekennzeichung. In Tiefenellern erwartet uns die Brauerei Hönig, die seit 1478 das Braurecht besitzt und seit 1778 im Familienbesitz ist. Durchschnittlich das Weißbier mit einem versöhnlichen bananigen Abgang, markant jedoch das Lagerbier mit einer würzigen Präambel im Antrunk und einem kernig runden Abgang, der noch auf den nächsten zwei Kilometern Richtung Lohndorf durchhallt.
In Lohndorf ist Endstation des Tages. Sehr zu empfehlen ist der außerhalb der Ortschaft gelegene Landgasthof Lohntal. Hier wird auch das Lohndorfer Rehbräu ausgeschenkt, zweifelslohne zum Tagesabschluß eine ideale Wahl. Die im Ort befindliche Brauerei Reh hat jedoch keinen Brauereiausschank. Hier beschränkt man sich auf einem Flaschenverkauf zu tagesüblichen Zeiten. Begleitend zum Abendessen entscheiden wir uns für ein ungespundetes Zwickel aus dem Hause Reh. Sehr weich das Wasser, dezent zurückhaltend die Malznote mit einem wohlabgerundeten Abgang – ein vortrefflicher Abschluss für eine außergewöhnliche und eindrucksvolle Brauereiwanderung. 31 Kilometer und neun Brauereien, so die hopfenhaltige Tagesbilanz. Dank ausgewogener Speisenaufnahme und wasserlastiger Rekalibrierung der Geschmacksnerven ist auch dieser Wandertag erfolgreich und ohne nennenswerte Störungen beendet. Das Bier des Tages? Das Drei-Kronen-Bier? Das Wagner-Weiße – das Göller-Helle, das Hönig-Lager – oder doch das Drei-Kronen Märzen………?
Lohndorf, den 28.August 2016
Nach dem Frühstück ist vor dem Frühstück. Der freundliche Chef des Hauses verabschiedet uns nach dem Frühstück mit einer flüssigen Wegzehrung aus der Brauerei Reh, als Prophylaxe für die vor uns liegende „lange Wanderung“. Ein guter Mann! 16 Kilometer und fünf Brauereien, so das Abschlussprogramm des heutigen Brauereitrails. „Betriebsferien“ – die zweite Brauerei in Lohndorf, das Brauhaus Hölzlein hat sich ausgeklinkt und so ziehen wir unverrichteter Dinge weiter in das drei Kilometer entfernte Melkendorf um hier der Brauerei Winkler einen Besuch abzustatten.
Über die Brauerei Winkler wurde uns im Streckenverlauf schon Einiges berichtet. Aufgemacht, geschlossen, wiedereröffnet – tendentiell ungewiss wie der Aggregatzustand des Hauses ist. Obschon die Internetseite vermeldet, dass das Haus geöffnet habe, ist der Gastbetrieb offenkundig schon länger nicht mehr in Betrieb. Heruntergekommen das Areal – hier ist durchaus ein Hinweis angebracht, das Haus von der 13-Brauereien-Liste zu streichen – diesen Umweg kann man sich sparen.
So geht es durch einen schönen Waldpfad, vorbei an einigen Kunstobjekten des Litzendorfer Kunstweges nach Geisfeld. Hier sind laut Plan zwei Brauereien angesiedelt. Jedoch auch hier eine weitere Überraschung. Obschon es Sonntag ist, und nach einschlägiger Veröffentlichung dann, wenn Kirche ist, die Brauerei Krug sonntags zwischen 10.00 Uhr und 12.00 Uhr geöffnet hat, stehen wir bereits zum dritten Male hintereinander vor verschlossenen Türen. Die Wirtsleute , die sich im Hof befinden, bemerken lapidar, dass heute keine Kirche sei – und demnach das Wirtshaus geschlossen habe. Im übrigen solle man vorher anrufen. Kein wirklicher sinnvoll Hinweis, und Beleg dafür dass man hier als Fremder eher stört.
So ziehen wir mit den ersten Anzeichen einer einsetzenden Unterhopfung weiter zur Brauerei Griess. Auch hier stehen wir zunächst vor verschlossener Türe, jedoch die Wirtsfrau, die unsere Brummelei erhöht hat, führt uns zum hinter dem Gebäude liegenden Biergarten, wo sich schon einige Frühschoppler niedergelassen haben. Das Warten auf den ersten Schoppen hat sich ausgezahlt. Das ausgeschenkte Lagerbier mit einem betont vollmundig würzig-hopfigen Aroma fulminant im Antrunk und aromatisch und kernig im Abgang. So muss Bier sein! Als Kompensation zu den geschlossenen Brauereien kehren wir auf den zwei Kilometer entfernten Grieskeller ein. Das Areal wurde 1995 errichtet und ist ein wunderbar gestaltetes Gelände mit eingewachsenem Baumbestand. Und weil es so gut war genehmigen wir uns hier nochmals ein bodenständiges Lagerbier aus dem Hause Griess, auch wenn im Grieskeller offiziell erst in einer Stunde der Zapfhahn aufgesperrt wird. Wenn Krug nicht will geht man eben zum Griess – hier ist man gerne gesehen.
Zwei Kilometer weiter geht es auf moderaten Wegen hinein nach Roßdorf, dort wo die Traditionsbrauerei Sauer beheimatet ist. Bereits um 11.25 Uhr sind die Tische im Außenbereich mehr als gut besetzt und die ersten Knödelportionen dampfen schon auf dem Teller. Scheinbar hat man hier Angst, dass es nach 13.00 Uhr nichts mehr aus der Küche gibt. Passend zum Mittagstisch wird zunächst ein Lagerbier gewählt. Köstlich das Bier – ein samtweiches Wasser mit einer sehr aromatischen Grundnote . Auch das nachfolgende Weissbier okkupiert die Geschmackszellen in mehr als angenehmer Weise. Offiziell wäre damit der 13-Brauereienweg brauhaustechnisch beendet.
Auf dem vier Kilometer langen Weg nach Strullendorf schickt jedoch der Herr ein Zeichen und führt uns vorbei am Felsenkeller, ein schönes Areal am Waldesrand von Roßdorf gelegen. Auf den Felsenkeller gehen, heißt bei der Brauerei Wagner einkehren um abermals ein hervorragendes Bier der Kleinbrauerei zu verkosten. Zwei Kilometer vor Strullendorf lockt nochmals ein Schild. „Almrausch“ eine Station am Waldesrand – hier Ausschank des Bieres aus dem Brauhaus Ott. Ein erfrischendes Lagerbier mit einer weichen Geschmackskomponente unaufgeregt aber als Abrundung gerne aufgenommen.
Bald ist Strullendorf erreicht. Von hier aus geht es per S-Bahn über Bamberg via Würzburg zurück in die Heimat. Eine außergewöhnliche Tour, die zugegebener Maßen eine gewisse Liebe zum Bier voraussetzt ist nach 54 Kilometern, 21 Braustätten und geruhsamen 966 Höhenmetern erfolgreich und ohne Zwischen- und Ausfälle beendet. Mehr als beeindruckend der umfassende vertiefende Einblick in die fränkische Braukunst und in die Arbeit der fränkischen Kleinbrauereien. Lust auf mehr? Das Angebot ist schier überwältigend. Ob die Waischenfelder Brauereiwanderung über 16 Kilometer mit sechs Braustätten, der 21 Kilometer lange Bierquellenweg bei Pegnitz, der bei vier Brauereien Einkehrmöglichkeiten bietet, die Strullendorfer Bierkellerrunde, die vierzehn Bierstätten auf 14 Kilometer kreuzt, die Aufseßer Brauereiwanderung, die Brauereitour um Ebermannstadt oder oder oder…. Wohl bekomms. Als Nachtrag noch ein Wort zum Thema Reinheitsgebot. Nach heutiger Rechtslage dürfen sogenannte technische Hilfsstoffe verwendet werden, die geschmacklich, geruchlich und gesundheitlich absolut unbedenklich sind, wie beispielsweise Holzspäne zur Filterung, Zink zur Gärungsbeschleunigung, Hexan als Lösungsmittel für den Hopfenextrakt, Hypochlorid zur Wasserentkeimung und Polyvinylpolypyrrolidon als Stabilisierungsmittel. Schmecken tut es trotzdem!
Das mal wieder ein besonders schöner Artikel. Das werde ich im Frühling nachwandern. Danke!
Nur zu Marcus, es lohnt sich allemal.
Keine Gefahr einer “Unterhopfung” 🙂
Sehr schöner Artikel.
Respekt, ihr ward fleißig unterwegs 😀
Klicke mich gerade durch Blogartikel über meine Heimatregion und bin auf diesen hier gestoßen – und krieg glatt heimweh. So ein kühles Bierchen an einem lauen Sommerabend aufm Keller… ach, das wärs jetzt.
Zur Kerwa-Zeit verpasst das Greifenklau auch am wenigsten. Da sind die meisten eh in der Stadt. Das Bier ist aber lecker und der Blick ist auch schön von da oben.