Caldern, den 10. September 2016 –
Eine Stunde vor Sonnenaufgang – noch nicht einmal genügend Licht um Zeitung zu lesen, jedoch der ideale Zeitpunkt um die mehr als 40 Kilometer nach Frohnhausen via Marburg anzugehen. Ideal auch deshalb, da gemäß Wetterprognose wiederum ein außergewöhnlich heißer und wolkenloser Septembertag ansteht und unter diesen Bedingungen ein grandioser Sonnenaufgang zu erwarten ist, der in diesem breiten Lahntalabschnitt eine –zumindest theoretisch- besondere Wirkung entfalten sollte. Die dritte Passage der spannenden Lahnerkursion setzt am Weltbahnhof Caldern ein, der an Wochenenden im zweistündigen Takt bedient wird, jedoch nur wenn Bedarf besteht. Und Bedarf besteht nur, wenn sich jemand offenkundig am Bahnsteig aufhält, oder den Zugführer höflich darum bittet, bei Caldern die Bremse anzuziehen.
So geht es vom Bahnhof ostwärts auf unspektakulären Wirtschafts- und Teerwegen durch die Naturschutzaue Lahnknie. Langsam schubt sich ein leicht geröteter Ansatz durch den sich rasch auflösenden Schleierverband der Nacht. Schon hier wird klar – der Frühstart hat sich gelohnt und ein Sonnenaufgangspektakel ist zu erwarten. Den Ortsrand von Sterzhausen passierend wird zum ersten und einzigen Mal an diesem Tage die Lahn gekreuzt. Wer nicht willens ist das Landschaftsbild zu lesen, könnte über die teerlastige Streckenführung mäkeln. Eine aufgesetzte kiesbewehrte Böschung entlang der Lahn, eine gewachsene Naturschutzgebietflora und eine sanfthügelige Landschaft kennzeichnet den Streckenverlauf. Geflutet durch Sonnenlicht entwicklet sich ein mystisches Szenario – selbst Schuld, wer um diese Uhrzeit noch im Bette liegen bleibt.
Moderat aber stetig aufwärts geht es hinauf zu drei Windrädern. Hinter einer Kuppe eröffnet sich ein fantastisches Aussichtspanorama mit Blick auf Michelsberg und Wehrda. Markant die Lahnberge, die das dahinterliegende Amöneburger Becken verstecken. Zwölf Stunden später könnte man hier hier oben bei einer Flasche Roten, etwas Käse und Oliven eine angenehme meditative Stunde verbringen. Mangels Wein, Käse, Oliven und Uhrzeit geht es die Höhe haltend, einem Abstecher folgend, zur Burg Weißenstein. Weiß der hier befindliche Sandstein, als Namenspate der Burg, die im achten Jahrhundert errichtet wurde, im 12. Jahrhundert abbrannte und im 21. Jahrhundert im Wanderführer als Wanderziel deklariert wird. Die Burgreste selbst unspektakulär, jedoch die markante Aussicht auf Marburg lohnt allemal den Gang hierher. Unkonventionell geht es die steile Bergflanke hinab (nicht zu empfehlen bei regnerischem Wetter) um Wehrda querend wieder den gekennzeichneten Lahnwanderweg aufzunehmen.
Auf wunderbar wanderbaren Pfaden ist das Marienhäuschen unterhalb des Gebrannten Berges erreicht. Hier passiert man auch den Alten Steinbruch, dort wo der Sandstein für die Marburger Elisabethenkirche und für Teile des Brandenburger Tors abgebaut wurdn. Bald erreicht man das am Waldesrand gelegene Emil von Behring-Mausoleum. Der „Retter der Kinder und Soldaten“ entdeckte Anfang des 20. Jahrhunderts Seren gegen Diptherie und Tetanus und wurde mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.
Abwärts nach Marburg gehend bauen sich die mächtigen Zwillingstürme der ersten deutschen gotischen Kirche, der berühmten Elisabethenkirche auf. Zuvor passiert man das „Michelchen“ eine 1270 geweihte Kapelle des Deutschen Ordens. Eigentlich sollte man hier mehr Zeit verbringen, um die spannenden Grabsteine des hier seit dem 13. Jahrhundert ansässigen Pilgerfriedhofes zu studieren. Hinab und hinein geht es jedoch zur Elisabethenkirche. Die Kirche, 1235 über dem Grab der Heiligen Elisabeth errichtet, ist eine der bedeutensten Wallfahrtsstätten des Abendlandes, auch wenn 1539 Philipp der Großmütige die Gebeine der heiligen Frau entfernen ließ, um die Pilger aus dem protstantischen Marburg zu vertreiben. Eine Fehleinschätzung wie sich herausstellte. Namhafte Persönlichkeiten, darunter auch Paul von Hindenburg (dessen Sarg in den Kriegswirren hin- und hergekarrt wurde) sind in den Sarkophagen der Kirche aufgebahrt. Eine optische Geschmacksache ist die 2006 verbaute Orgel – aber Geschmäcker sind bekanntlich verschieden.
Anzuraten ist nicht den Wegverlauf des gekennzeichneten Lahnwanderweges aufzunehmen, sondern durch die Oberstadt, vorbei am markanten Rathaus und an der Stelle, wo das Land Hessen gegründet wurde zu gehen. Prachtvoll sanierte Fachwerkbauten sind in der achtgrößten Kommune Hessens zu besichtigen. Quirlig geht es in er Fußgängerzone zu. Überall Cafes und Kneipen, man merkt, dass man in einer Studentenstadt ist. Immerhin ist in Marburg die weltweit älteste protestantisch gegründete Universität, ansässig.
Über die Schloßtreppen geht es hinauf zur Festung Marburg, welches heute als Landesmuseum genutzt wird. Im 11. Jahrhundert errichtet und als erste Residenz der Landgrafschaft Hessen eingesetzt. Eine Besichtigung wäre durchaus angezeigt, jedoch nicht am heutigen Tag, in Anbetracht des noch ausstehenden Wanderprogrammes. So geht es westwärts durch den ausgedehnten Schloßpark mit angeschlossenem Rosengarten in die zweite Tagespassage Richtung Frohnhausen. Aufpassen sollte man an der Wehrhäuser Höhe. Hier oben am Restaurant Sellhof hat man man die letzte Chance vor Fronhausen nochmals einzukehren. Gut beraten ist man allemal genügend Proviant mitzuführen, da man unterwegs keine Gelegenheit hat einzukehren und Getränke aufzufüllen.
Vobei an einem Rosenlehrpfad , der natürlich nicht im September aber zur besten Blütenzeit 50 verschiedenene Wildrosensorten beheimatet, geht es auf ruhigen Waldabschnitten Richtung Oberweimar. Eine sengende Hitze, hitzedampfende Böden, der Preis für eine seit drei Wochen anhaltende Hitzeperiode.
Trotz der gewaltigen Hitze, herrlich und weitreichend die Aussichten in die Marburger Lande und dem Lahntal. Durch das unspektakuläre Oberweimar geht es durch einen weiteren Waldabschnitt nach Oberwalgern. Eine Küsterin, die gerade die schmucke Dorfkirche für den Gottesdienst vorbereitet erbarmt sich eines Odenwälder Durchreisenden und gestattet die Trinkflaschen aufzufüllen, Vergelt,s Gott hierfür. Allemal lohnenswert ist ein Abstecher zur zwei Kilometer entfernten Schmelzmühle, ein weit über die Grenzen des Weilers Schmelz hinaus bekannte Lokation.
Von hier aus folgt man dem mit einem gelben Spiegel versehenen Zubringerlogo um nach weiteren drei Kilometern Fronhausen zu erreichen. Adrette Fachwerkhäuser und eine außergewöhnliche Chorturmkirche aus dem 12. Jahrhundert prägen das Bild des Dorfes. Nach 43 Kilometern und 1.100 Höhenmetern ist das Tagesziel erreicht. Per Bahn (eimal umsteigen in Marburg) geht es zurück zum Ausgangsort, dem Weltbahnhof Caldern. Wandertechnisch bewertet ist der Streckenverlauf nicht zwingend spektakulär – jedoch die Symbiose aus Kulturlandschaft und der sehens- und erlebenswerten Stadt Marburg hat diesem Abschnitt eine besondere Note verliehen. Fortsetzung… selbstverständlich und alsbald.
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