Bergstraße, 17. Mai 2015
Wandern in Deutschland – dort wo Mandelbäume blühen, Feigen und Ölbäume wachsen, kultivierter Weinanbau betrieben wird, und Burgen und Schlösser die Bergflanken der „strata montana „ zieren. Die Rede ist von der Bergstraße im Odenwald und im Speziellen vom Burgensteig, der seit 17. Januar 2015 als Qualitätswanderweg zertifiziert worden ist. Mit 120 Kilometern und 3650 Höhenmetern gehört der „Burgensteig Bergstraße“, der mit dem Symbol einer blauen Burg auf weißem Spiegel gekennzeichnet ist, zu den anspruchsvollsten Qualitätswanderwegen in der Republik. Er führt auf von Darmstadt-Eberstadt nach Heidelberg, mit Abstechern in den Vorderen Odenwald, gesäumt von 30 Burgen und Schlössern. Grandiose Ausblicke in die Rhein-Neckarebene und Seitentäler des Odenwalds garantieren ein außergewöhnliches Wandererlebnis.
Der neue „Burgensteig Bergstraße“ lehnt sich im Grundsatz an den früheren Burgenweg an. In weiten Teilen ist er neu konzipiert. Unzählige Meter wurden auf mittlerweile zugewachsenen und vergessenen Wegen wieder begehbar gemacht, die landschaftlich reizvollsten, besonders urigen und topographisch durchaus anspruchsvollsten Stellen wurden erkundet und einbezogen.
Die erste Etappe wird in Darmstadt-Eberstadt, dem offiziellen „Einstiegspunkt“ des Burgensteiges gestartet. Am Friedhof des Darmstädter Stadtteils ist eine Weginformation angebracht – jedoch noch auf Basis des alten Burgenweges. Dass der frisch ausgezeichnete Weg noch jungfräulich ist, dokumentiert der Umstand, dass die angegebenen Kilometerangaben, wie auch die Weiteren im Wegverlauf schlichtweg falsch sind, und daher nicht als Orientierungsmaßstab herangezogen werden können, da die Strecke um mehr als 30 Kilometer erweitert wurde. Hier wird seitens der Kommunen und des OWK,s in bewährter Qualität noch nachzubessern sein.
So geht es entlang des Burgenweges stetig hinauf zum Schloßberg, dort wo 1240 die Burg Frankenstein errichtet wurde. Im Kern beschlagen mit langweiliger Historie – nie belagert oder durch kriegerische Auseinandersetzungen zerstört, sondern einfach vernachlässigt und dem Verfall überlassen. Ursprünglich als Wohnareal konzipiert wurde die Burg zwischenzeitlich als Invalidenhaus und militärische Strafanstalt genutzt. Scheinbar magisch die Anziehungskraft des Namens Frankenstein. In der Umgebung stationierte US-amerikanische Soldaten etablierten in den 70er Jahren im Burgbereich ein Halloweenfest, welches noch heute, mittlerweile als größte Horror-Veranstaltung im Bundesgebiet, im Oktober zelebriert wird. Erwähnenswert ist an dieser Stelle die verbürgte Kuriosität der Frankensteiner Eselslehen. Bis ins 16. Jahrhundert verliehen die Frankensteiner Burgherren zu Prangerzwecken Esel nebst Knappen nach Darmstadt. Bestraft wurden hierbei Frauen, die ihre Männer geschlagen hatten. Dabei wurden die bösartigen Frauen auf den Esel gesetzt. Sofern die die Frau ihren Gatten „durch hinterlistige Bosheit“, ohne dass er sich wehren konnte, schlug , führte der Frankensteiner Knappe den Esel durch das Dorf. Hatte der Ehemann aber in einer „ehrlichen Prügelei“ die Schläge abbekommen, musste er den Esel selbst führen , als Strafe dafür, dass er sich gegen die eigene Frau nicht zur Wehr setzen konnte.
Unspektakulär jedoch das Umfeld an der Burg am frühen Morgen nach 7.00 Uhr. Der Burghof nebst Restauration noch verriegelt – von frauentragenden Eseln keine Spur. Besichtigung der Burganlage demnach Fehlanzeige. Von der Burg führt der Wanderweg an den Magnetsteinen vorbei. Hält man einen Kompass in die Nähe dieser Steine, so ist ein Ausschlag der Kompassnadel zu beobachten. Vermutet wird, dass die Steine irgendwann durch einen gewaltigen Blitzeinschlag magnetisiert wurden. Zunächst geht es weiter aufwärts zur Karlshöhe oberhalb von Seeheim-Jugenheim. Auffällig auch eine spezielle Wegemarkierung. Blaue Schrift auf gelbem Spiegel, gekennzeichnet mit LH1 und LH2 deuten darauf hin, dass die Lufthansa, die hier ein großes Trainings- und Conferencecenter unterhält, auch Wanderwege eingerichtet hat – als bodenständiger Beitrag für eine Gesellschaft, die ansonsten nur abhebt.
Hinauf Richtung Karlshöhe, einer markanten 10-Wege-Kreuzung mit Schutzhütte, hinab in das Elsbachtal und durch Buchenwälder wieder hinauf zur Burg Tannenberg. Gute Höhenmeter, die sich zum Tagesschluss auf eine stolze Schlagzahl summieren. Burg Tannenberg, 1239 erstmals urkundlich als „Burg Seeheim“ erwähnt, war eine mächtige Anlage auf einer monolithischen Bergkuppe. Da vorbeiziehende Kaufleute Ende des 14. Jahrhunderts die Gemäuer ausraubten und unberechtigte Zölle erhoben, schlossen sich der Städtebund Mainz, Trier und Frankfurt mit der Pfalz zusammen, belagerten 1399 die Burg und eroberten sie schließlich mit Hilfe der „großen Frankfurter Büchse“. Tannenberg soll die erste deutsche Burg gewesen sein, die durch Pulverkraft zerstört wurde. Wahrlich gelungen, wie man heute noch begutachten kann.
Abwärts durch das Stettbacher Tal, geht es wiederum aufwärts zum Heiligenberg dessen Namensherkunft und geschichtlicher Anfänge im Dunkeln liegt. Funde aus deren karolingischen Zeit deuten auf eine frühe Befestigung und ein Bergheiligtum hin. Im 13. Jahrhundert entstand hier ein Nonnenkloster, das vermutlich wegen Versorgungsschwierigkeiten wieder aufgelöst wurde. 1810 erhielt Hofkammerrat August Konrad von Hofmann den Heiligenberg für seine Verdienste um Hessen zum Geschenk und errichtete ein Landgut, was eine Erbgroßherzogin später zu einemländlichen Schloss ausbaute. Hier ging einst der europäische Hochadel, darunter Zar Nikolaus II. von Russland, zur Sommerfrische ein und aus. Sehenswert auch der kleine Schlosspark. Ein kurzer Gegenanstieg und man erreicht Jugenheims, Wahrzeichen, das Goldene Kreuz, welches zum Andenken an die Großherzogin Wilhelmine (1788 – 1836) von ihren Kindern 1866 eingeweiht wurde. Neben der Klosterruine rundet eine der ältesten deutschen Linden und das Mausoleum der Battenbergs das beeindruckende Gesamtbild ab. Imposant auch die Fernblicke, die man von dieser exponierten Stelle auf das Rhein-Neckar-Gebiet genießen kann.
Nach dem Aufstieg ist vor dem Aufstieg. Hinab nach Jugenheim geht es Richtung Burgruine Jossa. Aus Naturschutzgründen (Altholzinsel, Nistplatz von Eulen und Spechten) darf das Waldstück um die Ruine zwar betreten, der Weg dorthin aber nicht markiert werden. Demgemäß war es ein Leichtes die Ruine zu verfehlen.
Weiter geht es schönen Pfaden wieder im hinauf zum nächsten Teilziel, dem Alsbacher Schloß, 1235 von einem gewissen von Bickenbach als Trutzburg errichtet. Die Bezeichnung als Schloß ist gelinde gesagt übertrieben, jedoch ein Relikt der Neuzeit, da man sich zur Hebung der Reputation entschloss, die Anlage als Schloss umzuwidmen. Allemal zu empfehlen eine Kaffepause in der davorliegenden Burgschenke. Wir folgen der Markierung weiter auf dem Comoder Weg, der nomen est omen tatsächlich kommod zu begehen ist. Unterhalb des 517 m hohen Melibokus, der höchsten Erhebung der Bergstraße, schlängelt sich der Burgensteig oberhalb der Not-Gottes-Kapelle hinüber zum Auerbacher Schloß. Leider fehlt jegliche Beschilderung zur Kapelle aber auch dezidiert zum Auerbacher Schloss. Ein ortsunkundiger Wanderer, der dem Wanderzeichen “Burgensteig” folgen würde, würde unterhalb der Burgenmauer an der Anlage vorbeigehen. Hier sollte über eine Optimierung des Streckenverlaufes und der entsprechenden Wegemarkierung nachdenken.
Das Auerbacher Schloß eine der imposantesten Burganlagen im südhessischen Raum, wurde Mitte des 13. Jahrhunderts von der Grafschaft Katzenelnbogen errichtet. Die zehn Meter hohen Ringmauern waren an ihren 3 Ecken durch runde Türme verstärkt. Zusätzlich befand sich an der Schildmauer ein alles überragender runder Bergfried, der 1356 beim großen Erdbeben einstürzte. 1674 wurde die waffenlose Burg von Franzosen und schottischen Hilfstruppen eingenommen, geplündert und zerstört. Auf einer begehbaren Schildmauer der Burganlage steht eine über 300-jährige, sieben Meter hohe Waldkiefer. Die anspruchslose Pflanze wurzelt in luftiger Höhe auf dem Bauwerk und deckt einen Teil ihres Wasserbedarfs über die Luftfeuchte, die an den Nadeln kondensiert und zu Boden tropft. Aufgrund der sehr kargen Lebensbedingungen ist der Baum relativ klein geblieben und wirkt wie ein zu groß geratener Bonsai. Derzeit wird die Anlage restauriert und saniert. Ein Warnhinweis jedoch an dieser Stelle: Wanderer solltest Du an Hunger und Durst leiden, so vermeide einen Besuch des hier ansässigen Burglokales. Ein alkoholfreies Weißbier für 4,60 EUR im Ausschank ist mehr als grenzwertig und eher an Besucher adressiert die aus den Großstädten des Rhein-Maingebietes kommend mit ihren Limousinen bis vor den Schlosshof fahren. Wanderleute sind beim Schloß Alsfeld oder am Kirchberg besser aufgehoben, dort wo man sich zu fairen Preisen vortrefflich niederlassen kann.
Wiederum hinab geht es nach Bensheim-Auerbach zum drittgrößten hessischen Staatspark, dem Fürstenlager – ein weiteres Highlight auf der beeindruckenden Strecke. Seiner Entstehung verdankte das Fürstenlager den hier sprudelnden mineralhaltigen Quellen, dem „Auerbacher Wasser“. Grund genug für Landgraf Ludwig VIII, die Quelle einzufassen, die Anpflanzung von Alleen und den Bau von Häusern und Pavillons anzuordnen, um eine Sommerresidenz zu errichten. Ein Plan, den seine würdigen Nachfolger aufgriffen und weiterentwickelten. Um dieses „Fürstenlager“, wie die Anlage im lokalen Sprachgebrauch genannt wurde, entstand ein weitläufiger Park im Stil eines Englischen Landschaftsgartens mit Teehaus, einer Eremitage, einer künstlichen Grotte, sowie versteckt angelegte Sitzgruppen und Aussichtspunkte. Via Herrenhaus führt der Burgensteig an der Herrenwiese aufwärts zum „Freundschaftstempel“ und dann weiter zum Aussichtspunkt „Ludwigslinde“. Auf der Anhöhe genießt man herrliche Ausblicke auf die Bergsträßer Weinlagen und die noch 12 Kilometer entfernte Starkenburg, dem Endziel der heutigen Etappe.
Ab dem Parkplatz „Herrenwingert“ ist ein reger Betrieb von Spaziergängern zu verzeichnen. Ein signifikantes Zeichen, dass in walking distance“ ein Zapfhahn in der Nähe sein muss. Kein Wunder – denn abgehend vom dortigen Parkplatz kann man auf moderaten steigungslosen Wegen das ein Kilometer entfernte „Kirchberghäuschen“ erreichen. Kirchberg, der Hausberg der Bensheimer, bietet eine aussergewöhnliche Fernsicht entlang der Bergstrasse bis nach Heidelberg im Süden, dem Pfälzer Wald im Westen und dem Feldberg im Taunus im Norden. Der Restauration am Kirchberg, eine weit über die Grenzen hinaus bekannte Kultstätte der geselligen Einkehr. Ist die Fahne gehisst dann läuft der Zapfhahn. Von 11.00 Uhr bis Sonnenuntergang – außer montags. Bei schönem Wetter ist es im Grundsätzlichen eine Sünde diesen Ort der Begegnung vorzeitig zu verlassen. Per se ist diese Lokation der schönste bewirtschaftete Platz an der Bergstraße mit einem faszinierenden Aussichtspanorama. Nach dem Genuss eines frischgezapften Hefeweizens gilt es sich schweren Herzens loszueisen, um den Rest der Etappe zu absolvieren.
So geht es dem Wegverlauf folgend, Bensheim touchierend (wobei für Nichtansässige auch ein Besuch der Bensheimer Altstadt dringendst zu empfehlen ist), den Weinlagenweg folgend durch die Weinberge weiter südwärts Richtung Wahrzeichen der Bergstraße, der Starkenburg. Unterhalb des Hohberges führt der Abschnitt, nichts Böses im Sinne habend, hinauf zum Hemsberg – bis man vor ihm steht. Ein 15 Meter hoher aus Granit gebaute Turm, der Bismarckturm, sonntags bei schönem Wetter vom örtlichen Odenwaldklub bewirtschaftet. Es ist Sonntag – es ist schönes Wetter. Vor dem Turm eine Tischreihe aufgebaut nelegt von einer illustren Gesellschaft. Just zweieinhalb Kilometer nach der Kirchbergstation kommt der unverhohlene Ruf aus der Menge „Setzt Euch doch nieder“. Das Herz sagt „Ja“ – der Verstand „Nein“. Diesmal siegt das Herz. Rasch ist ein Weißbier eingeschenkt selbstredend zu wanderfreundlichen Preisen deutlich unter der 3-Euro-Marke. Nette Gespräche am Tisch – jedoch es sind noch einige Hügel und Höhenmeter bis zur Starkenburg zurückzulegen. Frisch gestärkt geht es bei bestem Wanderwetter hinunter nach Hambach und von dort hoch hinauf und immer stetig ansteigend zur Starkenburg – eine Festungsanlage mit reicher Geschichte.
Das rasche Anwachsen und der zunehmende Reichtum des benachbarten und unter dem Welterbesiegel stehende Kloster Lorsch weckte schön früher Neid und Begierde. 1065 ließ sich Erzbischof Adalbert von Bremen als Berater des noch unmündigen Königs Heinrich IV. von diesem das reiche Kloster Lorsch schenken. Der Erzbischof hatte aber nicht mit dem Widerstand des wehrhaften Abtes Udalrich gerechnet, der in aller Eile oberhalb von Heppenheim eine Befestigungsanlage, die heutige Starkenburg errichten ließ, um die Selbstständigkeit des Klosters Lorsch gegenüber den Gebietsansprüchen des Bremer Erzbischofs zu verteidigen. Lorsch ließ das Provisorium zu einer mächtigen Schutzburg ausbauen und bewirkte allein durch sein Auftreten mit 12 Hauptvasallen und 1200 Rittern auf dem Reichstag in Trebur die Rücknahme dieser Schenkung durch den König. 1232 verlor Lorsch jedoch seine Selbstständigkeit und wurde dem Mainzer Erzbischof unterstellt, der die Starkenburg aber weiter ausbauen ließ.
Das heutige Aussehen der Starkenburg, die heute eine Jugendherberge beherbergt, entspricht nicht mehr dem alten Zustand. Der ursprünglich in der Mitte der Kernburg stehende, 30 Meter hohe Bergfried, der Stärke und Macht demonstrieren sollte, wurde 1924 wegen Baufälligkeit gesprengt. Da man auf seine Symbolkraft nicht verzichten wollte, wurde er von 1927 bis 1930 an anderer Stelle wieder aufgebaut. Nur der ca. 80 m tief in den Fels gehauene Burgbrunnen im Innenhof ist noch ein Überbleibsel der historischen Burganlage. Faszinierend der Blick von der Starkenburg auf das unten liegende Heppenheim mit seiner wundervollen historischen Altstadt und dem mächtigen Dom der Bergstraße, die imposante Pfarrkirche St. Peter. Tagesziel erreicht. Inklusive Abstieg zum Bahnhof in Heppenheim durch die dortigen Weinberge sind 43 Kilometer und mehr als 1.600 Höhenmeter absolviert.
Der Trail – ein absolutes Highlight. Anspruchsvoll und erlebnisreich, faszinierende Einblicke in die geologische Struktur der Abrißkante namens Bergstraße und außergewöhnliche Ausblicke in das Rhein-Main-Neckar-Areal. Offiziell ist die zurückgelegte Tagestrecke in drei moderate Hauptetappen eingeteilt. Von Darmstadt-Eberstadt nach Seeheim-Jugenheim (13 km), von Seeheim-Jugenheim nach Bensheim-Auerbach (13 km) und von Bensheim nach Heppenheim (14 km). Jedes Etappenziel ist mit einem Bahnanschluss ausgestattet, so dass nach Belieben eine entsprechende Passage gewählt werden kann. Fortsetzung des Burgensteiges, auf die man gespannt sein darf, folgt in Kürze.
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