Altenstadt, 24. Januar 2015
Infrastrukturell hatte der Trauerzug von Bonifatius 754 n.C. keine Probleme. Der Auftrag war klar. Den von Friesen gemeuchelten heiligen Mann von Mainz nach Fulda zu überführen. Der neuzeitliche Wanderer, der sich 1.251 Jahre später auf die Pilgerstrecke des Bonifatiusweges begibt, hat sich ganz anderen Herausforderungen zu stellen. Je weiter man sich dem Nuklus von Frankfurt entfernt, desto herausfordernder die Organisation einer eintägigen Streckentour, mit inkludierter Inanspruchnahme des öffentlichen Verkehrsnetzes. Bereits hinter Glauburg-Stockheim verschwenkt die Bahn in nordwestlicher und südöstlicher Richtung. Was bleibt ist zumindest ÖPVN-logistisch eine Sahelzone – zumindest am Wochenende. Auch mit Inanspruchnahme von Anrufsammelbussen, die mindestens 60 Minuten vor den festgelegten Fahrplanzeiten telefonisch anzumelden sind, lassen sich Retouren von 40 Kilometern und mehr als Halbtagesausflüge mit mindestens drei Stunden oder mehr ausgestalten. So ist eben Planungskreativität gefragt. Mit der ersten Bahn, die immerhin schon um 7.43 Uhr (!) startete geht es von Altenstadt zunächst nach Glauburg-Stockheim. Von dort zu Fuß entlang einer Alternativstrecke nach Effolderbach. Eine freundliche Hundebesitzerin gibt die Empfehlung entlang der Nidderauen zum Kloster Konradsdorf zu gehen. Fürwahr ein guter Tipp. Das renaturierte Nidderareal hat sich zu einem wunderbaren Naturschutzgebiet entwickelt. Parallel hierzu verläuft der Vulkanradweg des Vogelbergareals. Apropos- das 2.500 qkm umfassende Gebiet ist das größte geschlossene Basaltmasiv Europas. Hier in der Wetterau flacht sich der Untere Vogelsberg deutlich ab. Analogien zur toskanischen Vulkanlandschaft sind hier ebenso erlebbar. Sanftwellige Hügellandschaften und weitreichende Panoramablicke, ein ideales Areal für ausgedehnte Wanderexkursionen.
Der Abstecher zu Klosterruine Konradsdorf lohnt allemal. Eine sehr markante dreischiffige Pfeilerbasilika mit aufwändig gearbeiteten Portalen und Fensterstürzen veranschaulichen eine interessante Gestaltungsfom der ansonst eher schlichten romanischen Bauweise Ende des 12. Jahrhunderts. Die Ruine selbst ist eingebettet in einem weitläufigen Landwirtsschaftsgehöft. Richtung Ranstadt gehend geht es hinauf zur historischen Rechten Nidderstraße. Es handelt sich hierbei um eine der historischen Handelsstraßen, die zwischen Frankfurt und Leipzig verliefen. Trotz diesiger schneefalldrohender Minimalweitsichtwetterlage kann man erahnen, welch herrliche Ausblicke man bei klarer Sicht in diesem wunderbaren Landstrich hat. Auf besten Pfaden führen die nächsten acht Kilometer zurück nach Glauburg-Glauberg. Vorbei an einer topsanierten Mühle am Ortseingang geht es durch die Gemeinde deren städtebauliches Bild von großen Wetterauer Hofreiten geprägt wird hinauf zum Glauberg. Oben eine große, fast ebene Plateaufläche, die Hänge größtenteils steil abfallen, volksmundschaftlich spricht man von „dem Gleichen“ (also einer Fläche gleicher Höhe). Geologisch besteht das Plateau Lavaströmen, die zur Zeit des Vogelsberg-Vulkanismus vor ca. 15 Mio. Jahren das ältere Gestein überdeckten. Am Glauberg entstand dabei ein charakteristischer „Tafelberg“, wie man ihn selten findet. Kein Wunder, dass sich hier in bester strategischer Lage vor über 2.500 Jahren die Kelten ansiedelten. Eine aufwändig gestaltete Keltenwelt mit rekonstruierten keltischen Fürstengrabhügel bietet Gelegenheit sich über die reiche Geschichte zu informieren.
Auch von hier aus kann man einen weitreichenden Panoramablick genießen, Sichtwetter vorausgesetzt. Auf sehr angenehmen Panoramawegen geht es, vorbeo an einen mit Aussichtsturm und voluminösen Basaltbrocken ausgestatteten markanten Haltepunkt nach Düdelsheim. Der historische Stadtkern der ehemals fränkisch annektektierten Kommune beherbegt eine stattliche Anzahl historischer wetterautypischer Fachwerksbauten. In guten alten Zeiten haben die Düdelsheimer gerne Einen gedüdelt. Seit dem 15. Jahrhundert braute man in Düdelsheim ein gehopftes Bier und betrieb Weinbau. 1695 schreibt Graf Carl August von Ysenburg-Büdingen zu Marienborn an seine Räte in Büdingen über den Düdelsheimer Wein: „Der Wein sei so rauh als er wolle, man muß ihn annehmen, wie ihn Gott gibt.“ Nur noch die Bezeichnung Braugasse in der Ortsmitte deutet heute auf die gute alte Zeit hin.
Auf wiederum herrlichen Pfaden geht weiter nach Himbach, wo eine Vielzahl sanierter und restaurierter Fachwerkhäuser das Ortsbild der Kommune prägen. Weiter führt der Weg via Rommelshausen ein weiterer Ortsteil von Limeshain. Entlang der alten Grenze, dort wo der Limes das Römische Reich von Germanien trennte, geht es zurück nach Altenstadt. Sehenswert sind die schönen Fachwerksbauten im Ortskern. Besonders auffällig der mit Schießscharten ausgestattete Kirchturm, der im Mittelalter ein elementarer Bestandsteil der Ortsbefestigung war. Zum Wanderabschluss ein kurzer Besuch des Kloster Engelthals, dort wo seit 52 Jahren Benediktinerinnen das einzig bewirtschaftete Kloster auf der Bonifatiusroute betreiben. Gerne werden auch Gäste in einem Gästehaus aufgenommen. Seminarveranstaltungen bieten darüber hinaus die Möglichkeit der inneren Einkehr. Im angeschlossenen Klosterladen fällt ein Büchlein über eine deutsche Jakobsroute von der Fulda zum Main in das Auge. Dankbarer Stoff für ein kommendes Wanderprojekt.
Auch wenn die Sicht eingetrübt war, die Route selbst, 33 entspannte Kilometer mit nicht spürbaren 740 Höhenmetern. Alles in allem eine außergewöhnlich sehr zu empfehlende Strecke – gangbar zu jeder Jahreszeit.
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