Hirschhorn, den 28. Februar 2016
Vom Neckar in den Kraichgau, von Hirschhorn nach Sinsheim oder vom Neckar zur Elsenz, durchaus variationsreich lässt sich die vierte Etappe des Hauptwanderweges Nr. 19 des Odenwaldklubs beschreiben, der von Offenbach am Main auf 151 Kilometern in das Baden-Württembergische Eppingen führt. Der Name Kraichgau geht mutmaßlich auf das keltische Wort „creuch“ zurück und steht für Lehm und Schlamm und gilt als eines der ältesten Kulturräume Europas, denn hier fand man Reste des „Homo heidelbergensis“ einem dem ältesten Vertreter unserer Gattung. Geologisch ist der Kraichgau eine tiefe Mulde die sich ausbildete, als der Oberrheingraben sich vor 65 Millionen Jahren absenkte , und die Mittelgebirgszüge von Schwarzwald und Odenwald entstanden.
Gestartet wird im südlichsten Teil Hessen, in Hirschhorn, gerne auch als Perle des Neckartals bezeichnet. Die Schokoladenseite des Neckarstädtchens offenbart sich vom östlichen Neckarufer mit Blick auf die historische Altstadt und der markanten Burganlage. Vom Bahnhof aus wird zunächst die historische Altstadt durchquert. Mächtige Fachwerkbauten, historische Stadtmauern und stattliche Sakralbauten täuschen darüber hinweg, dass die Stadt in der mittelalterlichen Historie mehrfachst schwerstens in Mitleidenschaft gezogen wurde.(Stadtbrand und Hochwasser mit Eisgang im 16. Jahrhundert , Niederlegungen im Dreißigjährigen Krieg).
Der Wandermarkierung, dem blauen Quadrat auf weißem Spiegel folgend, geht es zunächst über den markantesten neuzeitlichen Bau, der Neckarstaustufe, die hier seit 1933 in Betrieb ist. Immerhin 6000 Güterschiffe passieren jährlich diese Schleuse. Steil hinauf auf über 500 Höhenmeter geht es die nächsten drei Kilometer hinauf zum Hirschhorner Hals, der markanten Einbuchtung der hier befindlichen Neckarschleife. Durch den baumreichen Mischwald geht es entlang des Waldpfades Hirschhorner Straße zum Rastpunkt „Im Höchsten“ Mächtig und kühl die Ostbrise, die über das Hochplateau vor dem Weiler Haag fegt. Von weitem erkennbar, der 626 Meter hohe Katzenbuckel, die höchste Erhebung des Odenwaldes. Auf gut gangbaren Wanderwegen geht es durch Haag nach Reichartshausen, in beiden Fällen unspektakuläre Gemeinden ohne nennenswerte kulturhistorische Hinterlassenschaften, die einer besonderen Erwähnung bedürften. Augenfällig ist die Erkenntnis, daß es sich hier um eine wasserreiche Region handelt, mit einem hohen Streuobstwiesenanteil. Nicht umsonst gibt es hier auch entsprechende Rad- und Wanderwege, die als „Brunnenweg“ ausgwiesen sind. Bemerkenswert auch die sanfthügelige Landschaft des Kleinen Odenwaldes mit weiten wohlgefälligen Ausblicken als Pendant zum schrofferen Odenwald, der aber nicht minder schön ist. Nicht umsonst wird der Kraichgau auch als Toskana von Baden Württemberg bezeichnet.
Mit weitreichenden Ausblicken geht es weiter in das vier Kilometer entfernte Helmstadt. Einschlägige Wanderführer preisen hier das Wasserschloß und die spätgotischen Grabplatten in der Dorfkirche an. In beiden Fällen eine Enttäuschung. Auch sonntags ist die Kirche verschlossen, der Gang zum am Ortsrand gelegenen „Wasserschloß“ eine herbe Enttäuschung. Das Wasserschloß wurde 1694 zerstört, heute findet man einen unspektakulären Spargelhof vor. Einzig der in der Hofmitte befindliche Ziehbrunnen aus dem Jahre 1510 erinnert an die Wasserschloßzeiten. Ebenso enttäuschend die Erkenntnis, dass das einzige Gasthaus in der Gemeinde geschlosssen ist. So verschiebt sich die Mittagsrast um weitere sechs Kilometer in das benachbarte Neckarbischofsheim.
Schon vom weitem sichtbar der „Hohe Turm“ ein markanter und ungewöhnliche fünfeckig ausgebildeter Wehrturm mit Fachwerkaufsatz. Wohlgefällig anzusehen, wenn auch verschlossen die baulich opulent gestaltete Kirche St. Salvator und das gegenüberliegende Alte Schloß nebst Schloßpark. Nachweislich residierte auch der berühmtberüchtige Feldherr Tilly während des dreißigjährigen Krieges in Neckarbischofsheim. Durch das Prachttor im Schloßpark geht es in südlicher Richtung weiter in das zehn Kilometer entfernte Sinsheim an der Elsenz.
Reich ist die Geschichte dieser 35.000 Einwohner zählenden Kreisstadt. Hier fand man den Unterkiefer des legendären „Homo heidelbergensis“, hier legten die Kelten einen Ringwall an, hier vielen die Römer ein, hier vertrieben wiederum die Alemannen die Römer um dann anschließend an die Franken als Herren des Gebietes abzugeben. Zahlreiche historische Bauten legen Zeugnis ab, welch reiche Geschichte mit Sinsheim verbunden ist. Heutzutage verbindet man Sinsheim vornehmlich mit dem Auto- und Technikmuseum und dem Bundesligaverein Hoffenheim. In der Fußgängerzone kreuzt der Hauptwanderweg Nr. 15, der Main-Stromberg-Weg den aktuellen Wanderweg. Während der eine Weg in das zwanzig Kilometer entfernte Eppingen führt, führt der Andere in das 20 Kilometer entfernte Sternberg. Wanderalternativen gibt es hier im Kraichgau zur Genüge. Nach 36 Kilometern und 715 Höhenmetern geht es via Bahn zurück zum Ausgangsort Hirschhorn. Sicher ist, dass zur Blütezeit dieser Wanderabschnitt besonders prachtvoll sein muß.
Schade, daß die Inschrift des Brunnenrelikts vom alten Wasserschloß niemand übersetzt hat. Es wäre doch interessant, von wann diese Schrift ist und was sie besagt.