Rein in den Winter – Rhein im Winter

Schlangenbad, der 21. Dezember 2025 – Wintersonnenwende – just der geeignete Zeitpunkt mit einem neuen Wanderprojekt zu starten. Der Rheinsteig, einer der bekanntesten und schönsten Fernwanderwege unseres Landes. Was weniger bekannt ist: der Rheinsteig ist zwölf Monate im Jahr geöffnet. Von Januar bis Dezember. So ist man landläufig der Meinung dass ein Fernwanderweg eher ein saisonales Produkt ist, verfügbar von Frühling bis Herbst. Jedoch es gibt gute Gründe solch ein Vorhaben im Winter anzugehen. Die Bäume sind laubfrei und Sichtachsen öffnen sich an Stellen, die im Sommer komplett zugewachsen sind. Die skelettierte Landschaft im Winter ermöglicht Einblicke in die Natur- und Kulturlandschaft, wie man sie in dieser Prägnanz in anderen Jahreszeiten nicht wahrnehmen kann.

Vorgesehen ist die winterliche Rheinsteigexkursion von Nord nach Süd, also von Bonn bis nach Wiesbaden anzugehen. Aus “naheliegenden” Gründen wurde als Auftakt just zum Winteranfang die “letzte” Etappe von Schlangenbad bis nach Wiesbaden als Prolog der besonderen Art vorgezogen.

Gerade einmal 940 Seelen wohnen im Kurort Schlangenbad, nach offzieller Leseart Startpunkt der 21. Rheinsteigsetappe. Bereits vor dreihundert Jahren kurten hier dank Thermalquellen Gäste von europäischen Königshäusern bis hin zur russischen Zarin, für die sogar ein Teehaus errichtet wurde. Dank dem gemäßigten Klima in diesem Abschnitt des Unteren Taunus konnte sich hier sogar eine Äskulapnatterpopulation ansiedeln, eine der wenigen in Europa, die am langen Ende auch zur Namensgebung des Kurortes führte.

Keep it simpel. Während andere Kommunen aufwändig gewaltige Weihnachtsbäume für die Marktplätze herankarren, drapiert man in Schlangenbad den 34 Meter hohen Mammutbaum, der im Kurpark steht, mit einer Lichterkette. Fertig ist der Weihnachtszauber
Für die restliche Illuminierung wird an diesem Tag von oben gesorgt
Die Kurkolonnaden – der offizielle Startpunkt in Schglangenbad
Eine Hommage an den Namensgeber Schlangenbads
Faktencheck: der kürzeste Tag des Jahres
Zahlreiche Kulturdenkmäler prägen das Ortsbild von Schlangenbad
8.000 Markierungkennzeichen und 900 Wegweiser sind auf dem 320 Kilometer langen Rheinsteig angebracht. Die Kennzeichnungsqualität ist hoch. Verlaufen ist nahezu unmöglich

Vom Kurpark verzieht sich der Rheinsteig südwärts und schlängelt sich im Stil einer Äskulapnatter vorbei am benachbarten Georgenbrunn und dem Wiesbadener Bestattungswald, bevor es über den Schlangenpfad nach Frauenstein geht. Wenn man hier unterwegs ist, so verdeutlicht sich auch die Philosophie die der Planung des Rheinsteigs vor genau zwanzig Jahren zugrunde gelegen wurde: Schmale Pfade und naturbelassene Erdwege haben Priorität, ein gewundener Streckenverlauf wurde bevorzugt, das hochgelegene Rheinumfeld wurde bevorzugt, ergo nicht direkt am Rheinufer, aber auch nicht zu weit östlich des Rheins, und nicht die kürzeste Distanz sondern der attraktivste Weg wurde als Richtschnur herangezogen.

Entlang des Weges ziehen sich sogenannte Härtlingszüge hoch. Dabei handelt es sich um knorrig wirkende Quarzfelsen die von der Verwitterung verschont wurden
Braune Blattrestanten die vom Morgenrot beeindruckend in Szenen gesetzt werden
Auch ohne Eis und Schnee ein beeindruckender Start in den ersten Wintertag
Einzig das Moos hält wacker die Stellung und sorgt für einen stimmungsvollen farblichen Akzent
Vorbei am Naturdenkmal Grauer Stein – ein beliebtes Areal für ambitionierte Klettersportler
Brandneu und clever konzipiert ist das Konzept im Naturpark Taunus. Mit dem Konzept “Wandern nach Zahlen” hat man 2.300 Kilometer Wanderwege über Knotenpunkte verbunden. Das Netz ist noch im Aufbau und über ein Online-Tourenportal kann man wanderbare Strecken planen
Wenn Fels und Baum harmonieren
Die Überreste des 2009 gefällten Monstranzenbaumes, dort wo die Abtissin des Klosters Tiefenthal eine Monstranz vergrub um sie vor mittelalterlichen Plünderern zu schützen. Der Baum, den die Äbtissin auf dem Kirchenschatz pflanzte, wuchs in der Form einer Monstranz heran
Na – dann mal schön weiter auf leisen Sohlen….
…um nebenan am Rande des Ruhewaldes eine Runde Mühle zu spielen……
Ein- und Ausblicke die man nur in dieser Jahreszeit ernten kann
Und hier am Schlangenpfad hat man zu wärmeren Jahreszeiten gute Chancen auf Äskulapnattern zu treffen
Am Ortsrand von Frauenstein erreicht man das erste Winzergehöft
Blick hinab zum Rhein, dort wo Schierstein auf der einen Seite und Mainz Mombach auf der anderen Seite auszumachen ist. Und am fernen Horizont kann man sogar den fünfzig Luftlinienkilometer entfernten Melibokus im Odenwald lokalisieren

Bei Wiesbaden-Frauenstein steigt man ein in den hier bereits seit dem 12. Jahrhundert kultivierten Weinanbau. Sechshundert Jahre später stattete der große Dichter Goethe der Region einen Besuch ab und war, so hatte er in seinem Tagebuch niedergelegt, begeistert von der Aussicht. So erinnert heute der Goethestein oberhalb von Frauenstein an den Besuch des trinkfesten Poeten. Man wandert weiter durch das Weinbergsareal zum Nürnberger Hof, dort wo nachweislich der Dichter einkehrte um anschließend abwärts wandernd Schierstein zu erreichen. Wiesbadener Marketingstrategen hauen kräftig auf den Putz, denn sie verklären den Wiesbadener Ortsteil mit den kernigen Aussagen wie “Die Uferpromenade, umgeben von Yachten und Segelbooten, verleiht dem Stadtteil ein unverwechselbares, mediterranes Flair.” Unsinnigerweise haben die Gestalter des Rheinsteigs den Weg entlang der Südflanke des Schiersteiner Hafens gelegt. Besser ist es die nördliche Hafenstraße zu nutzen, denn hier ist es sonniger, die Ausblicke sind besser und man hat sogar die Chance auch im Winter in der ortsansässigen Gastro einzukehren.

Blick hinüber auf den Goethestein, der sich gegenüber auf der anderen Seite von Frauenstein befindet
In gut gangbaren Schleifen zieht sich der Rheinsteig von Frauenstein hinauf…
….vorbei an den Trockensteinmauern, die dieses Weinanbaugebiet prägen….
..hinauf zum Goethestein – oder besser Goethepyramide, dort wo der Meister vor 210 Jahren selbst in das Rheintal und nebenan im Nürnberger Hof in das Glas blickte
Kein Hubschrauberlandeplatz
Als Goethe den Nürnberger Hof besuchte stand dieses Fachwerk schon – im Gegensatz zur unterhalb angebrachten Schildersammlung
Winterpause im Weinberg
Blick hinauf zur Apfelweinstube Himmelreich
1888 entdeckte man in Schierstein diese römische Jupitersäule aus dem Jahre 221
“Die Schiersteiner Riviera. Noch ein Glas kühler Weißwein oder ein köstliches Eis in der Hand, und ja, man fühlt sich auch mitten in Hessen wie im Hafen von St. Tropez.”. Schon peinlich in welcher Tonlage die Wiesbadener Marketing GmbH den Schiersteiner Hafen verklärt
Jedoch pragmatisch betrachtet handelt es sich um einen stinknormaler Rheinhafen, an dem man sich zu einer Brotzeit niederlassen kann..
..um im Anschluß bei dieser Wetterlage nebenan in der Rhein-Lounge einen Rheingauer Riesling und die Wintersonne zu genießen…
Fehlen nur noch die Luxusjachten – dann wäre das St.Tropez-Feeling komplett…

Vom Schiersteiner Hafenbecken führt der Rheinsteig unterhalb der Schiersteiner Brücke durch die Rheinwiesen entlang der platanenbestückten Hafenstraße zur guten Stube von Wiesbaden, dem Schloß Biebrich. Wohlgefällig ist das Areal rund um das Schloß gestaltet. Auch der angegliederte Schloßpark der 1708 zunächst als Barockgarten angelegt wurde, und jährlich Schauplatz eines internationalen Reitturniers ist, gehört zu den sehensnwerten Ecken der hessischen Landeshauptstadt. Hier endet auch offziell der Rheinsteig. So ausgezeichnet auch die Beschilderung des Rheinsteigs ist, schwach ist der Abgang. Dort wo, je nach Marschrichtung, der Rheinsteig endet oder beginnt, wäre es angebracht eine Informationstafel nebst Routenübersicht des kompletten Rheinsteigs anzubringen. Jedoch ist es scheinbar dem Wiesbadener Adel, der auf dem Niveau von St. Tropez wandelt, vor der Kulisse des feinen Schlosses nicht zuzumuten, mit solch einer profanen Hinweistafel das wohlgefällige Gesamtensemble zu verunzieren, zudem auch das Landesamt für Denkmalpflege im Schloß Biebrich residiert.

Ein schönes Naherholungsgebiet. Die Rheinwiesen zwischen Schierstein und Biebrich
Der größte Stadtteil Wiesbadens….
…..und einer der wichtigsten Flußverkehrsachsen Deutschlands
Der internationale Flair ist auch am Rheinstrand sichtbar, dort wo von Asien eingeschleppte Muscheln heimisch geworden sind
Schloß Biebrich. Fürwahr die gute Stube Wiesbadens
Fast wie in St. Tropez. In Wiesbaden verdeutlicht sich einmal mehr, dass man hier ein besonderes Niveau pflegt
Einstieg oder Ausstieg am Rheinsteig. Schloß Biebrich bei Rheinkilometer 503
Profan der Start/Endpunkt des Rheinsteigs. Markierungskennzeichen No. 1 bzw. No. 8000

Von Schloß-Biebrich wandert man quer durch den dahinterliegenden Schloßpark, vorbei an der Mosburg, einer künstlichen Schloßruine, und dem Henkellpark, der nach der gleichnamigen gegenüberliegenden bekannten Sektkellerei benannt wurde, durch die Biebricher Allee, dort wo im 19. Jahrhundert opulente Villen errichtet wurden, zum Wiesbadener Hauptbahnhof. Hier wird im Stundentakt die Busstrecke zurück nach Schlangebad bedient. Der Prolog des Rheinsteigs ein gelungener und stimmungsvoller Auftakt über insgesamt 23 Kilometer mit übersichtlichen 400 Höhenmetern. Mehr vom Rheinsteig demnächst, wenn es zum winterlichen Einstieg am anderen Ende des Weges in Bonn kommt.

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