Nördlinger Ries – 07. August 2022 – Noch fixieren Schraubzwingen, die emsige Mitarbeiter des regionalen Bauhofes just 48 Stunden vor Wanderstart angebracht haben, die großflächige Informationstafel am offiziellen Startort der ersten Etappe unterhalb der mächtigen Burganlage Harburg, die über die gleichnamige schwäbische Stadt als weithin sichtbare Landmarke thront. 128 Kilometer mit 2.500 Höhenmeter aufgedröselt in sieben offizielle Etappen, so die Eckwerte des außergewöhnlichen Wanderweges, der rund um den äußeren Meteoritenkraterrand verläuft, dort wo vor 14,5 Millionen Jahren ein Asteroid mit einem Durchmesser von einem Kilometer mit einer Geschwindigkeit von 70.000 Stundenkilometer einschlug.
Die Himmelsbombe formte einen Krater mit einem Durchmesser von 24 Kilometern aus. Wo sich heute Nürnberg befindet entstand nach dem Impakt ein See. Gesteinsbrocken wurden bis nach Böhmen und Mähren geschleudert. Die thermische Strahlung reichte bis in das heutige Gebiet von München und Stuttgart. Nach wissenschaftlichen Berechnungen muss noch 17 Stunden später auf der gegenüberliegenden Seite der Erdkugel der Aufprall (von wem auch immer) noch als dumpfes Grollen zu hören gewesen sein. Übrigens konnten erst 1960 amerikanische Geologen nachweisen, dass das Ries durch einen Asteroideneinschlag entstanden ist. Bis dahin glaubte man, dass sich das Areal durch vulkanische Aktivitäten herausbildete.
Spannend also die Entstehungsgeschichte der Landschaft, verlockend die Konzeptionierung des neuen Wanderweges und inspirierend die Ausblicke in das Fenster der Erdgeschichte – daher Grund genug sich dieser Herausforderung in drei langstreckentauglichen Tagestouren zu stellen.
Von Harburg (Schwaben) nach Oettingen
Gestartet wird unterhalb der mächtigen Burg Harburg, dort wo sich ein kostenfreier Parkplatz befindet und dort wo offiziell die erste Etappe des Ries-Panoramaweges beginnt. Wenn man frühmorgens zu einer vierzig Kilometer langen Tour aufbricht, besteht zunächst wenig Motivation zu einer ausgedehnten Burgbesichtigung, denn im Vordergrund steht die Entdeckung des Landschaftsraumes im Gesamten. So geht es einmal rund um die Burganlage, der offiziellen Wegweisung folgend hinab nach Harburg. Die schwäbische Stadt ist eine sehr zu empfehlende Station, entlang der Romantischen Straße zwischen Würzburg und Füssen. Nördlich von Harburg quert man vor dem Stadtteil Ronheim den größten Fluss des Rieses, die Wörnitz, um im Anschluss durch einen schattenspendenden Waldabschnitt hinauf zur ersten spektakulären Aussichtsplattform, dem 533 Meter hohen Mähhorn zu wandern.
Der Weg hält was er verspricht – Panoramablicke satt. In einem munteren auf und ab wandert man vorbei an Gonsheim den Waldabschnitt Schwalbenholz querend und den Steinbruch Eireiner passierend, um nach 18 Kilometern das schmucke Wemding zu erreichen, dort wo man sich am sehenswerten Marktplatz zu einer Brotzeit niederlassen kann und sollte.
Nach der Rast ist vor der Rast. Von Wemding aus wandert man hinauf zur Wallfahrtsbasilika Maria Brünnlein zum Trost die die legendäre Marienstatue, an der schon Augenwenden beobachtet wurden, beherbergt. An den Hängen des Kraterrandes vorbei wandert man durch die großflächige Agrarlandschaft zum markanten Aussichtspunkt Hessenbühl, dort wo wiederum eine Panoramakarte als Orientierungshilfe über das Nördlinger Ries genutzt werden kann. Bereits von hier aus kann man das noch achtzehn Kilometer entfernte Tagesziel, Oettingen, lokalisieren.
Von Oettingen nach Kirchheim am Ries
Bierstadt, Storchenstadt, Fürstenstadt, Jakobusstadt – es würde den Rahmen dieses Wanderberichtes sprengen sich im Detail mit Oettingen zu beschäftigen. Allemal ist es lohnenswert die Stadt zu besuchen – jedoch im Fokus steht der Ries-Panoramawerg. Dieser 44 Kilometer lange Abschnitt ist geprägt durch zahlreiche sakrale Stätten und weitläufigen Agrarflächen. Waldabschnitte sind an diesem Wandertag nur punktuell eingestreut und man ist gut beraten den Proviant für die Gesamtstrecke mitzuführen, denn Einkehrmöglichkeiten sind in dieser ländlichen Struktur kaum vorhanden, und wenn, dann in der Regel tagsüber geschlossen oder mit einem Ruhetag belegt. Zwar sind in der 52-Seelen-Gemeinde Raustetten mehrere Gaststätten vertreten, wer jedoch bereits nach Sonnenaufgang in Oettingen startet braucht nicht wirklich darauf hoffen zu früher Stunde Einlass zu erhalten. So gilt nicht immer die Erkenntnis, dass der frühe Vogel den Wurm fängt…. Lediglich ein Edeka-Laden in Fremdlingen kann als Nachfüllstation eingeplant werden. Im ersten Abschnitt (offiziell die dritte Etappe ) zwischen Oettingen und Fremdlingen halten sich die Ries-Panoramablicke zunächst in Grenzen. Einzig am Roßfeld, am nördlichen Rand von Oettingen gelegen, und nachfolgend an der Bergkirche von Ehingen eröffnen sich die gewohnten Blickachsen in das Ries. Ansonsten dominieren die Weiten der hügeligen Agrarlandschaft, was der Streckenführung aber keineswegs abträglich ist.
Hinter dem Weiler Enslingen eröffnen sich neue spannende Sichtachsen. Man wechselt das Bundesland – von Bayern geht es nach Baden Württemberg. Vorbei an zwei Kapellen wandernd rücken zwei markante Hügel immer näher. Der imposante Ipf einerseits und der gegenüberliegende Blasienberg andererseits. Jedoch die Kilometer strecken sich. Hügel um Hügel, Schleife um Schleife. Man genießt die Stille der Landschaft – scheinbar herrscht hier ewige Ruhe. Hinter Unterwilfingen umrundet man den Heimischberg und schwenkt hinter Wössingen in die Schneidheimer Sechta ein, dort wo man in einem Naturschutzgebiet Auerochsen angesiedelt hat.
Die Schlußrunde – ein Highlight des Tages. Vorbei am NSG Schneidheimer Sechta dominiert auf den nächsten Kilometern der imposante 668 Meter hohe Tafelberg namens Ipf. Einst war der imposante Hügel befestigt. So sollen bereits die Kelten hier einen Fürstensitz eingerichtet haben. Vor dem Ipf verschwenkt der Ries-Panoramaweg und führt in einer bemerkenswerten Schleife hinauf zum Blasienberg. Hier oben kann man eine faszinierende Panorama-Rundumsicht um das Kraterareal genießen, bevor es abwärts gen Kirchheim am Ries geht, die Übernachtungsstation dieser eindrucksvollen Tagesetappe.
Von Kirchheim am Ries nach Harburg
Finaltag. Die dritte Tour deckend die offiziellen Etappen 5,6 und 7 führt von der Klosterstadt Kirchheim zurück zur Burgenstadt Harburg. Offiziell wären 47 Kilometer einzupreisen, final wurden es, da geringfügig streckenoptimiert, 44 Kilometer. Analog der beiden vorhergehenden Touren führen die ersten Tageskilometer aufwärts zum ersten markanten Aussichtspunkt des Tages. Den Gang hinauf zum Langenberg kann man sich getrost schenken, denn wesentlich interessanter ist der benachbarte Goldberg. Die felsige Gebirgskette wölbt sich L-förmig von Nord nach Südost und ermöglicht weitreichende Blicke – gefühlt bis zum Randgebiet des Naturparks Altmühltal. Waldlos geht es abwärts nach Trochtelfingen und weiterführend zum Etappenendziel der Tour No 5 nach Utzmemmingen. Ein angedachter Versorgungsstopp beim hier ansässigen Bäcker fällt leider aus – der Laden krankheitsbedingt geschlossen. Wenn man in ländlichen Gefilden unterwegs ist, muss man sich eben generell darauf einstellen, die gesamte Verpflegung nebst Getränkevorrat im Rucksack zu haben.
Nach einem kurzen Steilanstieg führt die Rosenstraße hinauf zum Riegelberg eines der geologischen Hotspots der gesamten Strecke und eine Fundgrube für erdgeschichtlich Interessierte. Hier quert man öfters die Landesgrenzen und wandert auf einem Panoramahöhenweg am gegenüberliegenden Plateau weiter. Man stößt hier auch auf den 25 Kilometer langen Schwedenweg, der an eine der gewaltigsten Schlachten des 30jährigen Krieges erinnert. Mehr als 50.000 Soldaten standen sich hier 1634 gegenüber – eine bedeutende Schlacht die die Beendigung der schwedischen Machtstellung in dem Religionskrieg einleitete.
Auf schönen Wegen geht es durch einen kleinen Waldabschnitt hinauf zur Burgruine Niederhaus, einer ehemaligen Stauferburg, bevor man am bewaldeten Kraterland auf den nächsten zehn Kilometern bis nach Mönchsdeggingen wandert. Auch in Mönchsdeggingen, dort wo eine mächtige Klosteranlage steht, herrscht Verpflegungsnotstand. Einst waren hier sechs Gasthäuser ansässig, heute haben die beiden letzten Wirtschaften aktuell geschlossen, ebenso der Dorfkramer der Anfang dieses Jahres die Türe für immer verriegelte.
Der Schlußspurt – die siebte Etappe, wandertechnisch gesehen zunächst eine sieben Kilometer lange inspirationslose Waldstrecke. Motivierend hingegen ist die Zielmarke bei Kilometer 124, dort wo die herrliche Waldschenke Eisbrunn mit einem prächtigen Biergarten einen würdigen und finalen Abschluss dieser Wanderexkursion verspricht. Jedoch an diesem Tage gelten offensichtlich die Spielregeln von Murphy,s Gesetz: die Tränke hat geschlossen, Ruhetag ist angesagt. So geht es alternativlos, mit geballter Faust in der Hosentasche, zum letzten Anstieg der gesamten Passage, dem 572 Meter hohen Bockberg, der nochmals neue aber auch altbekannte Sichten auf das Nördlinger Ries eröffnet. Nach weiteren zwei Kilometern ist die Rundwanderung abgeschlossen, der ursprüngliche Startpunkt, der untere Parkplatz der Burg Harburg ist wieder erreicht.
Der Ries-Panoramaweg im Wandercheck. Offiziell ist geplant den neuen Wanderweg im Herbst dieses Jahres einzuweihen. Obschon punktuell noch einige Wegekennzeichen fehlen, wanderbar ist die Gesamtstrecke schon heute und das allemal wunderbar. Auch wenn infrastrukturell der Themenweg nicht als normierter Premiumwanderweg zertifiziert und “upgegradet” werden kann, (was keineswegs nötig ist!), der Ries-Panoramaweg ist ein außergewöhnlicher Wanderweg mit einem weltweiten Alleinstellungsmerkmal, der hochgradig zu empfehlen ist, vor allem für diejenigen die die Muse haben einen geologischen Raum in einer landwirtschaftlich geprägten Fläche der besonderen Art in seiner Gesamtheit entdecken zu wollen. Sehenswerte Ortschaften bereichern dabei dieses Wanderangebot. Wer die Region eher in konzentrierter Form entdecken möchte, kann ebenso auf das vielfältige Angebot der bereits bestehenden Themenwege zurückzugreifen. Allerdings – wer die gewaltige Dimension der Kraterausbildung wirklich entdecken und begreifen möchte, der sollte seine Wanderstiefel schüren und den Rucksack packen – ob für drei oder sieben Touren – je nach Lust und Laune.
Hinterlasse jetzt einen Kommentar