Main stromaufwärts -Mainviereck

Aschaffenburg, den 02. Januar 2021 – Das Mainviereck. ein neuer Abschnitt der Mainpassage von der Mündung bis zur Quelle, beschreibt die Eckpunkte des nach Norden offenen Vierecks, bestehend aus den Städten Aschaffenburg, Miltenberg, Wertheim und Gemünden. Gestartet wird an der Willigesbrücke, dem westlichen Einfallstor von Aschaffenburg, dort wo im Regelfall südhessische Durchreisende die zweitgrößte unterfränkische Stadt erreichen. Scheinbar sind mittlerweile auch im nordwestlichsten Zipfel Bayerns Sparmaßnahmen angesagt. Zwei Stunden vor Sonnenaufgang ist die Anleuchtung das stattlichen Aschaffenburger Schloßes ausgeschaltet, was einzig durch die seuchenbedingt nächtliche Ausgangssperre vertretbar erscheint. Unwirklich still und ausgestorben das städtische Szenerio in der 30. Stunde des neues Jahres. Kein Lüftchen geht, selbst das Mainwasser scheint zu stehen, weder Jogger noch Hundebesitzer sind zu sichten. Scheinbar geht hier das Mythos der geheimnisvollsten Zeit des Jahres, der Rauhnächte, um, wo man, wenn man an zahlreiche Mythen und Sagen glaubt, es tunlichst unterlassen sollte in der Zeit vom 24. Dezember bis 6. Januar des nachtens vor die Türe zu gehen.

Notbeleuchtung am Aschaffenburger Schloß..
..und die Arche Noah, ein beliebtes Aschaffenburger Restaurant- und Barschiff dümpelt wie verloren am südlichen Mainkai vor sich hin
Die Aschaffenburger Eintrittspforte an der Löherstraße – ausgestorben
Bestes Rauhnachtfeeling: Apokalyptische Grundstimmung an der Nilkheimer Mainbrücke

Hinter der Nilkheimer Mainbrücke geht der Bodenbelag in schlammbelegte unbeleuchtete Wiesenpfade über – ein perfektes Nachtmarschfeeling zum Jahresanfang. Und wenn man sich noch diszipliniert die Stirnlampe auszulassen, dann wird man überrascht, welches Sehvermögen das menschliche Auge auch bei Dunkelheit entwickelt. Vorbei geht es an der Staustufe Obernau und dem gleichnamigen Aschaffenburger Ortsteil. Dem mäandernden Main folgend, ist nach neun Kilometern Sulzbach am Main erreicht. Sulzbach gehört, genauso wie das gegenüberliegende Niedernberg, bereits zum Kreis Miltenberg. Witzigerweise verläuft die Grenze des Naturparks Spessarts genau in der Mitte des Mains zwischen den beiden Kommunen, geologisch jedoch bohrt sich hier sogar der Odenwald noch unter den Main und setzt eine buntsandsteingeprägte Allianz mit dem Spessart fort.

Die Mainsilhouette von Niedernberg – stimmungsangepasst auf die Umrisse dezimiert. Jahrhundertelang verband hier eine Fähre den Spessart mit dem Odenwald. Seit 2001 sichert eine benachbarte Brücke den grenzüberschreitenden Verkehrsfluß
Obschon tiefstes Franken – auch hier gilt offenkundig: ” Extra Bavariam nulla vitaet si vitanon est ita ” ( Außerhalb von Bayern gibt’s kein Leben. Und wenn doch, dann kein solches)

Zwischen Sulzbach und Kleinwallstadt kann man auf einem 82 Hektar großen Areal den bedeutensten Rest naturnaher Auen des bayrischen Untermains ergründen. Steinkäuze nisten hier, der Eisvogel hat hier sein Jagdrevier und Schilf in den immer wieder überschwemmten Bereichen bietet der Fauna eine optimale Rückzugsmöglichkeit. An der schwungvoll über den Main geschlagenen blauen Roland-Schwing-Brücke geht es hinüber auf die andere Mainuferseite um den Mainverlauf am Großwallstädter Ufer in südlicher Richtung zu folgen. Man ist hier durchaus überrascht. Wenn man entlang des Langen Handtuchs, so die landläufige Bezeichnung der hinter Großwallstadt schnurgeraden B469 entlang fährt, dominieren Industriebauten das Landschaftspanorama. Wandert man jedoch am Mainufer entlang, beeindruckt jedoch das wohlgefällige Uferpanorama Großwallstadts, die Stadt, die in den siebziger Jahren überregional auch als Deutsche Handballhauptstadt einen guten Ruf genoß.

Hinein in die Mainauen hinter Sulzbach
Schwungvoll schwingt die nach Landrat Schwing benannte Brücke über den Main
Stilvolle Grenzmarkierung im Unterfränkischen
Main-Sandbuchten bei Großwallstadt
Pandemiegetriebene beschäftigungstherapeutische Arbeitsergebnisse, ausgestellt am Mainufer
Spätestens dort, wo sich Zwiebeltürme häufen, beginnt der Süden

Richtung Obernburg/Elsenfeld ist Kanalwandern angesagt. Schnurgerade zieht sich der Main an dem hier zwischen Bundesstraße und Bahnstrecke eingehausten Flußbett. Wasserstraßenbau versus Naturschutz – ein ewiger nicht aufzulösender Konflikt. Nach zwanzig Kilometern ist der Wendepunkt dieser Mainrunde, Obernburg/Elsenfeld, erreicht. Die römisch geprägte Stadt Obernburg, zumindest an diesem Tage rechts liegend lassend, geht es zunächst dem Mainufer folgend zurück auf asphaltlosen Strecken nach Kleinwallstadt um auf dem hier einsetzenden offiziellen Mainwanderweg die ersten Anhöhen des Spessarts zu erklimmen.

(Größen)wahn im fortgeschrittenen Stadium. Ausschilderungen im autobahntauglichen Format sind in Großwallstadt offensichtlich Standard
Kerzengerade wie der Nord-Ostseekanal zieht sich der Main gen Obernburg
Wintertauglich zurechtgestutzt
Die Schlote der Glanzstoffwerke Obernburg – in den 70er Jahren noch Weltmarktführer in der Branche
Entlang des veralgten Neuen Grabens geht es nach Kleinwallstadt
Was die Musclebeach in Los Angeles – ist der bizepsstählende Parkur am Mainufer

Am östlichen Ende von Kleinwallstadt schlängelt sich der Mainwanderweg hinauf zum 275 Meter hohen Plattenberg, der einen exzellenten Ruf als biologische Schatzkammer genießt. Botaniker aus dem ganzen Bundesgebiet reisen hierher, um hier sieben blühende Orchideenarten zu bewundern. Jedoch auch außerhalb der Blütezeit begeistern hier weitreichende Blicke über die gesamte Region bis hinüber zum Taunus. Weiter hinauf geht es, vorbei an der Wallstädter Christkönigskapelle, hinüber zum weitläufigen Pferdegehöft, dem Schweizerhof, der am Rande von Dornau liegt. Daß der Spesssart, wenn man gegen den Kamm läuft, sehr hügelig ausfällt, erfährt man spätestens, wenn es steil abwärts nach Sulzbach geht. Hinauf zur Gegenflanke führt die Passage durch den Obernauer Wald zur Kapelle “Maria Frieden”. Gefühlt reiht sich hier Kreuzweg an Kreuzweg – ein Beleg einer ausgepägt katholischen Region.

Wer seine Pumpe aktivieren will, sollte einen der hügeligen Herzwege folgen
Aber auch der Mainwanderweg beschleunigt in diesem Abschnitt den Puls
Plattenberg geologisch, klimatisch und botanisch ein spannendes Gebiet
..und zudem aussichtsreich, mit Blick auf den partiell schneebedeckten Feldberg im gegenüberliegenden Taunus. Im oberhalb der blauen Brücke errichten Industriekomplex ist übrigens die Deutschlandzentrale der DEPOT-Handelskette angesiedelt
Drei Fliegen mit einer Klappe: Ein Ort zur Einkehr, zum Pulsmessen und zur Orientierung
Ein Traktorreifen hat noch lange nicht ausgedient…..
Quellbäche und Bachauewälder sind hier im sandsteingeprägten ehemaligen Standortübungsplatz vorzufinden
Ein Schmuckkästchen – die Waldkapelle Maria Frieden

Folgt man nach der Waldkapelle dem nördlichen Waldpfad, gelangt man nach zwei weiteren Kilometern zur Birkenallee, um in der Folge den 285 Meter hohen Erbig mit Blick in die Rhein-Main-Ebene zu umrunden. Wer auf der Flucht ist, könnte am Knotenpunkt Ruhestock schurgerade nach Aschaffenburg einlaufen, jedoch allemal empfehlenswerter ist es dem Bischbergweg zu folgen um über eine Schleife zurück am Mainufer Richtung Aschaffenburger Schloß zu wandern. Außerhalb der Lockdown-zeiten locken auf dem benachbarten Dalberg zahlreiche empfehlenswerte Gaststuben, um bei deftigen unterfränkischen Speisen einen fränkischen Wein oder ein schmackhaftes Landbier zu genießen. Aber aufgepaßt: nicht überall kann man das erwarten, was draufsteht, was eine der nachfolgenden Bildunterschriften belegt.

Durch die Birkenallee Richtung Aschaffenburg
Blick über die Rhein-Main-Ebene
Am Ruhstock, dort wo einst Landfrauen, die eingebundenes Gras in einem Krauttuch auf dem Kopf trugen einen Ruhestock zur Rast vorfanden, wohlweislich von Männern errichtet, die sich vermutlich währenddessen in einer der zahlreichen Schankstuben herumtrieben.
Der letzte Aufstieg vor dem Mainufer von Aschaffenburg
Auch die Aschaffenburger Kanuten starten frisch in das neue Jahr
Das Aschaffenburger Schloß. Hier ist unter anderem die weltweit größte Sammlung von Architekturmodellen aus Kork zu besichtigen
Aschaffenburger Kult – und Skandalstätte. Seit knapp 400 Jahren Stammhaus des unterfränkischen Kultbieres. Jedoch nachdem der Besitzer 2011 aus falsch verstandenem Egoismus die Traditionsbrauerei hinauswarf und eine Miltenberger Provinzbrauerei den Zapfhahn übernahm, herrscht in Aschaffenburg biertechnisch der Haussegen schief. Selbst der Münchner Kabarettist Gerhard Polt, der einst dieses Haus als eines seiner fünf Lieblingsbierstuben klassifizierte, erkundigte sich sorgevoll, was in Aschaffenburg den los sei. Fast so dramatisch, als würde man im Münchner Hofbräuhaus Ebbelwoi statt Bier ausschenken…..
Ein kreativer Weihnachtsgruß von einem Italiener am Dalberg

Ein gelungener Jahresauftakt am Mainviereck – 45 wunderbare und abwechslungsreiche Kilometer unterlegt mit immerhin 540 Höhenmetern. So darf man gespannt sein, auf die nächste Mainrunde, wo als Wendepunkt eine Klosterbrauerei auf der Wanderagenda steht.

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