Worms, den 1.1.2017
Traditionell wird das neue Wanderjahr mit einem Pilgerweg eingeläutet. Prädestiniert für 2017 ist dabei der Lutherweg 1521 – 360 Kilometer in toto von Worms bis nach Eisenach. Am 31. Oktober 2017 jährt sich Luthers Thesenanschlag an der Schloßkirche in Wittenberg zum 500. Male. Vier Jahre später wurde der Kirchenmann von Kaiser Karl V. zum Reichstag nach Worms einbestellt, um seine Thesen zu widerrufen. So rumpelte der Tross des Reformators im April 1521 beschwerlich mit Pferde und Wagen von Wittenberg über Eisenach nach Worms. Das Resultat ist hinlänglich bekannt. Luther verweigerte den Widerruf und wurde mit dem Reichsbann belegt. Der Kaiser gewährte ihm 21 Tage freies Geleit auf dem Weg zurück nach Wittenberg. Da aber die Verhaftung drohte, ließ Luthers Protege, der Kurfürst von Sachsen, Luther zum Schein überfallen, um ihn auf der Wartburg in Sicherheit zu bringen.
So wurde anlässlich des Reformationsjubiläums die Idee geboren die damalige Route als Pilgerpfad zu entwickeln. Zwar haben sich die alten Wege in den letzten Jahrhunderten stark verändert, jedoch hat man Wert darauf gelegt den neu angelegten Pilgerweg in einem engen Korridor zum historischen Weg anzulegen.
Der offizielle Startpunkt des Pilgerweges in Worms ist die evangelische Magnuskirche, eine 800 Jahre alte romanische Basilika. Hier wurde bereits ein Jahr nach dem Wormser Auftritt Luthers evangelisch gepredigt. Und hier wartet schon die erste Überraschung. Ein Hinweis auf den Pilgerweg –Fehlanzeige- Die Kirche, entgegen der Pilgerinformationen (geöffnet ab 08.00 Uhr) verschlossen. Auch die in unmittelbarer Nähe im Barockstil errichtete evangelische Dreifaltigkeitskirche, die ebenso ab 08.00 offen sein sollte, ist nicht zugänglich. Eine Küsterin, die im Vorraum tätig war ist emsig bemüht die Kirche zu verriegeln. Auch der Hinweis auf den Beginn des Pilgerweges beeindruckt nicht sichtlich. Ebenso wenig wie die Nachfrage, ob der neue Pilgerweg komplett markiert ist. Auch wenn der Vorraum mit einer Vielzahl von Informationen zum Reformationsjahr und dem Pilgerweg bestückt ist, bei manch einem Vertreter der Glaubensrichtung scheint das Thema noch nicht angekommen zu sein.
So geht es vorbei am mächtigen Dom der Stadt Worms , der offiziell erst um 10.00 Uhr seine Pforten öffnet, hinauf zum Heylspark, dort wo einst das Gebäude des Bischofhofs stand, wo Luther verhört wurde. Eine Hinweistafel im Park markiert die Stelle, wo Luther den Widerruf verweigerte. Jedoch auch hier eine weitere Überraschung. Die Parkanlage verriegelt, die Tore in Ketten gelegt. Was nützt ein hochinformativer und gut gestalteter Pilgerführer, wenn die markanten Stationen des Lutherweges nicht zugänglich sind.
So geht es unverrichteter Dinge weiter zum imposanten 1868 errichteten Lutherdenkmal am Lutherplatz, der sich glücklicherweise in einer öffentlichen zugänglichen Anlage befindet. Weiter führt der Pilgerpfad Richtung Hauptbahnhof und von hier aus dem Zubringerweg des Rheinterassenweges folgend. Ernüchternd die Erkenntnis, dass jedwede Beschilderung und Hinweis auf den Lutherweg 1521 fehlt. Wurden bereits zur Jahresmitte 2016 in Mittelhessen umfangreiche Markierungen und Hinweisschilder zum Pilgerpfad gesichtet, so herrscht hier, in der Lutherstadt Worms absolute Ebbe. Dank des guten Pilgerführers jedoch gestaltet sich der weitere Fortgang einfach. Entlang des Pfrimmbaches erreicht man nach sechs Kilometern das Herrnsheimer Schloß mit dem angegliederten englischen Garten.
Den offiziellen Schwenker nach Abenheim kann man sich schenken, da dort nur ein Etappenende markiert ist. Langstreckenwanderer können auf den vier Kilometer langen Bypass verzichten und durch die weitreichenden Flachhänge des Rheinterassenweges nach Osthofen zu pilgern. Lohnenswert ist ein Schlenker zum mächtigen Bergfriedhof oberhalb der Gemeinde. Im alten Teil des Friedhofes kann man eine Vielzahl historischer Grabsteine besichtigen. Den westlichen Teil Osthofens querend stößt man am nördlichen Ortsrand auf das schönste Weinberghäuschens der Region, dem „Leckzapfen“. Den Verlauf einer ehemaligen Bahntrasse folgend geht es quer durch das Weinanbaugebiet Richtung Bechtheim.
Mangels Lutherwegsbeschilderung folgt man dem Verlauf des Rheinterassenweges und stößt in der Ortsmitte auf einen historischen Waschbrunnen, dort wo einst die Bechtheimer Frauen ihre Wäsche wuschen und Pilger die auf dem Weg zur St. Lambertus Basilika waren sich reinigten. Die Basilika teilten sich übrigens Katholiken und Protestanten mehr als 200 Jahre lang, bevor im Ort im Jahre 1910 eine evangelische Kirche eingeweiht wurde.
Hinter Bechtheim geht es hinauf zum Weinanbaugebiet „Gotteshilfe“ Bei entsprechendem Wetter könnte man hier oben bis in den Odenwald blicken. So geht es durch die nebelverhangenen Weinberge weiter auf dem Pilgerpfad. Vorbei an dem unten liegenden Mettenheim quert man das weitläufige Weinanbaugebiet um nach 27 Kilometern das Tagesziel, Alsheim zu erreichen.
Auch wenn man als Neujahrswanderer bekanntermaßen gastronomische Einschränkungen in Kauf zu nehmen hat (Einkehrmöglichkeit an diesem Tag Fehlanzeige), die Streckenkennzeichnung in diesem Abschnitt absolut unbefriedigend war (geplant war die Streckenmarkierung in 2016 fertigzustellen – die offizielle Eröffnung des Pilgerweges ist für den 14.Mai 2017 terminiert), wetterbedingt die Aussicht gegen Null tendierte, alles in allem ein standesgemäßer Start in ein neues Wanderjahr. Die Perspektive ist klar: Pilgern heißt „Beten mit den Füßen“ demnach noch 327 besinnliche Pilgerkilometer in neun geplanten Etappen bis zur Wartburg.
Zur Ehrenrettung bleibt anzumerken, dass nach Hinweis bezüglich der Beschilderungsqualität eine postwendende Nachricht von Bernd Rausch, einem der Väter des Lutherweges mit folgendem Inhalt nachgereicht wurde:
Lieber Herr Prasch,
danke für Ihren Bericht, den ich gerade an Worms-Touristik weitergeleitet habe. Wir vom Verein Lutherweg in Hessen e.V., an der Spitze ein Fähnlein der sieben Aufrechten, haben die Aufgabe, den Weg im Bundesland Hessen fertig zu stellen. Dies ist geschehen. In den nächsten Wochen werden in Hessen die letzten Infotafeln aufgestellt. Der LW1521 berührt die drei Bundesländer Rheinland-Pfalz, Hessen und Thüringen. Wir in Hessen wirtschaften mit Finanzmitteln des Landes Hessen und dürfen diese Gelder, incl. die unserer Sponsoren, nur auf der hessischen Seite investieren. Das haben wir getan, die letzten Abrechnungen machen wir im Frühjahr. Thüringen und Rheinland-Pfalz haben zugesichert, die Wegweisung und Markierung in eigener Zuständigkeit durchzuführen. Auf dem Abschnitt in Thüringen ist dies erfolgt. In Rheinhessen soll es im Frühjahr passieren. Es sollte kein großer Aufwand sein. Der Lutherweg1521 verläuft von Worms bis Oppenheim auf dem Rheinterrassenweg. Zu einer vorhandenen Markierung muss eine Weitere hinzugefügt werden. Ein Hinweis für Sie, für die nächsten Tage, um sich zu orientieren. Wir vom Verein sind seit fünf Jahren ehrenamtlich unterwegs, um das Projekt zu stemmen. Aus unserer Sicht, ein Geschenk an Städte und Gemeinden entlang des Weges, die über ihre Touristik-Organisationen den Ball aufnehmen müssen. Jede Kirchengemeinde am Weg entscheidet für sich, ob und wie sie sich einbringt, incl. Kirchenöffnungszeiten. Wir werben landauf landab. Mehr können wir nicht tun. In Hessen ist es aus aus meiner Sicht gut angelaufen. Es kann noch mehr werden, insbesondere die preiswerte Übernachtungsversion liegt uns am Herzen. Den touristischen Service müssen andere bringen, wir sind für die nächsten fünf Jahre für die Aufrechterhaltung von Markierung und Beschilderung in Hessen zuständig. Dafür sorgen mit uns über dreißig ehrenamtliche Wegepaten, die zweimal p.a. eine zugewiesene Strecke abgehen und Schäden beseitigen.
Lieber Herr Prasch, Sie haben mit Ihrem Schreiben recht. Einzig die gpx Datei ist unsere Baustelle und die mit “Mängel behaftete Strecke” auf unserer Homepage? Ich bitte um entspr. Rückmeldung. – Wir haben, wie Sie richtig anmerken, “viel investiert.” Besonders Herzblut. Der Lutherweg1521 wird sich entwickeln, er ist allerdings kein Prädikats-Wanderweg. Er führt in die Orte hinein. Die Begegnung mit den Menschen ist der wichtige Kern eines Pilgerweges. “Porta patet magis cor” – “Die Tür ist offen, mehr noch das Herz” soll am Ende stehen. Da wollen wir hin. Bleiben Sie mit uns in Kontakt, dazu lade ich Sie ein. Vielleicht bei einer Tasse Kaffee in unserer Geschäftsstelle. Blasenpflaster haben wir auch. Ab 10. Januar sind wir wieder erreichbar. Per Mail immer. Mit freundlichen Grüßen Bernd Rausch 2.Vorsitzender Lutherweg in Hessen e. V.
Chapeau für die unverzügliche positive Reaktion. Das bestätigt, dass man mit viel Engagement und Herzblut bestrebt ist an der Wegestruktur zu arbeiten. Fortsetzung alsbald.
Vielen Dank für die tolle Beschreibung des ersten Teils des Lutherwegs! Ohne diese hätte ich mich noch viel öfter verlaufen-die Beschilderung lässt bis Guntersblum noch etwas zu wünschen übrig, scheint aber etwas besser geworden zu sein, als beschrieben. Sie haben mir sehr geholfen!!! Ein schöner Weg, den man nur weiterempfehlen kann. Und bald gibt es auch einen Rother- Wanderführer.
Nochmals herzlichen Dank und viele Grüße
Aber herzlich gerne. Bei Inbetriebnahme der Strecke war ab Worms die Streckenauszeichnung sehr spärlich. Für den Langstreckenweg empfiehlt sich durchaus, wenn man die Möglichkeit hat, mit GPS-Unterstützung zu wandern. So ist man streckenbezogen auch etwas variabler. Viel Spaß weiterhin.