
Lech – Vorarlberg, 7. Juli 2025 – “Go with the flow” Keine Frage – die Dynamik des Flusses steckt an. Es gurgelt und blubbert, es rauscht und es gluckert an allen Ecken und Enden. Und wenn Wildwasserkanuten den dreizehn Kilometer langen Oberlauf des Lechs mit seinen unwegsamen Lechschluchten als schwerstes Wildwasser der Stufe sechs klassifizieren, dann kann man erahnen welches berauschende Wandererlebnis man erwarten kann, wenn man vom 1.793 Meter hoch gelegenen Quellgebiet im Vorarlberg in das eintausend Meter tiefer gelegene Füssen zum Lechfall wandert.
Los geht es am offiziellen Startpunkt in der Nähe des Formarinsees. Hinauf kommt man von Juni bis Oktober mit dem Bus über eine Privatstraße, für die eine Gebühr von stolzen 25 Euro pro Fahrgast zu entrichten ist. Jedoch hat es ein Geschmäckle, denn die “Privatstraße” ist im Eigentum der Gemeinde Lech, und mit einer wie an diesem Morgen vollbesetzten Busladung werden pro Fahrt bis zu 1.000 Euro in den kommunalen Säckel gespült. Jedoch, die Abzocke ist erklärbar, denn die Lech-Tourismus GmbH ist massiv überschuldet, wie aktuell der Rechnungshof in einem vernichtetenden Zeugnis feststellte. Allerdings der Invest lohnt sich, denn von der Quelle zum Lechfall zu wandern hat mehrere Vorteile. Man folgt der Dynamik des Flusses und “arbeitet” nicht gegen den Strom. Es geht tendentiell, wenn auch in toto mit mehr als 3.000 Höhenmetern belegt, strukturell abwärts und man hat zudem die Sonne im Rücken. Und wenn man an exponierten Stellen, wie es bei einer Wanderung üblich sein sollte, ab und an die Blickrichtung um 180 Grad wechselt, dann kann man die Tour in voller Bandbreite genießen.



Meter um Meter nimmt der Lech Fahrt auf. Nach offizieller Leseart verzeichnet der Lech in Österreich 28 Zuflüsse, darüberhinaus beleben die kleinen Gräben und wasserhaltigen Abgänge, die insbesondere nach Regenfällen von den Bergflanken strömen, die Wildflusslandschaft zusätzlich. Eine Wildflusslandschaft, die man in dieser Form nur noch im Blauen Herzen Europas, in den unberührten Naturlandschaften des Balkans finden kann. Die Lebendigkeit des Flusses die sich durch die alpine Stille der Landschaft fräst, begeistert dabei auf Schritt und Tritt. Wer an Tinnitus leidet dem sei hier ein Kuraufenthalt regelrecht empfohlen, denn das Flussrauschen, welches zu den White-Noise-Klängen zählt, überdeckt im Allgemeinen die unangenehmen Ohrgeräusche und hier am Lech besonders intensiv.






Man muß nicht alles verstehen. Der offizielle Lechweg führt zunächst, wie auch im veröffentlichten GPS-Track niedergelegt, rechter Hand des Flusses gen Lech. Jedoch vor der Gemeinde Zug verzieht sich eine augenscheinlich relativ frisch angebrachte Neubeschilderung auf die andere Seite des Flusses, die oberhalb eines Golfplatzes über die geteerte Mautstraße führt, um an der Zuger Bergbahn wieder auf die klassische Strecke zu kommen. Da wir uns im Zweifelsfall an der ausgewiesenen Streckenführung orientieren, erweist sich dieser Bypass als unnötig und nicht wirklich attraktiv.






Von Zug aus wandert man entlang des Flusses nach Lech am Arlberg, ein international geschätzter Wintersportort, zu welchem auch das Areal von St. Anton gehört, dem größten Skigebiet Österreichs. Ab hier setzt bis nach Steeg der vielleicht schönste Abschnitt des Lechwegs ein. Den Lech querend wandert man zunächst unterhalb der Wösterspitzen auf einem Höhenweg. Vor Augen das markante Karhorn und im Rücksspiegel das eindrucksvolle Arlbergpanorama mit Lech im Vordergrund. Hier verdeutlich sich einmal mehr das dieser Weg nicht umsonst als Leading Quality Trail -Best of Europa die Qualitätskriterien der Europäischen Wandervereinigung erfüllt.








Wer masochistisch veranlagt ist und Geschwindigkeit vor Wandergenuß stellt kann die abgekürzte Steilvariante, die von der Geissbrücke via Bildegg nach Warth führt, wählen. Der Preis den man dafür bezahlt ist der entgangene Genuß, der auf der ausladenden Schleife der offiziellen Wegeführung geboten wird. Hier entfaltet sich eine faszinierende Tobellandschaft oberhalb des wilden Flusses, die zudem den Anstieg hinauf nach Warth moderat und erlebnisreich ausgestaltet. Mit 184 Einwohnern ist Warth dabei die zweitkleinste Gemeinde des Vorarlbergs, jedoch ganz groß als Wintersportort und als Ausgangsort für ausgedehnte Wanderungen in allen Himmelsrichtungen. Hier kann man auch zu fairen Preisen eine Rast einlegen.




Hinter Warth ist vor Warth. Unterhalb der südlichen Ausläufer der Allgäuer Hochalpen mäandert fern der Lech der Wanderweg durch das alpine Areal. An jeder Ecke offenbaren sich andere spannende Ausblicke, obschon es sich immer um die selben Gebirgszüge handelt. Hinter dem Walserdorf Gehren wechselt man hinüber nach Tirol und wandert via Lechleiten auf einem attraktiven Höhenweg, bevor ein breiter Wirtschaftsweg sich auf einer vier Kilometern langen Strecke permanent bis zum Lech abwärts schleift. Der Rest des Tages bis nach Steeg – die Kür entlang des Flußtals.





Das Lechtal weitet sich. Auf dem Weg von Steeg nach Holzgau ist zunächst flussnahes Wandern angesagt. Nächtliche Regenfälle haben für einen erhöhten Wassereintrag gesorgt und fluten daher auch partiell den gekennzeichneten Weg. Jedoch die Frische des Grüns ist auch im Hochsommer ein bemerkenswertes Zeichen der Region, denn im wasser- aber auch regenreichen Umfeld ist die Natur gut versorgt. So mindert auch keineswegs ein ab und an durchziehender Regenguß die Wanderfreude. Im Gegenteil, man genießt die Gunst der sommerlichen Bruthitze Zentraleuropas entfliehen zu können. Einmal mehr ein Aspekt, in den Sommermonaten bevorzugt die alpine Region für Wanderaktivitäten zu bevorzugen.




Der Weiler Holzgau ist ein beliebter Start- und Anlaufpunkt für Wanderer. Denn von hier aus steigt man ein in die spektakuläre Höhentalbachschlucht, dort wo man zum Simmswasserfall hinaufwandern kann. Wer wasserscheu aber schwindelfrei ist, kann hingegen eine Alternativroute, die hinauf zur zweihundert Meter langen Hängebrücke, die hundert Meter über die Schlucht gespannt wurde, wählen. Aber auch Wasserfallwanderer kommen in den Genuß der Hängebrücke, denn nach einem dreieinhalb Kilometer langen Rundweg kann man am anderen Ende der Brückenanlage andocken.









Nach der beeindruckenden Passage nebst Schlucht, Wassfall und Hängebrücke ist eine entspannte Passage Richtung Lechtalmitte angesagt. Auf einem Höhenweg begleitet man den Flußverlauf. Optimal für eine Einkehr ist dabei die Talstation Jöchlspitze , dort wo man sich auf die 2.226 höhe Grasspitze heben lassen könnte oder alternativ in der Alm an der Talstation rasten kann. Vorbei an einer kleinen aber feinen Chaletsiiedlung wandert man nach Bach und weiterführend nach Elbigenalp, dort wo die St. Nikolauskirche das markante Dorfbild prägt.









Hinter Elbigenalp begleitet man auf einer ruhigen Passage das Gewässer mehr oder minder auf Augenhöhe. Via Grießau wandet man nach Häselgehr um dort die Flußseite zu wechseln, um die Tour fortzusetzen, die hinauf zum sehenswerten Doser Wasserfall führt, bevor man oberhalb des Lechs über eine Hangpassage langsam abwärts gen Vorderhornbach wandert, dort wo sich ein schöner Panoramablick auf den Lechzopf entfaltet. Kurz vor Stanzach wechselt man die Flußseite um entlang der ausladenden Schotterbänke des Flusses den Endpunkt dieser Passage, den Weiler Forchach zu erreichen.










Quert man die Hängebrücke hinter Forchach so dehnt sich der Lech massiv im erweiterten Talgrund aus, wie die breiten Schotterinseln verdeutlichen, die je nach Wasserstand deutlich überflutet werden können. Am nahen Baggersee, an dem man vorbeikommt, changieren die Farben blau und grün und setzten einen bemerkenswerten Akzent entlang des Weges.









Hinter Weißenbach setzt, bis auf zwei Ausnahmen, die unattraktivste Strecke des gesamten Lechwegs auf dem Weg gen Reutte ein. Als Winterwanderweg ist dieser Abschnitt, wie vor zwei Jahren auf diesem Blog dargestellt, durchaus angenehm zu wandern, jedoch im Sommer mehr oder minder dröge. Aus purer Verzweifelung hat man sich mangels Substanz im Lechweg-Serviceheft ausgibig über die Renaturisierungsmaßnahmen der Flußlandschaft einschließlich einer installierten Geschiebefalle ausgelassen. Pragmatisch betrachtet könnte man in Weißenbach in den Bus steigen um sich in das acht Kilometer entfernte Platten karren zu lassen. Jedoch würde dies an der Wanderehre kratzen und so verbuchen wir diesen Abschnitt als progressives Intervalltraining und erhöhen die Marschgeschwindigkeit. Spannend wird es hinter Platten. Von hier aus führt die Passage via Wängle steil aufwärts zur Costarieskapelle. Ein reizvoller Ausblick in den Reutter Talkessel nebst den dahinter liegenden Gebirgszügen entschädigt die vorausgegangene substanzlose Streckenführung. Von der Kapelle aus geht es vorbei am Frauensee, dort wo sogar einige Gäste baden, und weiterführend in die Bezirkshauptstadt Reutte.







Schlußspurt und Finale inklusive dreier Sahnehäubchen. Von Reutte führt die Passage in das benachbarte Pflach. Dort lohnt es den in den Auen stehenden achtzehn Meter hohen Beobachtungsturm zu erklimmen, bevor man zunächst zur Sternenschanze, einer ehemaligen vorgelagerten Befestigungsanlage der Burg Ehrenberg, wandert. Hinter der Sternenschanze setzt der Gnomensteig ein, das erste Sahnehäubchen dieses Teilabschnittes. Knorrige Pfade, moosbehangener Kalkstein, überhängende Felswände, wie der mächtige Israelit, kennzeichen die attraktive Streckenführung des Steigs, der zum bekannten Alpsee führt. Unspektakulär und ohne Grenzkontrolle wechselt man dabei von Tirol nach Bayern.









Oberhalb des Sees bleibt man auf de Höhe, um vor dem Alpseeparkplatz auf dem Alpenrosenweg einzuschwenken, ein ausgezeichneter Höhenweg der sich oberhalb des Schwansees verzieht und einhergehend mit einem partiellen Einstieg in einen Kreuzweg zum 953 Meter hohen Kalvarienberg führt. Auch König Ludwig der II. nahm öfters an den Prozessionen zum Berg hinauf teil. Am Karfreitag, wenige Wochen vor seiner Entmündigung und seinem Ableben am Starnberger See, stieg Ludwig alleine auf den Kalvarienberg und betete an den Kreuzwegsstationen. Genutzt hat es bekanntermaßen nichts. Die Ausblicke auf der Gipfelplattform hingegen sind einmalig. Füssen nebst Hopfen- und Forggensee, der Blick gen Lechtal und die Tannheimer Berge und die Aussicht auf die Königsschlösser nebst Schwansee, fürwahr ein außergewöhnlicher Fixpunkt auf dem Lechwanderweg. Vom Kalvarienberg hat man zehn Minuten später das Endziel des Lechweges, den berühmten Lechfall erreicht.








Go with the flow – eine außergewöhnliche und hochgradig zu empfehlende Wanderexkursion. Der Lechweg ist einfach klasse und garantiert pures Wandervergnügen. Am Ende standen 140 Wanderkilometer auf dem Tacho. Einzig in punkto Höhenmeter ergeben sich Differenzen. Garmin Fenix mißt 2.478 Meter im Aufstieg, Garmin GPSmap 66 3.334 Meter. Gemäß Komoot, welches mit einem breiten Flächenraster arbeitet, sollten es 2.610 Höhenmeter sein. Das Lechweg-Serviceheft deklariert 2.478 Meter und die offizielle Webseite des Lechsweges gibt 3.021 Meter an, während in den Zertifizierungsunterlagen 2.060 Meter ausgewiesen sind. Ein namhafter Wandereiseveranstalter hat sogar 9.040 Höhenmeter hinterlegt, ein anderer beschränkt sich intelligenterweise darauf nur die Differenz zwischen An- und Abstieg anzugeben. Denn Einigkeit besteht lediglich darin, dass die Abstiege jeweils mit einem Plus von 1.000 Metern zu berücksichtigen sind.
Man kann betreutes Wandern mit Unterstützung von einschlägigen Reiseveranstaltern buchen, die entsprechende Angebote zwischen sieben und vierzehn Tagen einschließlich Gepäcktransport im Portfolio haben. Sportlich ambitionierte und flexible Wanderer können die gesamte Passage in Eigenregie locker in fünf Tagen absolvieren. Dabei ist die ökonomisch sinnvollste Lösung das Basislager in der Mitte des Weges bei Bach/Elbigenalp aufzuschlagen. Mit der im Übernachtungspreis inkludierten Lechtal-Aktiv Card kann man zudem kostenfrei die Busverbindungen im Lechtal nutzen, mit Ausnahme des kommunalen Opfercents, der auf der gemeindlichen Privatstraße in Lech zum Formalinsee zu entrichten ist.

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