In der Toskana des Sauerlands

21. September 2024 – Bella Italia im Sauerland? Die Indizien sprechen dafür, denn lagebedingt weist die Medebacher Bucht, die im Windschatten des Rothaargebirges liegt, mehr Sonnenstunden und weniger Regentage als der Rest von Nordrhein-Westfalen auf. So kann man den Marketingslogan der Medebacher Touristik-Gesellschaft durchaus nachvollziehen, der im Wanderflyer des 68 Kilometer langen Medebacher Bergweges mit dem Untertitel “Erlebe den Bergweg von seiner Sonnenseite” versehen ist. Zudem kann die sanfthügelige halboffenen Kulturlandschaft durchaus ein Toskana-Gefühl vermitteln, so die erhellende Botschaft der Touristikmanager. Für Genußwanderer und Langschläfer wird ein Wanderpaket, bestehend aus vier Wandertagen einschließlich Frühstück, Lunchpaket und Gepäcktransport offeriert. Kann man machen – jedoch für engagierte Landschaftsentdecker genügen zwei intensive Tagestouren um in die Wanderregion einzutauchen.

Als Startort dieser Rundwanderung wurde der höchstgelegene Ortsteil von Medebach, das Höhendorf Küstelberg gewählt, um nach knapp vierzig Kilometern die Übernachtungsstation, das Brauhaus in Medebach anzusteuern. Vom 666 Meter hoch gelegenen Küstelberg wandert man zunächst auf den ersten acht Kilometern abwärts entlang der Heidenstraße einer bedeutenden historischen Handelsstraße, die einst Köln mit Leipzig verband und auch als Kölner, Kasseler bzw. Leipziger Straße bezeichnet wurde. Im Sauerland nannte man den hier vorbeiführenden Abschnitt Heidenstraße, benamt nach den hier anzutreffenden Hochheiden.

Ohne Frage das Hochsauerland ist ein Wanderparadies
Bereits 1666 errichtete ein Küstenberger hier ein Speicher- und Gasthaus und vergab zudem Geld- und Warenkredite. Im 18. Jahrhundert fuhren jährlich bis zu 1.350 Gespanne , die zwischen den Messeorten Frankfurt/Oder, Köln und Leipzig pendelten, diesen wichtigen Knotenpunkt an
Heute hingegen kann man kurz nach Sonnenaufgang in aller Stille entlang des Weges wandern
Wenn der Sommer in den Herbst übergeht
Erleuchtung ist in der Medebacher Bucht garantiert….
Die Wegekennzeichung in der Region ist hochwertig und aufwändig gestaltet

Deifeld, Referinghausen, Titmatringhausen. Vorbei an den kommunalen Satelliten der Hansestadt Medebach schraubt sich sich der Medebacher Bergweg Stück für Stück unterhalb des Einzugsbereichs des Willinger Ettelsberg aufwärts durch das hessisch/nordrheinwestfälische Grenzgebiet. Die umliegenden Höhenzüge im Fokus habend führt die Passage zunächst zur Diemelquelle und weiterführend aufwärts zur Graf Stolberg-Hütte eine tolle und beliebte bewirtschaftete Hütte im alpinen Stil. Von hier aus könnte man, wenn man wollte, einen 3,5 langen Kilometer langen Abstecher zum neu errichteten Willinger Skywalk an der Mühlenkopfschanze einplanen. Jedoch, wer hier auf dem Wanderpfad unterwegs ist, kann getrost auf den kostenpflichtigen Endorphine-Kick verzichten, denn im weiteren Wegeverlauf sind tolle Aussichten in einem wunderbaren Umfeld in der Hochheide-Ebene Kahle Pön inkludiert.

“Up me Krüze” so die heimische Bezeichnung dieses Kreuzungspunktes auf dem Heidenweg, dort wo eine Zollgrenze zwischen Kurköln und Waldeck eingerichtet war
Die Bewaldung – in diesem Abschnitt stringent ausgerichtet…..
…just gegenüber eher als loser Verbund organisiert……..
Bis 1950 rumpelte hier noch eine Kleinbahn durch das östliche Sauerland. Heute erinnert ein kleiner Unterstand an die Bahnstation in Referinghausen
Rund um Referinghausen sind “Open-Mind-Places” ergo Stationen zum Innehalten auf einem sieben Kilometer langen Rundweg installiert worden
Eine besondere Art der Kunstgestaltung
Augenfällig wie blitzsauber und aufgeräumt die kleinen schmucken Ortschaften gestaltet sind. Keine verranzten Ecken, keine verfallenen Gemäuer- hier ist man in der guten Stube des Sauerlandes unterwegs
Nicht nur in Bayern, sondern auch im grünen Grenzbereich dieser Region legt man Wert darauf festzuhalten, wo die Landesgrenze verläuft…
..und spätestens hier wird klar, auf wessen Boden man steht…..
Traumhafte Ausblicke auf dem Weg zur Diemelquelle
Feinste Weitwanderwege – ob Uplandsteig, Sauerland-Höhenflug oder Rothaarsteig – das Angebot ist immens
Direkt an der Diemelquelle kann man auf dem Usseler-Milchpfad die Kuhglockenorgel bespielen…
..und 200 Meter weiter empfiehlt sich eine Einkehr in der Graf Stolberg-Hütte
Und auch die Willinger Mühlenkopfschanze liegt in “walking distance”
Ein Highlight dieses Trails ist das Naturschutzgebiet Kahle Pön auf einer Höhe von 775 Metern
Auch wenn schon verblüht – die Hochheidefläche ist einfach herrlich
Hier kann man ein 360 Grad Panorama genießen (auf 10 Uhr der Willinger Ettelberg)…
..Details bestaunen…..
….an jedem Heidehügel interessante Facetten entdecken….
..sich selbst auf den Prüfstand stellen (liegt Usseln (ist das wirklich Usseln?) im Sauerland oder schon im Upland)
..oder einfach hinlegen…..
..und das Umfeld genießen
Aber auch für Superwalker ist die Region hochattraktiv. Deutschlands härteste Extremwanderung führt hier vorbei….
Vier Windkraftanlagen sind im ersten Halbjahr 2024 in Bayern an das Netz gegangen. Hier hat man eine ganz andere Schlagzahl…..

Es fällt schwer sich loszueisen vom Höhenzug Kahle Pön, jedoch es geht buchstäblich auf hohem Niveau weiter. Auf dem aussichtsreichen Höhenzug weiter führt die Passage hinüber auf die Kalid. Hier blickt man auf die südlichen Ausläufer der Medebacher Bucht, jedoch erst seit 2007. Denn bis dahin nutzte man die Bergweiden als großflächige Weihnachtsbaumkulturansiedlung, die am langen Ende keine Aussicht ermöglichte. Runter von der Hochebene wandert man durch einen Hohlweg abwärts nach Düdinghausen einin der Vergangenheit umstrittenes Grenzdorf. Schon im Mittelalter war das Gebiet ein Zankapfel. Mord und Totschlag, Glaubensstreitereien und permanentes Krakele waren hier an der Tagesordnung. Gut dass man heute als Gebietsfremde störungsfrei durch die Gemarkung ziehen kann. Man wandert weiter durch die sanfthüglige Landschaft auf mehr oder minder stillen Wegen via Oberschledorn zur Hansestadt Medebach, die im Mittelalter eine bedeutende Binnenstadt im nationalen Fernhandel war, und heute ein idealer Standort ist, um von hier aus vielfältige Freizeitaktivitäten zu starten.

Die Aussicht auf Aussichten sind hier sehr groß
Und Luftakrobaten nutzen gerne die Kalid als Sprungbrett
Durch diese hohle Gasse muss man wandern
Düdinghausen – historisch gesehen mehrfach schwer gezeichnet….
Hinter Düdinghausen kann man auf einem Kreuzweg, der hinauf zum Kreuzberg führt, Abbitte leisten..
…und/oder in aller Stille einfach nur die Ausblicke genießen….
Ein kunstvoll arrangiertes Stilleben der besonderen Art

Von Medebach führt der Medebacher Bergweg durch den südöstlichen NRW-Zipfel zunächst bergwegsuntypisch mehr oder minder auf flachen Wegen gen Dreislar – jedoch abgerechnet wird zum Schluss, denn es stehen auch amzweiten Tag noch knackige Anstiege bevor und nicht umsonst ist ein Bergweg ein Bergweg. Zweifelsohne bewegt man sich hier in einem abgeschiedenen Terrain. Ruhe und Stille prägen die dünnbesiedelte Region – ergo für Ruhesuchende ein ideales Terrain um durch unberührte Täler im östlichen Sauerland zu wandern.

Start in Medebach: Ja wo laufen wir denn heute hin…..
Wie bestellt: Ein standesgemäßer Einstieg in den ersten Herbsttag des Jahres
Die offizielle Wanderwegskennzeichnung des Medebacher Bergwegs, die in Gänze akkurat erfolgte
Man hat verstanden – der Herbst ist da!
Man dachte immer, dass die Sauerländer sesshaft seien…..
Der Weiler Berge eingebettet in einem abgelegenen Tal…..
Auch im September kann noch Raps blühen
Kilometerlang kann man hier auf solchen Pfaden wandern
Durch das Orketal: Nach 38 Kilometern entwässert die Orke in die Eder

Vor Dreislar schlägt man, wer den Anstieg nicht scheut, einen Bogen, der schlussendlich hinauf zum Gipfelkreuz des Opolt führt. Hier oben erntet man einen schönen Ausblick in die sanfthügelige Landschaft, bevor es steil abwärts gen Dreislar geht, um weiterführend entlang eines Talweges die Spur zum Orkedorf Medelon aufzunehmen. Als zweitgrößter Urlaubsort der Region hat sich Medelon in der Ferienregion etabliert. Im Nachgang betrachtet wäre es klüger gewesen, die zweitägige Rundwanderung in Medelon und nicht im Höhenort Küstelberg zu starten. Der Grund ist einfach, denn die Schlußetappe hat es in sich. Von Medelon aus wandert man zunächst durch das Orkatal immer dem gleichnamigen Fluß entlang, der selbst oberhalb bei Küstelberg entspringt. Hier, wo im Winter auch die schönsten Loipen des Sauerlandes gespurt werden, führt ein Brutalanstieg (gefühlt 45 Grad) aufwärts zum Rösberg. “Kurz vor Küstelberg erwartet Dich ein ganz besonderer Blick vom 781 m hohen Rösberg”, so die vollmundige Bewerbung dieser Zone. Jedoch bei Lichte betrachtet waren andere Ausblickspunkte deutlich attraktiver und so wandert man am langen Ende mit geballter Faust in der Hosentasche moderat abwärts gen Küstelberg, welches selbst noch auf einer Höhe von 666 Metern liegt. Jedoch in der Gesamtbetrachtung trübt natürlich der schweißtreibende Schlussanstieg keineswegs das Gesamtbild dieser Tour.

Ein toller Pfad führt hinauf zum Opolt
Und vom Gipfelkreuz aus kann man einen herrlichen Ausblick genießen
Es wundert nicht, dass an vielen Hügeln Gipfelbücher hinterlegt sind, denn die niederländischen Urlaubsgäste, die hier in der Region stark vertreten sind, genießen die hügelige Region, frei nach dem Motto: “Sehr hogh, sehr schön….”
Durch das Orketal
Wer an diesem Stein steht hat den Rösberg-Anstieg geschafft
Einmal mehr ein Schauspiel der Natur
Die Runde ist komplett – zurück in Küstelberg

Der Medebacher Bergweg ist mit 68 Kilometern und 2.000 Höhenmetern ein Weg der stilleren Art, aber reizvoll für alle die sich für die Weiten einer Mittelgebirgsregion begeistern wollen. Einzig die hier vorgestellte Streckenaufteilung kann man überdenken, denn mit 55 Leistungskilometern war der erste Etappentag schon sehr sportlich. Sicherlich – der benachbarte Diemelsteig sowie der Uplandsteig spielen in der Gesamtbetrachtung in einer anderen Liga, jedoch zur Abrundung ist der Medebacher Bergweg die ideale Ergänzung um die Region Upland/Sauerland in Gänze aufzunehmen. Wer noch nicht mit dieser Region vertraut ist, kann locker in einer Wanderwoche die beiden Steige und den Bergweg entdecken. 200 Kilometer aufgedröselt in gut gangbaren sechs Wandertagen – ein eindrucksvoller Rundumschlag den man nicht vergessen wird. Und die Gefahr eines Nachschlages ist groß, denn da wären noch der Sauerland-Höhenflug und der Rothaarsteig………

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