21. September 2024 – Bella Italia im Sauerland? Die Indizien sprechen dafür, denn lagebedingt weist die Medebacher Bucht, die im Windschatten des Rothaargebirges liegt, mehr Sonnenstunden und weniger Regentage als der Rest von Nordrhein-Westfalen auf. So kann man den Marketingslogan der Medebacher Touristik-Gesellschaft durchaus nachvollziehen, der im Wanderflyer des 68 Kilometer langen Medebacher Bergweges mit dem Untertitel “Erlebe den Bergweg von seiner Sonnenseite” versehen ist. Zudem kann die sanfthügelige halboffenen Kulturlandschaft durchaus ein Toskana-Gefühl vermitteln, so die erhellende Botschaft der Touristikmanager. Für Genußwanderer und Langschläfer wird ein Wanderpaket, bestehend aus vier Wandertagen einschließlich Frühstück, Lunchpaket und Gepäcktransport offeriert. Kann man machen – jedoch für engagierte Landschaftsentdecker genügen zwei intensive Tagestouren um in die Wanderregion einzutauchen.
Als Startort dieser Rundwanderung wurde der höchstgelegene Ortsteil von Medebach, das Höhendorf Küstelberg gewählt, um nach knapp vierzig Kilometern die Übernachtungsstation, das Brauhaus in Medebach anzusteuern. Vom 666 Meter hoch gelegenen Küstelberg wandert man zunächst auf den ersten acht Kilometern abwärts entlang der Heidenstraße einer bedeutenden historischen Handelsstraße, die einst Köln mit Leipzig verband und auch als Kölner, Kasseler bzw. Leipziger Straße bezeichnet wurde. Im Sauerland nannte man den hier vorbeiführenden Abschnitt Heidenstraße, benamt nach den hier anzutreffenden Hochheiden.
Deifeld, Referinghausen, Titmatringhausen. Vorbei an den kommunalen Satelliten der Hansestadt Medebach schraubt sich sich der Medebacher Bergweg Stück für Stück unterhalb des Einzugsbereichs des Willinger Ettelsberg aufwärts durch das hessisch/nordrheinwestfälische Grenzgebiet. Die umliegenden Höhenzüge im Fokus habend führt die Passage zunächst zur Diemelquelle und weiterführend aufwärts zur Graf Stolberg-Hütte eine tolle und beliebte bewirtschaftete Hütte im alpinen Stil. Von hier aus könnte man, wenn man wollte, einen 3,5 langen Kilometer langen Abstecher zum neu errichteten Willinger Skywalk an der Mühlenkopfschanze einplanen. Jedoch, wer hier auf dem Wanderpfad unterwegs ist, kann getrost auf den kostenpflichtigen Endorphine-Kick verzichten, denn im weiteren Wegeverlauf sind tolle Aussichten in einem wunderbaren Umfeld in der Hochheide-Ebene Kahle Pön inkludiert.
Es fällt schwer sich loszueisen vom Höhenzug Kahle Pön, jedoch es geht buchstäblich auf hohem Niveau weiter. Auf dem aussichtsreichen Höhenzug weiter führt die Passage hinüber auf die Kalid. Hier blickt man auf die südlichen Ausläufer der Medebacher Bucht, jedoch erst seit 2007. Denn bis dahin nutzte man die Bergweiden als großflächige Weihnachtsbaumkulturansiedlung, die am langen Ende keine Aussicht ermöglichte. Runter von der Hochebene wandert man durch einen Hohlweg abwärts nach Düdinghausen einin der Vergangenheit umstrittenes Grenzdorf. Schon im Mittelalter war das Gebiet ein Zankapfel. Mord und Totschlag, Glaubensstreitereien und permanentes Krakele waren hier an der Tagesordnung. Gut dass man heute als Gebietsfremde störungsfrei durch die Gemarkung ziehen kann. Man wandert weiter durch die sanfthüglige Landschaft auf mehr oder minder stillen Wegen via Oberschledorn zur Hansestadt Medebach, die im Mittelalter eine bedeutende Binnenstadt im nationalen Fernhandel war, und heute ein idealer Standort ist, um von hier aus vielfältige Freizeitaktivitäten zu starten.
Von Medebach führt der Medebacher Bergweg durch den südöstlichen NRW-Zipfel zunächst bergwegsuntypisch mehr oder minder auf flachen Wegen gen Dreislar – jedoch abgerechnet wird zum Schluss, denn es stehen auch amzweiten Tag noch knackige Anstiege bevor und nicht umsonst ist ein Bergweg ein Bergweg. Zweifelsohne bewegt man sich hier in einem abgeschiedenen Terrain. Ruhe und Stille prägen die dünnbesiedelte Region – ergo für Ruhesuchende ein ideales Terrain um durch unberührte Täler im östlichen Sauerland zu wandern.
Vor Dreislar schlägt man, wer den Anstieg nicht scheut, einen Bogen, der schlussendlich hinauf zum Gipfelkreuz des Opolt führt. Hier oben erntet man einen schönen Ausblick in die sanfthügelige Landschaft, bevor es steil abwärts gen Dreislar geht, um weiterführend entlang eines Talweges die Spur zum Orkedorf Medelon aufzunehmen. Als zweitgrößter Urlaubsort der Region hat sich Medelon in der Ferienregion etabliert. Im Nachgang betrachtet wäre es klüger gewesen, die zweitägige Rundwanderung in Medelon und nicht im Höhenort Küstelberg zu starten. Der Grund ist einfach, denn die Schlußetappe hat es in sich. Von Medelon aus wandert man zunächst durch das Orkatal immer dem gleichnamigen Fluß entlang, der selbst oberhalb bei Küstelberg entspringt. Hier, wo im Winter auch die schönsten Loipen des Sauerlandes gespurt werden, führt ein Brutalanstieg (gefühlt 45 Grad) aufwärts zum Rösberg. “Kurz vor Küstelberg erwartet Dich ein ganz besonderer Blick vom 781 m hohen Rösberg”, so die vollmundige Bewerbung dieser Zone. Jedoch bei Lichte betrachtet waren andere Ausblickspunkte deutlich attraktiver und so wandert man am langen Ende mit geballter Faust in der Hosentasche moderat abwärts gen Küstelberg, welches selbst noch auf einer Höhe von 666 Metern liegt. Jedoch in der Gesamtbetrachtung trübt natürlich der schweißtreibende Schlussanstieg keineswegs das Gesamtbild dieser Tour.
Der Medebacher Bergweg ist mit 68 Kilometern und 2.000 Höhenmetern ein Weg der stilleren Art, aber reizvoll für alle die sich für die Weiten einer Mittelgebirgsregion begeistern wollen. Einzig die hier vorgestellte Streckenaufteilung kann man überdenken, denn mit 55 Leistungskilometern war der erste Etappentag schon sehr sportlich. Sicherlich – der benachbarte Diemelsteig sowie der Uplandsteig spielen in der Gesamtbetrachtung in einer anderen Liga, jedoch zur Abrundung ist der Medebacher Bergweg die ideale Ergänzung um die Region Upland/Sauerland in Gänze aufzunehmen. Wer noch nicht mit dieser Region vertraut ist, kann locker in einer Wanderwoche die beiden Steige und den Bergweg entdecken. 200 Kilometer aufgedröselt in gut gangbaren sechs Wandertagen – ein eindrucksvoller Rundumschlag den man nicht vergessen wird. Und die Gefahr eines Nachschlages ist groß, denn da wären noch der Sauerland-Höhenflug und der Rothaarsteig………
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