Mainz, den 11. Januar 2015
Sturmtief über Süddeutschland – Temperatursturz um 10 Grad – Windböen in den Niederungen – kurzum eine klassische Westwetterlage. Tendentiell nicht empfehlenswert für Waldexkursionen aber bestens geeignet mit Rückenwind von West nach Ost auf Panoramawegen neue Pfade zu ergründen.
Anläßlich des 1.250. Todestages des Heiligen Bonifatius wurde am 5.6.2004 ein 172 Kilometer langer Pilgerweg eröffnet, der den Spuren des Trauerzuges folgt, der den Leichnam des heiligen Mannes 754 von Mainz nach Fulda geleitete. Der “Apostel der Deutschen” war nach den Aufzeichnungen ein bemerkenswerter Mann. Stattliche 1,90 Meter groß, ein begnadeter Prediger und ein Freund des guten Tropfens. Der Informationstafel in Mainz-Kostheim ist zu entnehmen, dass der Mainzer Bischof an den Erzbischof Egberth von York die Zeilen richtete … “außerdem haben wir durch den Überbringer des Briefes statt eines Kusses zwei Weinfässer hinübergeschickt mit der Bitte Euch mit Euren Brüdern einen fröhlichen Tag zu machen”
Gestartet wird morgens um 7.00 Uhr am Leichhof des Mainzer Doms. Dieser Name leitet sich von dem einstigen Domfriedhof ab und ist heute ein beliebter Treffpunkt in der Mainzer Innenstadt. Nicht zu übersehen ist die fast drei Meter hohe Bonifatiusstatue auf der Seite zum Marktplatz. Die Pilgerstrecke selbst ist mit einem großen roten und einem kleinen schwarzen Kreuz unterlegt mit einem schwarzen Bischofsstab markiert. Großes Lob übrigens an den Rhein-Main-Verkehrsverbund RMV der just-intime binnen 24 Stunden nach Mailanforderung eine ausgezeichnete Wanderkarte übersandte!
Vorbei am Kurfürstlichen Schloß geht es über die Theodor-Heuss-Brücke zur Reduit-Kaserne, der ehemaligen Rundumverteidigungsbastion auf der gegenüberliegenden Rheinseite, dort wo die Mainspitze liegt. Hier entwässert der Main in den Rhein. Die Halbinsel Maaraue mit dem ehemaligen Floßhafen wird bereits zu frühen Morgenstunden von JOHUBI,s (Jogger und Hundebesitzer) frequentiert.
Weiter geht es zur schmucken Stadt Hochheim, dort wo 754 das Schiff von Mainz kommend mit dem Leichnam von Bonifatius anlegte. Von hier aus wurde er auf dem Landweg zu seiner Wunschgrabstätte Fulda gebracht. Dem Pilgerweg Rechnung tragend, besteht immr wieder die Möglichkeit zur Einkehr bei sakralen Stätten. Lohenswert ist allemal ein Besuch der einzigen hessischen spätbarocken Fresko-Kirche St. Peter und Paul. Nach einer kurzen Kaffeepause in der historischen Altstadt führt der Weg auf einem Panoramapfad durch die heimischen Wingerts. Dank der Wetterlage ist im Preis eine Fernsicht bis nach Darmstadt, zur Neunkircher Höhe und der markanten Spitze des Melibokus inkludiert.
Über die Flörsheimer Schweiz, die für Rhein-Main-Verhältnisse eher ungewöhnliche Höhenunterschiede bietet, eröffnen sich wiederum neue Ein- und Ausblicke. Erstmals auf der Strecke Sichtkontakt zur markanten Frankfurter Skyline. Markant auch die neue Flörsheimer Warte. Offensichtlich ist dieser Punkt der eine ganzjährig betriebene Restauration beherbergt ein beliebter Ausflugspunkt mit herrlichen Ausblicken. Die Speisekarte lockt mit einem Schoppenwein, Handkäs, Spundekäs, Flammkuchen und andere Spezereien, jedoch noch deutlich zu früh um eine Jause-Pause einzulegen.
Unter herrlicher Januarsonne mit Blick auf Downtown Frankfurt übersehe ich den Bypass nach Wicker und laufe geradewegs den herrlichen Weinpfad folgend nach Bad Weilbach. Hier hat man keine Chance dem Geruch zu entrinnen. Treffenderweise heißt die Straße auf der Strecke auch Faulbachstraße. An der Faulbachquelle haben sich bereits Einheimische eingefunden um das stark schwefelhaltige Heilwasser abzuzapfen. Auf Anfrage bestätigt eine junge Frau, dass das olfaktorisch durchdringende Nass durchaus trinkbar sei – sie es jedoch nur für ihre alte Mutter zapfe. Eine kurze sensorische Überprüfung bestätigt meine Vermutung: Weissbier ist definitiv gesünder….
Weilbach durchquerend erreicht man die Kiesgrubenlandschaft Weilbach. Das Areal ist heute eine Station des Regionalparks RheinMain und ein gutes Beispiel für eine erfolgreiche Renaturisierung des weitreichenden Tagebaugeländes. Ausgekieste Gruben wurden teilweise wieder aufgefüllt und als Naturlandschaft angelegt. Zahlreiche Ausichtstürme bieten Gelegenheit das Areal zu ergründen. Mittlerweile sind starke Böen aufgezogen und tragen signifikant zur Dynamisierung bei. Beste Vorausetzungen um den persönlichen Sauerstafftank bis zum nächsten Wochenende aufzutanken. Mit Rückenwind wird die A66 unterquert. Immer näher rückt die markante Hochhausilhouette Frankfurts. Hinter der Autobahn erinnert ein Gedenkstation an die ehemalige Bonifatiuskapelle, dort wo der Leichenzug seinerseits eine Nachtrast eingelegt haben soll. Hinein geht es nach Kriftel, dort wo die dominante Doppelfassade der neugotischen St. Vitus-Kirche das Stadtbild bestimmt.
Nach einer kurzen Mittagsrast geht es weiter nach Frankfurt-Zeilsheim. Immer im Blick der Kleine und der Große Feldberg die wetterbedingt im Minutentakt von Wolkenbändern eingehüllt und wieder freigelegt werden. Und hier sage einer, dass solch ein Wetter ungeeignet wäre für ausgedehnte Wanderexkursionen. Im Frankfurter Einzugsbereich geht es nun im 3-Kilometer-Takt Schlag auf Schlag. Hinter der Unterführung der A66 folgen Liederbach – Sulzbach und durch das mit Bäumen aus allen Erdteilen gespickte Arboretum zum Tagesendziel nach Eschborn. Nach 42 Kilometern und entspannten 560 Höhenmetern geht eine spannende Etappe zu Ende. Die nächste Exkursion zum 42 Kilometer entfernten Kloster Engelthal bei Altenstadt – man darf gespannt sein.
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