Butzbach, den 14. November 2015
Der Taunus. Automobilfans mit Faible für die Marke Ford schwelgen in Erinnerung, eingedenk des Umstandes, dass die Kölner Autoschmiede dem damaligen Zeitgeist entsprechend Fahrzeuge nach Städte und Landschaften benannte. So gab es einen Ford-Köln, einen Ford-Rheinland, einen Ford-Eifel und bis 1967 den Ford-Taunus inclusive der Taunomatic für Automatikfahrzeuge.
Kulturhistorisch betrachtet liegt das Mittelgebirge mit seiner höchsten Erhebung, dem Großen Feldberg (879 m) in Hessen und Rheinland-Pfalz, zählt zu den ältesten Gebirgszügen unseres Landes, und hat sich analog dem heimischen Odenwald durch die Absenkung des Rheingrabens gebildet. Eingekesselt vom westlich gelegen Hunsrück, vom nördlichen Westerwald und vom östlich gelegenen Gießener Becken läuft das Schiefergebirge im Rheingau aus. Zwischen Vordertaunus und Hintertaunus liegt der Taunuskamm, und hier speziell der Taunushöhenweg als Ziel der kommenden Wanderexkursionen. Durchaus rauh ist das Klima des dünn besiedelten Landstrichs. Aus meteorologischer Sicht bildet der Taunuskamm eine Wetterscheide, was man durchaus merkt, wenn man sich auf dem Höhenkammniveau bewegt.
Offiziell ist der vom Taunusclub sehr gut markierte Wanderweg (Schwarzes T auf weißem Spiegel) in acht Etappen, ausweisend 141 Kilometer und knapp 7.000 Höhenmeter, eingeteilt. Als Teil des Europäischen Fernwanderweges E 3, der Ardennenweg, startet man idealerweise in Butzbach. Die Stadt beheimatet mehr als 12.000 Seelen und war einst Residenz- und Kasernenstadt. Eine weitreichende Kulturhistorie wird durch den Umstand belegt, dass Butzbach an der Limes-Straße und an der Deutschen Fachwerkstraße liegt. Bemerkens- und sehenswert ist allemal der historische Marktplatz mit Fachwerkbauten aus dem 16. Jahrhundert. Von Butzbach aus wird die Fährte auf den 75 Kilometer langen Taunushauptklamm aufgenommen, der die Wasserscheide zwischen der Lahn und dem Main bildet. Der Trail bildet somit die wichtigste Ost-West-Verbindung durch den Taunus.
Rasch ist der Westen der Stadt erreicht, um bereits auf dem ersten bewaldeten Höhenzug auf den Limes zu stoßen. Der Mischwald macht in diesem Bereich einen unaufgeräumten Eindruck. Dicht und strukturlos be- und verwachsen, blätterlose Stämme recken sich in den tristen Novemberhimmel, die Farbopulenz der letzten Wochen, vom Winde verweht. Zur frühen Morgenstunde und auch während des gesamten Trails ist kein Wanderer anzutreffen – scheinbar müssen hier überall Schilder angebracht sein: „Von November bis März: Betreten verboten“.
Der Taunusklub hat wohlweise schöne gangbare Waldpfade abseits der Hauptwirtschaftswege gewählt, teilweise etwas eingewachsen, teilweise von umgestürzten Bäumen geprägt – eben naturbelassen. Weitreichende Erdbewegungsspuren von marodierenden Wildschweinrotten nebst dicht bewachsenen Nadelgehölz belegen, dass man hier nicht alleine in der Waldstube ist.
Bald ist der kleine Weiler Hausen erreicht. Einfache Fachwerksbauten veranschaulichen, dass man sich hier in einem dünn besiedelten Areal mit einer ländlich geprägten Historie bewegt. Hinter Hausen geht es stetig aufwärts zum 486 Meter hoch gelegen Hausberg, umringt von einem keltischen Ringwall, wo seit 2008 ein markanter Aussichtsturm installiert ist. Zahlreiche Informationstafeln geben einen Einblick über die bemerkenswerte Kultivierung dieses Landstriches. Noch eingetrübt die Sicht am frühen Novembermorgen. Bei schönem Wetter hat man hier die Chance weit in das Gießener Becken zu blicken, nebenan die Höhen des Westerwaldes zu ergründen und südlich bei Klarsicht den Bergsträßer Melibokus auszumachen. Gegenüber erhebt sich majetätisch der Große Feldberg, noch eingehüllt in den Wolkenschwaden. Mächtig zieht es oben am Aussichtsturm.
So geht es der Wegweisung folgend abwärts durch schöne Waldpfade zwischen dem Hinterstem Kopf (491m) und dem Hainbuchenkopf (492m) durchschlängelnd Richtung Bodenrod im Usinger Land. Bemerkenswert an diesem Tag, dass scheinbar eine ganze Jägergarnison im Einsatz ist. Aus allen Ecken kracht es. Scheinbar ist heute Jagdtag. Und tatsächlich – kurz vor Bodenrod erreiche ich eine Absperrung, nachdem ich mitten durch das Jagdareal gezogen bin. Wohlweislich hat niemand damit gerechnet, dass in den frühen Morgenstunden ein Wandersmann das Revier von hinten betritt. Ich hege die Hofffnung, dass die Jagdleute, die sich an den Jägersitzen positioniert haben wohlweise zwischen Zwei- und Vierbeiner unterscheiden können. Nachdem ich einige Treiber ausmache, spielt man automatisch Worst-Case-Szenarien durch, wie beispielsweise: “Wie sollte man sich verhalten, wenn eine angeschossene Wildsau den Weg kreuzt.”
Bodenrod ist erreicht. Die besten Zeiten sind lange verblüht, der im Wandeführer empfohlene Blick auf das alte Schulhaus von 1680 lohnt nicht wirklich. So geht es vorbei an Pferdekoppeln hinein in das nahe gelegene Dorf Maibach. Schön anzusehen die in der Dorfmitte errichtete Kirche aus dem 18. Jahrhundert. Landschaft handelt es sich hier um einen bemerkenswerten Abschnitt. Entlang des Michelbaches führt der Wanderweg zu den westlich gelegenen Fischteichen vorbei an sehr markanten Schieferfelsformationen – die als Synonym für die Maibacher Schweiz stehen. Dieses Usinger Gebiet ist auch ein beliebter Zielort für Kletterer, die an den Basalt- und Schiefersteinen trainieren.
Es folgt das Michelbachtal, dem Flüßchen Usa folgend Richtung Kransberg, ein Stadtteil von Usingen. Der alte Stadtkern hat ebenso seine Blütezeiten hinter sich. Markant erhebt sich Schloß Kransberg über den Ort. Der Zustand des Schlosses, im Dritten Reich als Teil des Führerhauptquartiers Adlerhorst genutzt, von den Alliierten als Gefängnis annektiert und nunmehr von einer türkischen Investorengruppe erworben, dokumentiert eindeutig daß ein Investitionsstau vorhanden ist. Unterlegt mit der Tristesse eines Novembertages und des zu bemerkenden Umstandes, dass mangels Einkehrmöglichkeit, (kein Bäcker, kein Metzger, kein Cafe, die Inhaber der Gaststube im Ortszentrum scheinbar weggestorben), kein längerer Aufenthalt in diesem Ort angebracht ist, empfiehlt es sich die Wegfährte entlang des Limes aufzunehmen. Schöne gangbare Waldabschnitte führen nach einigen Kilometern zu einem Naturschonwald, dort wo Restspuren eines Kleinkastells zu besichtigen sind.
Weiter geht es immer dem Limesweg folgend zum Kastell Kapersburg der am besten erhaltenen römischen Militäranlagen des Obergermanisch-Rätischen Limes. Das Badhaus, Lagerhäuser und Schlafstätten sind in den Grundmaueern teilweise rekonstruiert. Aufwändig gestaltete Informationstafeln geben einen vielschichtigen Eindruck in das römische Kastellleben.
Von hier aus geht es stetig bergab zur Saalburgsiedlung, dort wo man nach 37 Kilometern und knapp 1.000 Höhenmetern via Bahn die Gelegenheit hat mit zwei Umstiegsstationen den Ausgangsort Butzbach zu erreichen. Zu beachten ist, dass es unterwegs nicht wirklich Einkehrmöglichkeiten gibt und man sich auf eine Heil- und Fastenwanderung einstellen sollte, was dem Wandervergnügen aber keinen Abbruch tut.
Der kommende Taunushöhenwegtrail wird an der Saalburgsiedlung einsetzen, um von hier aus die drei Kilometer entfernte mächtige Saalburganlage zu erreichen und um dann die Spur aufwärts zum Großen Feldberg aufzunehmen. Man darf gespannt sein.
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