Miltenberg, den 30. April 2023 – “Wandern, staunen und genießen” so der Titel der aufwändig gestalteten Wanderbroschüre einer kommunalen Trägerschaft aus mehreren Spessartgemeinden, die nach achtjähriger Vorarbeit einen spannenden 40 Kilometer langen Themenweg entwickelt haben, der dem Stein der Region, dem roten Sandstein gewidmet ist und im letzten Jahr fertiggestellt wurde.
“Von sakraler Schönheit. Die berückende Ästhetik von Sandstein setzt ein spektakulärer „Erlebnisweg“ ins Bild” berichtete unlängst die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Fürwahr. Der Weg ist reich bestückt an jahrhundertalten Sandsteinexponaten, sei es in gebauter Form oder in künstlerischen Werken, sowie an mächtigen Sandsteinbrüchen inklusive Restspuren der industriellen Verarbeitung. Wohldossiert kann der Besucher auf sieben eindrucksvollen Etappen die Geschichte des Buntsandsteins inhalieren. Wer im Rahmen einer ausgedehnten Tagestour für die komplette Dosis aufnahmefähig ist, dem sei dieser Tourenvorschlag über die komplette Strecke ans Herz gelegt, die wunderbare Mainlandschaft im südwestlichen Korridor des Mainvierecks gibt es als Dreingabe kostenlos dazu.
Gestartet wird am, für Miltenberger Verhältnisse ungewohnt, kostenfreien Mainparkplatz Schwertfegertor, ein optimaler Einstiegspunkt, um just gegenüber in serpentinenartigen Schleifen dem Bismarckweg zu folgen, um direkt an einem ehemaligen Sandsteinbruch hinauf zum Naturdenkmal Felsenmeer zu wandern. Sicherlich könnte man auch geneigt sein, direkt vom Main steigungslos und unmittelbar in die sehenswerte historische Altstadt Miltenbergs zu gehen, die zudem mit zahlreichen Sandsteinbauten anschauliche Objekte bietet. Jedoch der Gang hinauf zum Felsenmeer ist sehr zu empfehlen, zudem man einerseits als Erstorientierung einen schönen Blick auf Miltenberg nebst Mainbogen hat und zudem man direkt an der Mildenburg vorbeikommt. Spätestens hier merkt man, dass es unmöglich ist an Sandstein nicht vorbeizukommen.
Von der Mildenburg geht es abwärts zum historischen Miltenberger Marktplatz, dem Schnatterloch, über den schon öfters in diesem Blog berichtet wurde. Der Sandsteinweg führt durch die Miltenberger Innenstadt, vorbei an zahlreichen Sandsteinbauten nebst kunstvollen Sandsteinverzierungen bis hin zum -natürlich aus Sandstein- errichteten Würzburger Tor.
Vom Würzburger Tor geht es nahtlos hinüber nach Bürgstadt dort wo bereits seit Jahrhunderten ein hervorragender Spätburgunder angebaut wird. Sandsteintechnisch beeindruckt das markante Renaissance-Rathaus und die Martinskapelle mit ihren bemerkenswerten Wandmalereien. Zudem war Bürgstadt ein strategisch wichtiger Ort für die sandsteinverarbeitende Industrie. Hier am Mainufer gegenüber den auf der anderen Uferseite gelegenen Sandsteinbrüche waren Bürgerstädter Steinmetzfirmen angesiedelt, die auch eine Fährstation nebst Verladekran unterhielten. Über die mächtige Martinsbrücke quert man den Main um in die “Mainhölle” einzusteigen.
Konnte man in Miltenberg und in Bürgstadt die verarbeiteten Sandsteinprodukte hin- und ausreichend besichtigen, so geht es auf der gegenüberliegenden Seite in den eigentlichen Maschinenraum der unterfränkischen Sandsteinindustrie, in die gewaltigen Sandsteinbrüche, die sich an sogenannten “Prallhängen” regelrecht aneinander reihen. Hier legt die “Mainhelle“, der Volksmund spricht sogar von “Mainhölle“. Vermutlich wurde der Begriff Mainhelle von der hell leuchtenden Farbe des hier aufgeschnittenen Sandsteins abgeleitet. Mit teilweise hochkriminellen Methoden wurde hier der Sandstein abgebaut, wie die zerklüfteten und heute noch abgesturzgefährdeten Felsüberhänge belegen. Die Steinbrüche wurden im Mittelalter aufgeschlossen und bedeutende Bauten, wie beispielsweise der Frankfurter Dom, wurde aus diesem Sandstein errichtet.
Von Kirschfurt wandert man auf sehr schönen Wegen vorbei an weiteren ehemaligen Sandsteinbrüche, wobei der Weg zudem durch ein Natur- und Vogelschutzgebiet führt, als Ergebnis einer gelungenen Renaturierung im Maingebiet. Die Steinbrüche Reistenhausen ziehen sich hier über eine Länge von 1,8 Kilometer und kragen bis zu 90 Meter hoch aus. Vor Collenberg sollte man auf jeden Fall die zwei Kilometer lange Schleife in westlicher Richtung mitnehmen, denn man kommt am Jüdischen Friedhof Collenbergs vorbei. Eine Schautafel informiert darüber, dass Grabsteine in jüdischen Friedhöfen bereits seit dem 15. Jahrhundert verpflichtet waren, während diese erst dreihundert Jahre später in christlichen Friedhöfen eingebracht wurden. Zudem wurden jüdische Grabsteine oft mit Symbolen versehen, die einen Hinweis auf die Funktion des Verstorbenen beinhalteten.
Ergänzend kann man auch in Collenberg wiederum zahlreiche beeindruckende Sandsteinbauten besichtigen. Ein absolutes Highlight der gesamten Etappe ist in der Ortsmitte in der “Alten Kirche” eingebracht. Hier hat man mit viel Aufwand ein kleines aber feines Sandsteinmuseum eingebracht, didaktisch hervorragend aufbereitet und mit medialer Unterstützung bereichert. Eintritt frei – tagsüber geöffnet.
Von Collenberg aus wandert man hinüber zur Burgruine Kollenburg, die jedoch anders als es der Namen vermuten läßt bereits auf der Dorfprozeltener Gemarkung liegt. Vom Burgareal führt der Buntsandsteinweg offiziell über den Marienpfad auf einen Weg, der über die Oberkante der Buntsandsteinbrüche von Dorfprozelten führt. Die Wegeführung kann man sich schenken, den beeindruckender ist es von der Burg Kollenburg abzusteigen um die Bahnunterführung an der Staatsstraße 2315 zu queren, um weiter auf dem Radweg gen Dorfprozelten zu wandern. So kann man in bewährter Art und Weise die Sandsteinbrüche von unten nach oben inspizieren.
Die Sandsteindichte führt zur Unachtsamkeit. In Dorfprozelten verpasse ich, obschon in der Streckenführung eingeplant, das dortige Museum am Bahnhof, dort wo Reste der einstigen Bergbremsbahn als Exponat ausgestellt sind. Mit dem Bildungsdefizit lässt es sich dennoch Leben angesichts des Umstandes, dass auf dem Pfad gen Stadtprozelten eine Einkehr auf der Burgterrasse der Henneberg winkt, die immerhin für satte drei Millionen Euro in einen ansehnlichen Zustand ertüchtigt wurde. Der Rest – die Kür. Von der Henneburg geht es perspektivisch abwärts zum drei Kilometer entfernten Faulbach, dort wo der Buntsandsteinweg an einem Industriedenkmal unweit des dortigen Bahnhofs endet. Rückfahrt per Bahn zurück nach Miltenberg welches nach 22 Minuten Fahrtzeit wieder erreicht ist.
Der unterfränkische Buntsandsteinweg – vierzig pracht- und eindrucksvolle Kilometer sowie 770 Höhenmeter, die sich gut verteilen. Ein Themenweg der einen hervorragenden Einblick über den Buntsandstein im Generellen und die regionale Bedeutung des Steins im Speziellen gewährt. Das Ganze hervorragend konzeptioniert, vorbildlich umgesetzt, aufwändig und eindrucksvoll gestaltet. Sei es die eh da gebauten Anschauungsobjekte in den Kommunen, die kunstvollen Sandsteingestaltungen an den Fassaden und am Wegesrand, die kulturbehafteten Erinnerungsobjekte an Gedenkstätten und die reich- und werthaltigen Informationen in Museen und an Informationsstelen. Abgerundet durch Vorort-Einblicke in ehemalige Buntsandsteinbrüche und unterlegt mit ausgezeichneten Informationsbroschüren und einem konzeptionell professionell ausgestalteten Internetauftritt unter buntsandstein.de. Und landschaftliche Bonuspunkte gibt es zudem……
Vielen dank für diesen lobenden Bericht über das Projekt mit Weg und Ausstellung. Für den Initiator und Projektverantwortlichen ist das natürlich der erträumte Ausgleich für die investierte Zeit und den zwar spannenden, aber auch mühsamen Weg von der Idee bis zur Realisierung. Dabei verwundert es doch sehr, dass das Projekt “von außen” mit weit mehr Anerkennung bedacht wird, als in der unmittelbaren Umgebung. Vielleicht liegt es daran, dass der rote Sandstein und alles, was daraus entstanden ist, für uns hier “normal und irgendwie selbstverständlich” geworden ist und deshalb nicht mehr als Erlebnis wahrgenommen wird.
Herzlichen dank jedenfalls und weiter viele positive Erfahrungen auf Ihren Wanderungen.
Herzlichen Dank Herr Mayer. Obschon natürlich die Erkenntnis “Der Prophet im eigenen Lande…” auch hier seine Anwendung findet, glaube ich aber auch, dass sich mit der Zeit auch Dank Ihrer Arbeit das Bewusstsein für die regionalen Schätze geschärft wird.Beste Grüsse in die Nachbarschaft
Deine eindrucksvollen Fotos und die Wegbeschreibung haben uns wieder einmal animiert, eine Deiner Marathon-Wanderungen nach zu wandern. Der Buntsandsteinweg ist beeindruckend abwechslungsreich und hat uns sehr gut gefallen. Danke für diese Inspiration!
Hallo Ihr Beiden,
schön dass Ihr noch dynamisch unterwegs seid – und in der Tat man kann auch noch in unserer Heimat immer wieder interessante Touren entdecken.