Barbarei am Barbarenstein

Birklar, den 18. Januar 2022 – Nicht alle Wege führen nach Rom. Zählte schon 200 n.C. die nördliche Wetteraustrecke des Limes zu den stärker gefährdeten Grenzabschnitten in Obergermanien, so sind 1.800 Jahre später Streckenbegehungen des römischen Grenzwalls in dieser Region logistisch herausfordernd. So wurde diesmal eine Rundwanderung mit Wendepunkt im mittelhessischen Butzbach eingeplant, um jeglichen Stress mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu vermeiden.

Gestartet wird im Gießener Becken, in Birklar, am nördlichsten hessischen Zipfel der ehemaligen römischen Befestigung. Hier trafen die Römer auf die Chatten, vor denen die Südeuropäer sichtlich Respekt hatten. Der römische Autor Tacticus wusste zu berichten: “Die Menschen des Stammes Chatten haben kräftigere Körper, straffere Glieder, drohenden Blick und eine größere geistige Kraft”. So war es nicht verwunderlich, dass die Römer, die normalerweise keine feindlichen Ansiedlungen im Vorfeld des Limes duldeten hier eine Ausnahme machten und die hier ansässige Gruppierung sogar vertraglich zum Grenzschutz verpflichtete. Hier gilt durchaus die Erkenntnis aus der modernen Managementlehre:  “Einem Feind kannst du mehr trauen als einem Freund”. Durch die offene Landschaft geht es mit viel Ausblicken durch die Region Münzenberg über die schon im Rahmen der Lutherwegsexkursionen auf diesem Blog berichtet wurde.

Die Zahl des Tages: 40. Für den einen “Happy Birthday”, für den anderen geplantes “Happy Walking” als Kilometerrichtschnur für die heutige Tour.
Den Wachtposten WP 4/62 hat man an dieser Stelle zwischen Birklar und Langsdorf durch einen Aussichtsturm ersetzt
Bereits aus der Ferne kann man die Silhouette von Burg Münzenberg ausmachen
Bäume entfalten im Winter ihre eigene Ästhetik
Burg Münzenberg nun zum Greifen nahe
Quarzsand wird bei Gambach abgebaut

Die Höhenzüge des Taunus vor Augen geht es durch die Klosterwiesen von Rockenberg entlang des Münzenberger Weges nach Butzbach, dort wo nach sechzehn Kilometern die eigentliche Limeswanderung einsetzt. In der Butzbacher Gemarkung selbst gab es einst zwei römische Kastelle, von denen allerdings keine Reste mehr erkennbar sind. Einzig die älteste Fachwerkskirche Hessens kann man in Butzbach als gebaute Historie besichtigen.

Die älteste ägyptische Pyramide ist 4.700 Jahre alt. Die “Erste Wetterauer Nudelfabrik” schaffte gerade mal ein halbes Jahrhundert und ist heute als Butzbacher Nudelruine bekannt…
Stabiler und langfristig nachhaltiger dagegen die bewährte Fachwerksbauweise die man in der adretten Butzbacher Innenstadt bewundern kann
Auch wenn in Butzbach keine römischen Reste mehr anzutreffen sind, eine Erinnerungskultur wird durchaus betrieben

Mitnichten war der Limes eine unüberwindlich militärische Sperrzone. Im Gegenteil. Primär diente er als Kontrolle von Ein- und Ausfuhren von Handelsware und als Personenkontrolle. Clever waren sie schon die Römer. Man zog üblicherweise auf den Karten einen geraden Strich, ungeachtet der Landschaftstextur. Fertig war der Grenzverlauf. So bedeutet das Wort Limes auch „der künstlich gebahnte und gerade, ein Gebiet durchquerenden Weg”. Demgemäß wandert man ab Butzbach zunächst gute acht Kilometer kerzengerade am ehemaligen Grenzwall entlang. Gerade Strecken hatten für Römer einen wesentlichen Vorteil. Man errichtete in Sichtweitenabstand Wachtürme, beschleunigte dadurch die Nachrichtenübermittlung und dokumentierte zudem gegenüber den “unzivilisierten” Germanen in beeindruckender Art und Weise die Fortschrittlichkeit des römischen Imperiums. Alleine auf der acht Kilometer langen Strecke wurden fünfzehn Wachtürme errichtet.

Wer will kann auch den 818 Kilometer langen Limes Radweg zwischen Rhein und Donau nutzen. Per E-Bike locker in einer Woche abspulbar
Noch heute erkennt man auf dem schnurgeraden Abschnitt hinter Butzbach wunderbar den Verlauf des Limes. Einzig die drei Meter hohen Pfahlbewehrungen muss man sich hinzudenken.
Alarm für Allergiker: Haselnußblüte – vier Wochen zu früh
Schier undurchdringlich
Eine einsame Landmarke in der Wetterau

Am ehemaligen Standort des Wachturms 4/49 , dort wo die Chatten zunächst Widerstand leisteten, wurden unter Regentschaft von Kaiser Hadrian Holztürme durch Steintürme ersetzt, die Grenzwehr durch Wall und Graben verstärkt und der Palisadenzaun optimiert. Gerade einmal sechzig Jahre hielten die Grenzanlagen, dann vertrieben die Alemannen die Römer nach Gallien und der Rhein war seit dem wieder die klassische Grenze. Just neben dem rekonstruierten Wachturm befindet sich der Barbarenstein befindet sich ein Gedenkstein, der Barbarenstein. Die römische Inschrift bedeutet “Dem Andenken der Römer, ein Barbar im Jahre 1912” und reflektiert auf die Geschichtsdeutung zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die auf eine Polarisierung zwischen römischer Zivilisation und einem verklärten Germanentum abzielte. Es muss jedoch ein Barbar der jüngeren Zeit gewesen sein, der der Inschrift BARBARVS deutlich zusetzte. Scheinbar hatten die Römer schon einen richtigen Riecher….

Der rekonstruierte Wachtposten 4/49. Von hier aus kann man das Wetter- und Lahntal gut überblicken
Barbarei am Barbarenstein. Die Inschrift BARBARVS wurde deutlich in Mitleidenschaft gezogen

Entlang des Pfahlgrabens (der wirklich so heißt) umrundet man großzügig die Kommune Grüningen, quert die A5 auf Höhe der Raststätten Limes Ost und Limes West, um in einen Waldabschnitt südwestlich von Lich einzutauchen. Vorbei an den Peterseen, die vom Fluss Wetter gespeist werden, erreicht man Kloster Arnsburg. Hier lohnt eine Besichtigung und an warmen Tagen empfiehlt sich zudem eine Einkehr im Biergarten der “Alten Klostermühle”, die zu Hessens 50 besten Dorfgasthäusern zählt. Hinter dem Kloster biegt man kurz vor Muschenheim in östlicher Richtung ab, um nach 41 Kilometern und unspektakulären 490 Höhenmetern Birklar wieder zu erreichen.

Die wahre Bedeutung des Verkehrkennzeichens VZ 112…….,
Der letzte Posten: Ein hölzerner Römer steht noch im Wald herum…..
Erneuerte Fundamentreste des Steinturms 4/56 können “Am Kolnhäuser Kopf” besichtigt werden können
Die Wetter, die am Vogelsberg entspringt und Namensgeber der Wetterau ist, speist hier die Seenlandschaft mit Wasser
Die Kriegsgräberstätte am Kloster Arnsburg
Standhaftes in der Wetterau
Zurück am schmucken Schulhaus von Birklar, einem Stadtteil von Lich, welches nach Meinung einer lokalen Brauerei im Herzen der Natur liegt.

Auch die vierte Limesetappe – eine abwechslungsreiche und geschichtsträchtige Wanderung durch die mittelhessische Wetterau. Der nächste Limesabschnitt wird anspruchsvoller. Die Höhenzüge des Taunus werden ihren Tribut fordern und mit dem Römerkastell Saalburg steht ein absolutes Highlight des gesamten Limes auf der Wanderagenda.

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