81 römische Meilen……

Öhringen, den 16. März 2023 – 81 römische Meilen – respektive 120 Kilometer. Römische Soldaten schafften bereits vor 1.800 Jahren zu Fuß  20 bis 25 römischen Meilen pro Tag, das sind 30 bis 37 km – und dass ohne High-Tech-Wanderstiefel, doppelwandige Treckingsocken und wetterabsorbierende Funktionsklamotten, ohne gut gefüllten Rucksack und ohne GPS-Gerät, Smartphone, Traubenzucker, Thermoskanne und sonstigen Schnickschnack. Als bestens ausgestatteter Langstreckenwanderer des 21. Jahrhunderts lässt sich solch eine Passage die zudem mit 2.500 Höhenmeter gut bestückt ist, auch heute noch als eindrucksvolle dreitägige Streckenwanderung im nördlichen Vorzimmer der Schwäbischen Alb absolvieren. Diese Limes-Passage ist zudem außergewöhnlich, denn man wandert zwischen Obergermanien und Raetien, dort wo der markante Limesknick bei Lorch gen Osten einschwenkt.

Öhringen – Murrhardt

Gestartet wird diese Limesexkursion in Öhringen – wobei am ersten Tag als Zielort Murrhardt , welches im Zentrum des Fränkisch-Schwäbischen Waldes liegt, vorgesehen ist. Die Originalroute des Limeswanderweges verläuft offiziell über die Cappelauen in Öhringen durch das ehemalige Areal einer Landesgartenschau. Jedoch bietet es sich an zunächst gen Süden direkt nach Pfedelbach, vorbei am dortigen Schloß zu wandern. Durch die Apfelplantagen und Weinberge schwenkt man im Anschluß bei Harsburg wieder auf den Limeswanderweg ein, um am Sockel des außergewöhnlichen Sechseckturms, dort wo ein markanter Limesblick eingerichtet wurde, wieder auf den ehemaligen römischen Grenzverlauf zu stoßen.

Einstieg an der Römerbadunterführung unweit des Öhringer Bahnhofs
Blick zurück auf Schloß Öhringen, welches vor mehr als 400 Jahren errichtet wurde
Falsche Wege: Für den Destillatweg ist es noch entschieden zu früh – und die Kelten waren schon für den Römern da
10 Stunden Sonnenschein sind angekündigt
Vorbei am Renaissanceschloss Pfedelbach
Und vis-a-vis vom Schloss kann man den regionalen Gepflogenheiten entsprechend ein “Schwätzle” halten
Blick auf das Scharlottenschlösschen am Charlottenberg
Stimmungsvolle Perspektiven bei der Wanderung durch das Ohrntal
Hier wird professioneller Apfelanbau betrieben…
..wobei die Hege und Pflege der kultivierten Flächen….
.. schon aufwändig ist
Spätwinterliche Farbenpracht im Feld
Auch eine Idee – Zapfsäule als E-Bike-Tankstelle weiterentwickelt
Grandiose Symbiose: Ein Gefängnis und eine Schnapsbrennerei unter einem Dach. Bis in die 40er Jahre des 20. Jahrhunderts wurden Gauner im oberen Gebäudeteil arrestiert, während unten feine Obstbrände hergestellt wurden. Ob hier in Harsberg manch ein Halunke freiwillig seinen Aufenthalt verlängert hat ist nicht wirklich überliefert
Aufwärts zum Limesblick
Von hier aus hatten die Römer Sichtkontakt bis zum 45 Kilometer entfernten Kastell Hönehaus
Außergewöhnlich am Limes war die sechseckige Form des Wachturms Nr 9/51 und beeindruckend die Tatsache, dass römische Vermessungstechniker den auf dieser Strecke kerzengerade Limes mit einer Abweichung von lediglich 92 cm auf 50 Kilometer errichteten, und das ohne Laser und Google Maps
Hier behält man den Überblick

Vom Limesblick wandert man hinüber zum Gleichener Waldsee um nach einem Waldabschnitt auf der Höhe des ehemaligen Wachturms 9/57 wieder auf den kerzengeraden Streckenverlauf des damaligen Limes bis nach Mainhardt einzuschwenken. Rücksicht auf die bestehende Landschaftstextur nahmen die Römer keine. So geht es passagenweise sehr steil auf- bzw. abwärts – was den Streckenverlauf in Gänze jedoch sehr lebendig macht. Im Weiler Grab wurde auf dem Heidenbuckel, dem zweithöchsten Geländepunkt des obergermanischen Limes in Baden-Württemberg ein Limes-Steinwachturm in voller Höhe rekonstruiert. Nach weiteren abwechslungsreichen zehn Kilometern ist die erste Übernachtungsstation in Murrhardt erreicht

Kleine Weiler und Aussiedlerhöfe prägen das Landschaftsbild dieser Region
Kurz vor Winterende am Gleichener See
Mitten im Wald ein Tor der Wünsche
Teilweise geht es steil auf- und abwärts
..wobei die ärgsten Passagen mit Gehhilfen ausgestattet sind
und nach einigen Auf- und Abstiegen lässt man sich gerne auf einer Limesbank nieder
Alleine in Deutschland gibt es 44 offizielle Römermuseen wie hier in Mainhardt. Eines eint alle: zumeist geschlossen, wenn man vorbeiwandert….
Nachbildung eines römischen Meilensteins der üblicherweise an den Fernstraßen des Imperiums stand. Eine römische Meile waren 1.478 Meter
Gut eingebaut – eine zweckdienliche Sitznische in der Baumgruppe
Farbenpracht im seichten Gewässer
Über mangelnde Abwechslung braucht man sich auf diesem Pfad nicht zu beschweren
Und echten Römerfans sei als letzte Ruhestätte der Friedhof Limeswachturm empfohlen – sinnigerweise im Weiler Grab…….
Der rekonsturierte Wachturm am Heidenbuckel
Kreative Waldbestuhlung am Heidenbuckel
Der Bischhoftstab deutet auf eine Grenzgemarkung (vermutlich) des Kloster Lorchs hin
Solche Schilder sind fernab der Industriemarkierung die Schönsten
Aufwendiger aber auch ansehnlich ist diese Markierungsform
Und wer in Murrhardt Station macht, dem sei hochgradig das Gasthaus Eiche zu empfehlen. Der Bruder des verstorbenen Starfriseurs Udo Walz lässt hier ein außergewöhnlich schmackhaftes regionales Bier brauen. Bereichernd zudem das Gespräch mit dem Hausherrn.

Murrhardt – Schwäbisch Gmünd

Mit 45 Kilometern und 1.000 Höhenmetern ist diese Limesetappe eine der Anspruchsvollsten entlang des gesamten Grenzwalls. Hinzu kommt dass man entlang dieser Strecke einen der markantesten Verlaufspunkte der Weltkulturerbe-Grenze passiert, den Limesknick bei Lorch, dort wo die römischen Provinzgrenzen Obergermanien und Raetien aufeinandertrafen, und dort wo die Grenzbefestigung Richtung Osten verschwenkte. Vom Zentrum in Murrhardt wandert man durch den Stadtgarten der von der auf einem Hang errichteten Walterichskirche als Blickfang geprägt ist. Der Limesweg schraubt sich gen südöstlicher Richtung aufwärts zum Köcherberg und in der Folge weiterführend über ein Hochplateau das über kleine Aussiedlerweiler wie Schloßhof, Weidenhof, Gaumansweiler, Eckartsweiler und Seiboldsweiler gen Welzheim führt. Zahlreiche Kastellfundamente wurden ausgehoben und konserviert. Je länger man am Limes wandert, desto inflationärer wird der Anblick der restaurierten Wachtürme.

Durch den Murrhardter Stadtpark
Schier endlose Blicke über die Weiten der Agrarlandschaft
Gerade einmal 40 Kilometer ist Stuttgart 21 entfernt
Gefühlt ist jeder fünfte der insgesamt 900 Wachtürmen entlang des 550 Kilometer langen Limeswanderweges freigelegt worden
Kleine Gehöfte wie hier in Schloßhof prägen das Landschaftsbild in der Region
Hier leben nur glückliche Hühner…
…während gegenüber dieses Teil schon in den Ruhestand geschickt wurde
Bautechnisch ein absolutes Meisterwerk zu seiner Zeit – ein 81 Kilometer langer schnurgerader Grenzverlauf
Hier knickt der Limes ein…..
Nichts für zarte Gemüter: tagelange Regengüsse erschweren den Gang über den Limeswanderweg
Hier sieht man noch sehr deutlich sogenannte Geleispuren im Fels – antike Rinnen die an steilen Felspassagen von römischen Fernstraßen angelegt wurden. Clever waren sie schon damals – die alten Römer.
..und große Kriegstaktiker zudem, wie diese Schautafel eindrucksvoll belegt
Dafür punkten wir im 21. Jahrhundert mit anderen Errungenschaften. Wer seine Körner noch nicht auf der Strecke gelassen hat, der kann seine überschüssigen Kräfte mitten im Wald abbauen

Folgt man dem Limeswanderweg so lässt man am Limesknick die Stadt Lorch buchstäblich links liegen und wandert weiter zur mächtigen Klosteranlage Lorch, welches bereits 1102 als Grablege der Staufer errichtet wurde. Normalerweise wäre eine Besichtigung der Klosteranlage angezeigt, jedoch wird an diesem Tag eine große Gartenausstellung, die entsprechend hoch frequentiert ist, ausgerichtet, so dass am langen Ende die Weiterflucht über den Wanderweg die sinnvollere Variante gewesen war. Mit Blick auf die gegenüberliegenden Ausläufer der Schwäbischen Alb sind es vom Kloster Lorch noch gute zwölf Kilometer bis zum Tagesziel Schwäbisch Gmünd. Die Streckenführung ist abwechslungsreich und von guter Textur. Einzig der Gang vom nördlichen Ortsrand der 61.000 Einwohner zählenden Stadt zieht sich gefühlt endlos bis zur Stadtmitte – am langen Ende wandert man fünf Kilometer bis zum Markplatz, davon drei Kilometer entlang der Rems.

Eine bewährte Combo: Replikat eines Wachturms nebst angedeuteter Limesbefestigung
Gartenfest im Kloster Lorch
Sichtkontakt mit der Schwäbischen Alb
Eine langjährige Symbiose am Wegesrand
Vor den Toren von Schwäbisch Gmünd wurde hier ein bemerkenswerter Wechsel der römischen Grenzanlage nachgebildet. Hier an dieser Nahtstelle stoßen die raetische Mauer und die Holzpalisaden des obergermanischen Limes aufeinander. Jedoch die raetische Mauer war in Wahrheit ebenso hölzern. Man rammte Holzpfähle ein und legte eine weiße Putzschicht drüber, die man mit roten Quaderfugen ausmalte. Fertig war eine imposante “Steinmauer” Ergo mehr Schein als Sein – und das schon zu römischen Zeiten
Und unweit der Mauerdarstellung steht ein weiteres Relikt aus alten Zeiten – ein ausgedehnter Bus der Fluggesellschaft, die weltweit die ersten interkontinentalen Flüge anbot.
Schwäbisch Gmünd – die älteste Stauferstadt mit prägnanten mittelalterlichen Bauten einerseits..
..und einem mutigen Blickanker der Moderne andererseits

Schwäbisch Gmünd – Hüttlingen

Waren die ersten beiden Tagesetappen steigungs- und streckentechnisch bedingt durchaus anspruchsvoll, so gestaltete sich die letzte Etappe dieser Limestour eher als entspannende Genußwanderung. Ohne nennenswerte Steigungen zieht sich der Limeswanderweg von Schwäbisch Gmünd zunächst dem Flussverlauf der Rems folgend bis nach Böbingen um von hier aus gen Nordosten in den Vorhof der Ellwanger Berge zu verziehen. Waldgebiete sind entlang der Strecke rar, jedoch faszinieren die Ausblicke in die Weiten der Hochplateauflächen, die von den Ellwanger Bergen nördlich und der Schwäbischen Alb südlich begrenzt werden. Interessanterweise sind hier auf ehemaligen Raetischem Boden wiederhergestellte Relikte der Römischen zeit nicht wirklich auszumachen. Einzig ab und an angebrachte Schilder die über die Geschichte der gewaltigen Befestigungsanlage informieren, erinnern daran, dass man hier nach wie vor auf den Spuren der einstigen römischen Besatzer wandelt.

Tagesstart in Schwäbisch Gmünd
Nette Idee: Bilderrahmen wie hier Hussenhofen könnte man öfters einsetzen
Blick hinüber zur Schwäbischen Alb
Blick in das Welland gen Ellwanger Berge
Ein vorbildlicher Arbeitsplatz zur saisonalen Holzbearbeitung
Die einzig auffällige Landmarke entlang dieses Regionalabschnittes der Ostalb
In toto ist der Weg gut ausgeschildert, jedoch kann man ohne GPS-Einsatz in einigen Abschnitten auf offener Fläche durchaus Probleme haben den Limesverlauf zu lokalisieren
Das Wort Kriegswart ist in unserem Sprachgebrauch untergegangen. Im Mittelalter bezeichnete man damit Stellungen die sich dafür eigneten den Feind auszuspähen.

81 römische Meilen respektive 120 Kilometer – eine eindrucksvolle Streckenwanderung durch den östlichen Zipfel Baden-Württembergs. Einmal mehr zeigt diese Limesexkursion, dass man sich fernab des gängigen Wandermainstreams bewegt und Gelegenheit hat in regionale Abschnitte einzutauchen, die man ansonsten nicht wirklich auf dem Radarschirm hat.

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