Bad-Homburg, den 6. April 2019
Möchte man intensiv in die hessische Kulturgeschichte eintauchen, so empfiehlt sich der Gang nach Bad-Homburg v.d. Höhe, um von dort aus im Rahmen einer formidablen Wanderung die Fährte zu den Spuren der Vergangenheit aufzunehmen.
Bad Homburg. Während im 40 Kilometer entfernten Offenbach jeder Fünfte von Hartz IV lebt, geben sich in Bad Homberg Millionäre die Klinke in die Hand. Jeder sechste hessische Einkommensmillionär lebt hier im Hochtaunuskreis. Entsprechend die Aura die die 54.000 Einwohner zählende Kurstadt ummantelt. Mit dem Slogan „Champagnerluft und Tradition“ verdeutlichen dabei die kommunalen Marketingstrategen wo man sich hier angesiedelt sieht, wobei, um in diesem Falle den dekadenten Anflug zu entkräften, die Begrifflichkeit „Champagnerluft“ sich auf die Fallwinde des Taunus beziehen soll, die eine angenehme Kühlung in die Stadt einbringen.
Gestartet wird am Bad-Homburger Bahnhof, im Neorenaissancestil errichtet und mittlerweile als Kulturbahnhof weiterentwickelt. Graffiti – absolute Fehlanzeige, die gekachelte Unterführung zu den Gleisen werden scheinbar mit Handbürsten täglich poliert. Der Ankommende merkt dass man hier auf ein stilvolles Ambiente wert legt.Vom Hauptbahnhof führt die Passage in nördliche Richtung zum Kurpark. Die Kaiser-Friedrich-Promenade querend steht man, nomen est Omen am Proworoffweg, dort wo sich eine russisch-orthodoxe Kapelle befindet. Auch hier zeigt sich eine klassisch-historische Verbindung: Kurstadt, Spielcasinos, russischer Geldadel. Allemal stilvoll und prominent positioniert steht das sakrale Gebäude am Eingang des Kurparks. Inmitten des Kurparks liegt der „Old Course“, dort wo bereits vormehr als einhundert Jahren Golf gespielt wurde. Just vis a vis sind die Spielbank, das mächtige Kaiser-Wilhelms-Bad und diverse Brunnen vorzufinden.
Über den Arrabinpfad geht es den Stadtteil Kirdorf querend, den Oberen Rotlaufweg folgend, um nach sieben weiteren Kilometern die mächtige Saalburg zu erreichen. Die Saalburg gilt als das besterforschte und am vollständigsten rekonstruierte Kastell des Obergermanisch-Raetischen Limes, welcher seit 2005 UNESCO-Weltkulturerbe ist. Bereits 80 nach Christus siedelten sich hier die Römer an und bauten den das Kohortenkastell sukzessive als strategischen Standort aus. Im Kastell klapperten in Spitzenzeiten bis zu 600 Soldaten mit ihren Rüstungen herum und im nahen Umfeld waren hier 2.000 Menschen angesiedelt. Kaiser Wilhelm sei Dank, wurde die ehemalige römische Stätte archäologisch ergründet und die ersten Restaurierungsmaßnahmen eingeleitet. Heute ist hier ein Museum untergebracht und der Besucher kann auf sehr ansehnliche Art und Weise in die römische Vorgeschichte dieses Landstrichs eintauchen. Eine stilgerechte römische Gaststube in der man heutzutage germanisches Bier verköstigen kann rundet dabei das vielschichtige Angebot ab.
Allemal kann man sich in eindrucksvoller Art und Weise über das damalige römische Leben aus erster Hand informieren. Von der Saalburg aus folgt man der Saalburgschneise um nach knapp vier Kilometern den Nächten kulturellen Höhepunkt dieses Trails, den Hessenpark bei Neu–Anspach zu erreichen, dort wo man mit allen Sinnen in die jüngere hessische Geschichte eintauchen kann.
Der Hessenpark, 1974 vom Land Hessen gegründet, ist ein Freilichtmuseum der besonderen Art. Eingebracht sind hier mehr als 100 historische Gebäude, zumeist Fachwerksbauten die an hessischen Standorten abgetragen werden mußten und hier stilgerecht wieder aufgebaut wurden. Auf dem 65 Hektar großen Gelände hat man einzelne Abschnitte für die jeweiligen hessischen Regionen gestaltet. Zielsetzung ist dabei die Fertigkeit bezüglich der traditionellen Baukunst zu veranschaulichen, traditionelle Handwerkskunst in einem angemessenen Rahmen zu präsentieren, das historische dörfliche Leben zu präsentieren, traditionelle landwirtschaftliche Anbaumethoden zu pflegen und darüber hinaus eine Plattform für hessenspezifische Veranstaltungen zu bieten.
Ergänzt wird das Ganze durch regionaltypische Angebote die in unterschiedlichen Facetten angeboten werden. Kurzum eine ideale Bühne um das traditionelle Hessen „live“ zu erleben. Locker kann man sich hier drei Stunden aufhalten, ohne alles im Detail studiert zu haben.
Spannend ist auch die Erkennnis, dass sich im Hessenpark insgesamt 222 historischen Gebäude befinden, wovon 109 wieder aufgebaut wurden. Der Rest ist der sogenannte „schlafende Bestand“, der in dezentralen Stapeln untergebracht ist um irgendwann, finanzielle Mittel vorausgesetzt, wieder aufgebaut zu werden. zu besichtigen. Aus der Wanderbrille betrachtet könnte man diese historische Besichtigungstour deutlich abkürzen. Saalburg-Hessenpark hin- und zurück, eine beschauliche Runde von acht Kilometern, zuzüglich der Kilometer die in den jeweiligen Arealen zu absolvieren sind. Aus der Brille eines Langstreckenwanderers betrachtet geht jedoch noch ein wenig mehr.
Nach so vielen „Museumsmeilen“ bietet sich eine Kreislaufreaktivierung an. Eine Bergrunde ist angesagt. Vom Hessenpark wandert man daher schnurstracks in südöstlicher Richtung hinauf zum 616 Meter hoch gelegenen Hollerkopf. Rasch sind die beiden gepflegten Biere, die man am Hessenparkmarktplatz genossen hat, herausgeschwitzt. Der Anstieg ist mächtig kräftig, die Wegeführung tendenziell nicht ausgeschildert wenn man die steile Direktpassage nach oben wählt.
Bald darauf ist der Herzberg erreicht, dort wo sich ein Aussichtsturm und ein angegliederter Berggasthof befindet. Frei nach dem Motto: „Ein Berg ist ehrlich, dort wo es rauf geht es wieder runter“ geht es anschließend steil abwärts um über die Krausbäumchenschneise in die historische Elisabethenschneise einzuschwenken, die permanent Richtung Osten verlaufend zielgerichtet zurück nach Bad-Homburg führt.
So kann man, wenn man möchte, inclusive Bergwertung, aus einer acht Kilometer langen Museumsrunde eine ausgedehnte 37 Kilometer-Tour mit 765 Höhenmeter stricken – ein tagesfüllendes Programm. Angesichts der Fülle an kulturhistorischen Informationen kann man diese Tour auch als bildungsurlaubsrelevante Wanderung deklarieren.
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