Bad-Nauheim, den 26. Mai 2016 –
Wer eine gepflegte Langstreckenwanderung mit kulturhistorischen Höhepunkten und weitreichenden Panoramablicken sucht, dem sei dringendst die erste Hälfte des insgesamt 96 Kilometer langen Taunus-Rhönweges empfohlen. Auch wenn der VHC, der Vogelsberger Höhenweg-Club, für die Teilstrecke von Bad-Nauheim nach Laubach zwei Wandertage veranschlagt, ist es nicht verboten die Strecke für einen ausgedehnten Wandertag zuzüglich ÖVM-getriebener Verlängerungsoption einzuplanen.
Gestartet wird am Bahnhof der Kurstadt Bad Nauheim, die für ihre Solequellen bekannt ist und die von namhaften Kurgästen wie Otto von Bismarck, der Kaiserin Sissi oder u.a. Roosevelt besucht wurde. Angesichts des bevorstehenden Wanderpensums ist eine vertiefenden Besichtigung der interessanten Stadt nicht möglich, und aufgrund der frühen Morgenstunde auch nicht sinnvoll. So geht es zunächst durch den Goldsteinpark, dort wo 2010 eine Landesgartenschau stattfand und die Nachbildung eines Limesturmes an die römischen Zeiten in der Wetterau erinnert. Beeindruckend die hier im Park angebrachten außergewöhnlichen Installationen des Planetenweges.
Durch ein schmales Waldstück geht es durch Feld und Flur in das fünf Kilometer entfernte Steinfurth, die Kommune, die sich als Rosenstadt auszeichnet. Hier wurde 1868 Deutschlands erste Rosenschule gegründet, die heute mit über 1.000 Rosensorten eines der weltweit größten Rosenangebote offeriert. Weiterhin kann ein Rosenmuseum (sonntags ab 11.00 Uhr) besichtigt werden, welches auch den weltweit umfangreichsten Literaturbestand über die Edelblume beherbergt.
Das hochgewachsene Gras auf den ausgewiesenen Wanderwegen legt Zeugnis ab, dass dieser Wanderweg eher selten begangen wird. Die gesamte Strecke ist mit einem blauen Kreis auf weißem Spiegel gekennzeichnet, wobei man sichtlich bemüht war, die Wanderstrecke auszuzeichnen, was nicht immer gelungen ist. Teilweise irreführend, teilweise fehlend –ohne Kartenmaterial sollte man keinesfalls die Strecke angehen.
Auch wenn an diesem Tag, bedingt durch die großen Tag/Nacht-Temperaturunterschiede die Weitblicke in den ersten Morgenstunden noch dunstverhangen sind, lässt sich die Weite der Wetterau erahnen. 15 Kilometer nach dem Start in Bad Nauheim schält sich das „Wetterauer Tintenfass“ aus dem frühen Morgendunst heraus. Hierbei handelt es sich um das Wahrzeichen der Wetterau, die mächtige Burgruine Münzenberg, die im 12. Jahrhundert errichtet wurde und neben der Wartburg die bedeutendste Burg des frühen Mittelalters ist. Eine Besichtigung scheiterte aus zwei Gründen: Mangelnde Fernsicht an diesem Tag – und Burg noch verschlossen (in den Sommermonaten ab 10 Uhr geöffnet.) Ergo: Der frühe Vogel fängt auch nicht immer den Wurm….
So geht es der Wegemarkierung folgend weiter, dort wo sich der Götzenstein befindet. Hier findet man ein kleines Felsenmeer mit interessanten Felsformationen, die an Mühlensteine erinnern vor, bevor es weiter geht Richtung Trais-Münzenberg, wo man erstmals den Fluß Wetter überquert. Sowohl in Trais-Münzenberg, als auch im benachbarten Muschenheim kann man schöne Wetterauer Fachwerksbauten und –gehöfte besichtigen. Der Panoramaweg nach Muschenheim eröffnet weite Aussichten in das Wetterauer Land und führt auch am Areal eines römischen Kohortenkastells, direkt am Obergermanisch-Raetischen Limes gelegen vorbei. Dank intensiver Luftbildauswertungen in den 80er Jahren, konnte man, wie die umfangreichen Schautafeln in diesem Areal eindrucksvoll dokumentieren, die Mächtigkeit der einst hier befindlichen Anlagen ergründen.
Rasch ist von hier aus ein weiteres Highlight der Wandertour, das Kloster Arnsburg erreicht. Das Kloster, im 12. Jahrhundert als Zisterzienserkloster errichtet, 1803 säkuralisiert, und seit dem im Besitz der Grafen zu Solms-Laubach, die bis heute noch Teile des Areals bewohnen. Unbedingt zu empfehlen ist der Besuch der spektakulären Kirchenruine und der nicht minder beeindruckenden Gedenkstätte des Kriegsopferfriedhofes.
Auf den sehr angenehm zu gehenden Wald- und Wiesenwege Richtung Lich hat man auf den nächsten sechs Kilometern hin- und ausreichend Gelegenheit die vielschichtigen Eindrücke zu verarbeiten. In Lich wird man, wenn man sich von Westen sich der Stadt nähert, von der über die Grenzen der Wetterau bekannten Brauerei Lich begrüßt. „Aus dem Herzen der Natur“ so der Werbeslogan des in Oberhessen sehr beliebten Hopfengetränkes. Lich selbst ist eine sehens- und beachtenwerte Kommune. Während die südlichen und westlichen Stadtteile noch der Wetterau zugeordnet werden, zählen die östlich und nördlichen Stadtteile bereits zum Naturraum Vogelsberg. Ob Schloßanlage, die ausdrucksvollen Fachwerkhäuser der Innenstadt oder der 48 Meter hohe Stadtturm aus dem 14. Jahrhunderts, alleine für Lich kann man mehrere Stunden für eine intensive Ergründung aufwenden. Das zeichnet natürlich auch eine Langstreckenwanderung aus. Regionen zu erkunden, um Stoff zu sammeln, für Folgeexkursionen, mit einem anderen Fokus.
Nach einer kurzen Mittagsrast geht es weiter in das östlich gelegene Nonnenroth. Vor und hinter Nonnenroth ist die Streckenführung etwas unglücklich, da sehr asphaltgeprägt. Durch ein weitreichendes Waldgebiet erreicht man nach 43 Kilometern schließlich Laubach. Die knapp 10.000 Einwohner zählende Kommune ist ein Kleinod. Domestizierend das imposante Schoßareal zu Solms-Laubach und der sich anschließende englische Garten. In der Stadtmitte sind leider die Spuren der unglücklichen Altstadtsanierung des 20. Jahrhunderts sichtbar. Allerdings kann man sich immer noch an einer Vielzahl gut erhaltener Fachwerksbauten erfreuen.
Eingeplant war das Tourenende in Laubach. Bedingt durch die sonntäglich dünne Verkehrsanbindung empfiehlt sich als Option in das neun Kilometer entfernte Grünberg zu wandern, welches zwar nicht auf der offiziellen Taunus-Rhön-Weg liegt, jedoch aus zweierlei Hinsicht ausdrücklich zu empfehlen ist. Grünberg verfügt über einen S-Bahnanschluß, der es ermöglicht via Gießen zurück nach Bad-Nauheim in einer knappen Stunde zu fahren, und man hat die Gelegenheit sich einen ersten Eindruck über die sehr beeindruckende historische Altstadt zu verschaffen. Die historische Fachwerkstadt ist ein Luftkurort und im 13.Jahrhundert war man stets den Angriffen der feindlichen Mainzer Bischöfe ausgesetzt, was dazu führte, dass man massive Burganlagen errichtete.
Beruhigend zu ergründen, dass Grünberg auch auf der Wanderstrecke des neu ausgezeichneten Lutherwanderweges 1521 liegt, und daher die Gefahr sehr groß ist, in absehbarer Zeit intensiver ergründet zu werden. Nach 52 Kilometern und sehr moderaten 810 Höhenmetern, wovon knapp 250 auf den letzten zehn Kilometern Richtung Grünberg zu absolvierten waren geht eine sehr beeindruckende Wanderung zu Ende. Fortsetzung des Taunus-Rhönweges, in den Nuklus des Vogelberges Richtung Schlitz hinein, ist absehbar.
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