Groß-Umstadt, den 21. April 2018 –
24 Stunden Wanderspaß? “24 Stunden Wanderspaß!” So die Resonanz aus dem Kreise der 60 Finisher, die nach 24 Stunden, 79Kilometern und mehr als 1.500 Höhenmetern vom Vorsitzenden des Odenwaldklubs Karl Ohlemüller und dem Groß-Umstädter Bürgermeister Joachim Ruppert begrüßt und zu ihrer außergewöhnlichen Leistung beglückwunscht wurden.
Zum zweiten Mal richteten vier Ortgruppen des Odenwaldklubs, Heubach, Dieburg, Groß-Umstadt und Otzberg im Rahmen einer Gemeinschaftsveranstaltung eine 24-Stunden-Wanderung aus. Bereits Ende Januar war die Veranstaltung komplett ausgebucht. Bedingt durch die hohe Nachfrage hätte der Veranstalter locker eine zweite Tour durchführen können.
Das Erfolgskonzept des Odenwaldklubs ist einfach, entspricht aber auch der grundsätzlichen Mentalität der traditionsreichen Wandervereinigung: Wandern mit Herz, gewürzt mit einer Prise Lokalkolorit, das ganze eingebettet in eine Rundumbetreuung mit Wohlfühlgarantie. Durchaus ernst zu nehmen sind die Worte eines Wanderführers: “Wir machen hier betreutes Wandern – und das mit viel Herzblut”. Bereits sechs Wochen vor dem Start wurden die Teilnehmer sukzessive an die herausfordernde Tour herangeführt. Ein wöchentlicher Newsletter erhöhte den Spannungsbogen. So verwunderte es auch nicht, dass zum Start am Freitagabend 76 hochmotivierte Wanderinnen und Wanderer antraten.
Ideal dabei die Rahmenbedingungen für dieses Wanderspektakel. Der ungewöhnliche Frühlingsverlauf in 2018 bescherte an diesem Wochenende sommerliche Spitzenwerte von bis zu 28 Grad und angenehme Nachttemperaturen, die im zweistelligen Bereich lagen. Pünktlich um 18.00 Uhr starteten die Wanderer am historischen Marktplatz in Groß-Umstadt.
Nach gerade mal einem Kilometer hatte man schon die erste Anhöhe der Groß-Umstädter Weinberge erreicht, um den Streckenverlauf des Weinlehrpfades zu folgen. Hier oben eröffnete sich eine Sichtachse von der Frankfurter Skyline, über die Anhöhen des Taunus und der Bergstraße bis hin zum Mitternachtsziel, der Veste Otzberg. Offiziell eingeplant waren von den vier Ortsgruppen des Odenwaldsklubs acht Rast- und Verpflegungsstationen. Jedoch damit nicht genug. Im Vorderen Odenwald hat man immer eine Überraschung auf Lager. Bereits nach knapp fünf Kilometern kredenzte die hier ansässige Odenwälder Winzergenossenschaft auf dem Eselsberg ein Schöppchen Wein und erinnerte damit an die Groß-Umstädter Weinbastion.
Spätestens hier war das Eis unter den Teilnehmern gebrochen, und man war wohlweislich eingestimmt auf die kommende 40 Kilometer lange Nachetappe. Unter der sich blutorange verfärbenden Abendsonne führte die weitere Passage rund um den Steinerwald in zunächst südöstlicher Richtung oberhalb der Sandsteinbrüche am Burzelberg bei Frau Nauses vorbei.
Auf guten Waldpfaden, die in den letzten Wochen jedoch teilweise von schweren Harvestern beansprucht wurden, war nach elf Kilometern die erste offizielle Raststation am Parkplatz Höchst-Rondell erreicht. Ein „fliegender Service“ unterstützte dabei die Logistik des OWK,s. Getränke und Obstversorgung vom Hänger. Sinnigerweise stand dieser Verpflegungsservice alle zehn Kilometer zur Verfügung, was angesichts der Temperaturlage mehr als zu begrüssen war.
Nach der Pause bewegte sich das Stirnlampenband im Areal der höchsten Erhebung der Stadt Groß-Umstadt, den 365 Meter hohen Heidelberg, um über eine Teilpassage des Alemannenweges zur Nachtstation beim Sportverein Hering einzukehren. Moderat übrigens auch das Marschtempo dieser geführten Wanderung. Bei einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 4,2 kmh hatte man mit insgesamt sechs Stunden Pausen hin- und ausreichende Rastmöglichkeiten eingeplant.
Pastagestärkt ging es in die zweite Passage der Nachttour hinauf auf die Veste Otzberg, welche als Höhenburg im 13.Jahrhundert auf dem 368 Meter hohen Vulkankegel errichtet wurde. Traditionsgerecht wurden die Nachtwanderer mit Fackeln ausgestattet, um zumindest ein wenig den dunklen Burghof zu erhellen. Tagsüber kann man vom Bergfried, der sogenannten Weißen Rübe, 360 Grad-Blicke genießen. Während dieser Nachtpassage hatte man Gelegenheit an der westlichen Burgmauer die Blicke über die Reinheimer Bucht schweifen zu lassen.
Tendentiell abwärts gehend bewegte sich die Wanderkolonne vorbei am Aspenhof zunächst in südlicher Richtung um dann via Ober- und Nieder-Klingen in nördlicher Richtung einzuschwenken. Vorbei an der Bundenmühle, die in den 80er Jahren Drehort der ZDF-Serie „Die Drombuschs“ gewesen war, erreichte man gegen 3.30 Uhr die vielleicht wichtigste Station der Nacht. Kaffeeeeeee – Lebenselexier am frühen Morgen – Muntermacher für Nachteulen.
Überraschend, dass zu dieser sehr frühen Stunde bereits ein Vogelkonzert einsetzte und das Ende der Nacht einläutete. Weiter ging es entlang der Semme über Semd und der einst „Längsten Bank der Welt“ in östlicher Richtung dem Sonnenaufgang entgegen. Ein Hauch von Morgendunst flankiert von einer einsetzenden Morgenröte am Horizont bereicherte dabei den Marsch zur Frühstücksstation. Stimmungsgeladener kann ein Start in den Tag nicht sein. Vergessen die Mattigkeit der Nacht, vergessen manch schweres Bein. Die Dynamik die ein sich ausbreitende Tageslicht auslöst ist durchaus bemerkenswert.
Über die Groß-Umstädter Stadtteile Richen und Gustav-Hacker-Siedlung war nach insgesamt 45 Kilometern die Frühstücksstation, der Gruberhof, erreicht. Der Gruberhof, eine ehemalige Hofreite, wird seit 1987 als Museums- und Kulturzentrum genutzt. Hier werden unterjährig zahlreiche Veranstaltungen durchgeführt und hier hat der Odenwaldklub Groß-Umstadt seinen Vereinssitz. Ehrensache dass hier die OWK-Ortgruppe Groß-Umstadt den Langstreckenwanderer ein Frühstück in ausgezeichneter Qualität zubereitet.
Bis zur Frühstückspause hatten immerhin 75 Wanderer von 76 durchgehalten. Nach dem Frühstück und der ersten Bestandsaufnahme von Gliedmaßen und Material hatten sich 13 weitere Wanderfreunde entschlossen, nach der Nachttour abzubrechen. Für einige Teilnehmer war es bis dato schon die längste jemals absolvierte Wanderung und man war, auch zurecht, stolz auf sich eine Nachtwanderung in dieser Streckenlänge absolviert zu haben. So traten wohlgestärkt und frisch motiviert 62 Wanderfreunde nach der Frühstückspause den Start in einen wundervollen Sonnentag mit Sommercharakter an.
Auf abwechslungsreichen Pfaden hatte der Ausrichter schöne Waldpassagen ausgewählt, eine ideale Lösung für diesen sonnigen Wandertag. Aufwärts zum markanten Wegekreuz am Rödelshäuschen führte die Passage weiter zum Kellergrund. Entlang der sich immer wieder ausbreitenden Sichtachsen in die sanfthügelige Landschaft des Odenwälder Mittelgebirges offenbarte sich eine regelrechte Blütenexplosion auf den Streuobstplantagen. Wetter-und jahreszeitbedingt ein absoluter Volltreffer und eine Bereicherung für diesen 24-Stunden-Trail.
Entlang der alten „Frankfurter Straße“ ging es zunächst stetig aufwärts, dann steil abwärts gehend hinüber in den Odenwaldkreis hinab nach Sandbach. Hat man bei einer 24-Stunden-Wanderung irgendwann nachts mit einem „Müdigkeitstief“ zu kämpfen ist es tagsüber nicht ungewöhnlich, dass sowohl temperatur- als auch streckenbedingt jenseits der Kilometermarke 50 ein erneuter Einbruch erfolgt. Just eine Stunde vor der Mittagsrast in Höchst verbreitete sich durchaus eine gewisse Schwerfälligkeit – ein nicht unübliches Phänomen bei einer geführten Wanderung.
Jedoch der insgesamt vorhandene Durchhaltewille im Wanderteam und die Aussicht auf eine einstündige Mittagsrast ließ auch diesen Zyklus überstehen. Kartoffelsuppe mit Wurst –eine passende Stärkung am Mittagstisch im Bürgerhaus zu Höchst im Odenwald.
Sportlich der Wiedereinstieg nach der Mittagsrast. „Richtung Norden“ so die Parole der Wanderführer. Stetig steil aufwärts gehend folgte man den breiten Pfaden alter Handelswege um die zehn Kilometer entfernte Wiesenthalhalle in Heubach anzusteuern. Dort hatte die Ortsgruppe Heubach in bewährter Manier eine Kaffee- und Kuchentafel aufgebaut. Allemal sinnvoll die Verkürzung der Pausenzyklen zum Schluss.
Der Rest – eine Kür. Von Heubach aus wurde die Wanderschar ein letztes Mal aufwärts durch die ausladende Blütenlandschaft der Region geführt. In exponierter Lage überraschten Mitglieder des OWK,s Heubach die 24-Stunden-Wanderer mit einem Beitrag zur Odenwälder Wandergeschichte inklusive Gipfelschnaps und Trompetensolo.
Der Abendsonne entgegen, mit Blick auf die gegenüberliegenden Groß-Umstädter Weinberge, durch die man 23 Stunden zuvor elanvolle startete, behaftet mit dem Wissen, dass das Ziel vor Augen ist, im Vertrauen darauf, dass die Siegersektflaschen langsam entkorkt werden und im festen Glauben, dass die vorauseilenden Wanderführer keine Steigung mehr in Angriff nehmen. So eingestimmt fiel es leicht, die restlichen Kilometer abwärts Richtung Groß-Umstadt anzugehen.
Just fünf Minuten vor dem 18.00 Uhr-Glockenschlag war es geschafft. 60 Langstreckenwanderer wurden beim Zieleinlauf auf dem historischen Marktplatz in Groß-Umstadt mit Applaus empfangen. Bei manch einem Teilnehmer viel die Last der Anstrengung mit dem Zieleinlauf regelrecht ab. Siegersekt- Siegerbier – Siegerurkunde und die Erkenntnis bei Vielen: Geschafft im wahrsten Sinne des Wortes. Ein ganz großes Dankeschön an die ausrichtenden Ortsgruppen des OWK,s. Mehr als 50 Helfer haben vor und hinter den Kulissen dazu beigetragen, dass aus der 24-Stunden-Wanderung eine regelrechtes Wanderspektakel wurde. Was aber macht solch eine Wanderung wirklich zu einem Wandererlebnis? Letztendlich die Geschichten die hinter den Wanderhelden stecken. Ob Angela, Jahrgang 1955, die die Hälfte der 80-Kilometerstrecke barfuß mit Wandersandalen absolvierte, ob die Jüngste – Katharina, die mit 17 Jahren erstmals eine 24-Stunden-Wanderung erfolgreich meisterte, ob Karatemeister Christian der trotz Muskelfaserriß mit einer Portion unbändigen Willen den inneren Schweinehund überwandt, ob Yvonne die mit Barfußschuhen 24 Stunden auf Wolke 7 schwebte, oder Christian und Tanja die nach 80 entspannten Kilometern mit dem Radl in das zehn Kilometer entfernte Groß-Bieberau zurückradelten.
So darf man hoffen, dass es zu einer Neuauflage kommt. Wie aus gut informierten Kreisen zu hören ist, ist die Wahrscheinlichkeit diesbezüglich sehr hoch. Potential hierfür bietet der wunderbar wanderbare Odenwald allemal.
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