Wandern auf Rezept

Bad Soden-Salmünster / Bad Orb, den 02. Februar 2024 – “Wandern auf Rezept” – ein bestechender Gedanke. Und tatsächlich, es gibt eine Hintertüre, die dies ermöglicht. Doch dazu später mehr. Hierzu inspirierend war ein Wandervorschlag des Tourismusverbandes Spessart-Mainland. Unter dem Subtitel “Gesundheit und Wellness hoch 2” hat man eine Wandertour im Köcher, die zwei Kurorte im Main-Kinzig-Kreis verbindet. Die Rede ist dabei von Bad Orb und Bad Soden-Salmünster. Offiziell firmiert die Wanderstrecke unter der Bezeichnung “Kur- und Wellnessroute“, wobei augenscheinlich die Streckenführung nicht konsequent zu Ende gedacht wurde. Nach dem offiziellen Angebot startet man in Bad Soden-Salmünster und beendet die Wanderung in Bad Orb. Allerdings bietet es sich an, die Tour zu erweitern und von Bad Orb über eine Schleife durch den Kurpark des Kernstadtteils Bad Soden zurück zum zweiten Kernstadtteil Salmünster zu finalisieren. So hat man unter dem Motto “Gesundheit und Wellness hoch 3” eine auf vierzig Kilometer aufgebohrte Runde, die zudem mit 900 Höhenmetern durchaus anspruchsvoll ausgestattet ist.

Vom Bahnhof in Bad-Soden-Salmünster startet man in nordöstliche Richtung zur vier Kilometer entfernten Kinzigtalsperre, die Ende der 70er Jahre errichtet wurde. Am Ende des Sees schließt sich Steinau an der Straße an, auch bekannt als Brüder-Grimm-Stadt, als Hommage an die Zeit, in der die Sprachwissenschaftler einen Teil ihrer Jugend verbrachten.

Mittlerweile ist der Main-Kinzig-Kreis klassifiziert als Wolfsgebiet. Jedoch diese vier Wölfe symbolisieren die vier Geschwister der Gründerfamilie Wolf die mit der Firma Woco am Stammsitz in Bad Soden-Salmünster ein weltweit agierendes Unternehmen aufgebaut haben
Noch herrscht Wassermangel in der Kinzigtalsperre, deren Sanierung erst kürzlich abgeschlossen wurde
So wurde der Stausee auch abgefischt. Sobald der Stausee wieder dauerhaft mit Wasser gefüllt ist, kehren alle Fische in ihren angestammten Lebensraum zurück.
Steinau an der Straße mit seinem mittelalterlich geprägten Stadtensemble
Obschon Steinau an der Straße als Brüder-Grimm-Stadt vermarktet wird und Bestandteil der Deutschen Märchenstraße ist, ist diese Dekoration am sogenannten Märchenhaus im Umfeld der denkmalgeschützten Objekte nicht wirklich ein gelungener Beitrag zur Stadtverschönerung

Von der sehenswerten Innenstadt geht es stramm aufwärts. Hier bewegt man sich im hessischen Grenzgebiet dort, wo unweit der Bayrische Spessart und die Bayrische Rhön auf den jeweiligen hessischen Pendant treffen. Zudem liegt in der Gemarkung auch das einzige hessische Regierungsbezirksdreieck. So wundert es auch nicht, dass insgesamt vier Warttürme, die sowohl untereinander als auch mit dem Steiner Schloß in Sichtkontakt standen, bereits vor 600 Jahren die Stadt absicherten. Vorbei an der Seidenröther Warte geht es weiter aufwärts zum Golf-Club Spessart. Unverblümt vermittelt eine Informationstafel am Gelände dass noch vor fünfzig Jahren die Landwirte in der Region den Golfsport als “nutzlosen Sport für arbeitsscheue Tagediebe” betrachteten. Jedoch – das Golfareal ist gut in die ehemalige Bergbaulandschaft eingeflochten und man kann durchaus von einer Aufwertung des ländlich geprägten Landstriches sprechen. Hier führt auch die älteste Handelsstraße des Spessarts, der Eselsweg, durch. Seinen Namen verdankt der Weg den Bad Orber Salzkarawanen, die einst mit Salzsäcken beladenen Eseln hier entlang zogen. Hier oben genießt man zudem die schönsten Ausblicke entlang der gesamten Kur- und Wellnessroute.

Noch prägen kahle Bäume das Landschaftsbild….
..während es auf den Wasserstraßen des Spessarts rege sprudelt
Naturbelassenes Wandern entlang der Kur- und Wellnessroute
An der Seidenröther Warte….
…die weite Ausblicke in das Kinzigtal ermöglicht…………
Holz auf Holz dagegen ist bautechnisch nicht immer die beste Lösung
Wieviele Golfbälle sich wohl schon im Spessartwald verirrt haben….?
Das Golfgelände fügt sich gut in das Landschaftsbild ein
Das Wanderangebot ist hier vielfältig, ob Eselsweg, der zertifizierte Spessartweg oder die Spessartfährten, die ebenso als Premiumwanderwege ausgezeichnet wurden

Vom Golfplatz wandert man hinab zum Weiler Alsberg, und von dort aus weiterführend zunächst abwärts zu den Hirschbornteiche, bevor es wiederum aufwärts zum 388 Meter hohen Haselberg geht. Spessarttypisch ist das Steigungsniveau anspruchsvoll. Sanfthügelige Landschaften sind hier im Gegensatz zum benachbarten Odenwald nicht wirklich vorhanden. Im Spessart geht es hart zur Sache. So auch beim Mörderabstieg der steil abwärts zur Kurstadt Bad Orb führt. Wer plant, diese Tour gegen den Uhrzeigersinn zu laufen, wird spätestens hier seine Freude haben. Ob Salzgewinnung im Mittelalter, ob Kurbetrieb dank Solbadeanstalt in den Gründerjahren, oder Gradierwerk und Toskana-Therme die in der Neuzeit den Slogan “Bad Orb -Gesund im Spessart” unterlegen, Salz als weißes Gold prägte von je her die Kurstadt.

Entlang eines Kreuzweges wandert man gen Bad Orb
Früher quälten sich die mit Salzsäcken beladenen Esel über die Anhöhen des Spessarts – heute marschieren Wanderer über die Höhenzüge des Spessarts
Es war einmal eine Bildeiche…..
Die Kennzeichnung des Weges kann man abhaken. Insgesamt zwei Schilder wurden entlang der offiziellen Kur- und Wellnessroute gesichtet, eines davon nur noch in Fragmenten erhalten…
Zeitvertreib mit dem Zoom zur Dynamisierung des jahreszeitbedingt noch kärglichen Anblickes im Spessartwald
Kärglich auch der aktuelle Betriebszustand des Gradierwerkes in Bad Orb. Erst ab 17. März heißt es wieder “Sole Marsch”
Vis a vis des Gradierwerkes lädt die Toskana-Therme zu einem Besuch ein. Wärme, Wasser, Licht und Klang – so die Verlockung mit der die futuristische Anlage beworben wird

Regulär endet hier in Bad Orb die offizielle Kur- und Wellnessroute. Kann man ja nachvollziehen, denn aus Sicht des lokalen Tourismusverbandes bietet es sich nach 28 Kilometern durchaus an, die Knochen in der Therme zu regenerieren. Jedoch zur Abrundung des Streckenweges ist wandertechnisch eine komplette Runde zurück nach Bad Soden durchaus sinnvoll. So geht es einmal mehr wieder aufwärts in nördlicher Richtung gen Bad Soden-Salmünster. Weit vor Salmünster rauscht es mächtig auf beiden Ohren. Der ewige Lärmteppich der A66 und der parallel verlaufenden Kinzigtalbahn nervt gewaltig. Leidgeprüft die Anwohner von Salmünster, denn die Autobahntrasse fräst sich mitten durch Salmünster. Die errichtete Lärmschutzwand mehr oder minder wirkungslos, was ein Gang entlang der Horthackerstraße erschreckenderweise bestätigt. Langsam verstehe ich, wieso man die Kur- und Wellnessroute nicht hierher erweitert hat – gesund ist dieser Lärmeintrag nicht wirklich. Mit einer Schleife in den Kurpark zum Kernstadtteil Bad Soden und zurück zum lokalen Bahnhof in Salmünster endet diese Passage.

Leidgeprüft sind Bewohner und Kurgäste. Die A66 zerschneidet die Stadt. Nebst begleitender Bahnlinie ist die Lärmbelastung im Kinzigtal extrem hoch
Kurz vor der Kernstadt Bad Soden vereinigt sich die Salz mit der Kinzig

Eine erweiterte Kur- und Wellnessroute im Kinzigtal, die durchaus gemischte Gefühl hinterlässt. Spessarttypisch ist das Steigungsrelief bestens geeignet für sportlich ambitionierte Wanderer. Der Lärmbrei der sich vom Startpunkt Bad Soden-Salmünster über die Kinzigtalsperre bis in die Höhenlagen oberhalb von Steinau an der Straße wie Mehltau über die Landschaft legt, trägt nicht wirklich zur Erholung bei. Ein Highlight ist allemal der Höhenzug bei Alsberg, dort wo sich die Golfer im ruhigen und aussichtsreichen Areal niedergelassen werden. Wer jedoch mit einer Wandertour das breitgefächerte Thermenangebot in Bad Soden-Salmünster und Bad Orb verbindet kann nach einer anspruchsvollen Wanderung zweckdienlich in die Abklingbecken der Wohlfühloasen eintauchen, um beispielsweise bei Wasser, Musik und Licht dem brodelnden Alltag zu entrücken.

Bleibt noch ein offener Punkt. “Wandern auf Rezept” – so der Einstieg in diesen Beitrag. Niedergelegt im Paragraph 20 des Sozialgesetzbuches ist die Primäre Prävention und Gesundheitsförderung: Die Krankenkasse sieht in der Satzung Leistungen zur Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken (primäre Prävention) sowie zur Förderung des selbstbestimmten gesundheitsorientierten Handelns der Versicherten (Gesundheitsförderung) vor. So ist dank der Wirksamkeitsstudie Gesundheitswandern, zertifiziert nach dem Deutschen Wanderverband” ein derartiges Angebot als präventive Maßnahme laut §20 SGB V anerkannt. In Bad Laer bei Osnabrück hat man beispielsweise einen sechstägigen Wanderurlaub im Angebot, der von den meisten Krankenkassen mit 150 Euro bezuschusst wird. Gruppen von 15 Personen sind auf täglichen Wanderungen zwischen 5 und 15 km Länge in Begleitung erfahrener Gesundheitswanderführern in der Umgebung des Sole-Heilbad Bad Laer unterwegs. Eines jedoch sollte man unterlassen: “Wandern bis der Arzt kommt”………………

2 Kommentare

  1. Sry, aber an der Formulierung „…als Hommage an die Zeit, an denen die Sprachwissenschaftler einen Teil ihrer Jugend verbrachten….“. könnten Spracheissenschaftler auch noch etwas arbeiten.

    • Herzlichen Dank an Jakob Grimm 🙂 für den Hinweis. Da waren die Finger an der Tastatur mal wieder schneller als der Kopf. Natürlich muss es heißen: “als Hommage an die Zeit, in der die…..”

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