Rödelheim, den 08. November 2015
“Von Kindheit an so fern und ernsthaft vor mir gestanden”. Man schrieb das Jahr 1763 als der 14jährige Johann Wolfgang von Goethe zusammen mit Frankfurter Knaben den Großen Feldberg im Hochtaunus gelegen erklomm. 252 Jahre später machte sich ein Wanderer aus dem Vorderen Odenwald auf, um von Frankfurt aus die höchsten Höhen des Hochtaunus zu erklimmen. Unter spätspätsommerlichen 20 Grad in der Spitze und der Aussicht auf ein zu genießendes Gipfelbier im Freien waren die Rahmenbedingungen Anfang November hervorragend für eine derartige Wanderexkursion, auch wenn der herbstliche Farbenrausch seinen Zenit im Blätterwald überschritten hatte.
Eine Stunde vor Sonnenaufgang wurde in Frankfurt-Rödelheim am dortigen S-Bahnhof gestartet. Mithin die herrlichste Zeit. Die Nacht zieht sich zurück, Großvorstadttypisch ist auch sonntags schon ein reger Betrieb am Bahnhofsgelände zu verzeichnen, manch ein Nachtschwärmer torkelt noch sediert durch die Straßen, während Early-Bird-Starter von ihren Hunden durch die Straßenzüge gezogen werden. Ein Blick gen Osten verspricht einen grandiosen Sonnenaufgang. Selbst Schuld wer zu dieser Zeit noch im Bett liegen bleibt.
Rasch ist der Gründungsort der Apfelweinkelterei Possmann in nordwestlicher Richtung verlassen. Die A66 am Eschborner Dreieck überquerend, geht es hinein in die Bürostadt Eschborn. Am Ortsschild wird bereits dokumentiert, da man das Frankfurter Stadtgebiet verlassen hat und den östlichen Rand des Maintaunuskreises überschritten hat. Nicht zwingend zur Freude des Frankfurter Stadtkämmerers, da Eschborn durch eine aggressive Gewerbearealerschließungspolitik seit 1968 hochkarätige Gewerbetreibende ansiedelt. Architektonisch interessant, sowohl im Positiven als auch im Negativen die vielfältigen Ausgestaltungsformen der Büro- und Zweckbauten.
Auf dem Weg Richtung Sulzbach geht es durch das 76 Hektar große Arboretum Main-Taunus, dort wo ehemals die Deutsche Luftwaffe einen Fliegerhorst eingerichtet hatte. Heute bepflanzt das Land Hessen das Areal als Ersatzaufforstung für die benachbarte Flughafenerweiterung – so ändern sich die Zeiten. Angepflanzt sind hier mehr als 600 Baum- und Straucharten aus den Regionen der nördlichen Erdhalbkugel. Mit Blick Richtung Schwalbach und dem dahinterliegenden Taunus geht es entlang des nordöstlichen Zipfels via Sulzbach hinein nach Bad Soden. Der Straßenname „Salinastraße“ deutet darauf hin, dass dieses Areal eine lange Salzhistorie aufzuweisen hat. Heute geht man davon aus, daß hier bereits die Römer in den warmen Quellen badeten und sich mit der Salzgewinnung beschäftigten. Heute werden noch zwölf Heil- und Mineralquellen von ehemals 30 betrieben.
Die Kuranlagen sind übersichtlich und nicht überladen. Dass hier Wohnraum knapp und teuer ist kann man an den bebauten Steilhängen des Kurortes studieren. Postmoderne Kuben mit dem Charme von gestapelten Schuhkartons als Synonym einer zweckorientierten Architektengeneration. Auf markierten Wegen des Taunusclubs führt der Trail durch Streuobstwiesen und Obstplantagen moderat aber stetig aufwärts. Es lohnt ein Blick zurück auf das untenliegende Stadtzentrum von Frankfurt. Mächtig strecken sich die Wolkenkratzer in den Himmel. Kein Wunder dass sich hier gerne gestreßte Manager zurückziehen, um am Feierabend entspannt auf ihre Wirkungsstätte hinabzublicken. Inmitten der Obstplantagen hat sich frühmorgens eine Ordensschwester niedergelassen, um die außergewöhnliche Novemberwetterlage zu genießen. Wie sie berichtet ein Novum in Ihrem Leben. Wir stimmen überein, dass die Natur die schönsten Bilder zeichnet und es demgemäß sinnvoll ist, die Gunst der Stunde zu nutzen, um das herrliche Areal zu genießen.
Durch den herrlich herbstlichen Johanniswald geht es nordwestwärts hinein nach Königstein im Taunus. Die Stadt, ebenso ein heilklimatischer Kurort, weist mit einem Kaufkraftindex von 191 einen Bundesspitzenwert aus. Dass hier der soziale Wohnungsbau unterrepräsentiert istn verdeutlichen die stattlichen Villen, die hier errichtet wurden. Schon von weitem sichtbar ist die Burgruine Königstein. Auf der anderen Hangseite ist auffällig unauffällig die Villa Andreae drapiert. Für schlappe 5,6 Millionen EUR ist das Objekt derzeit bei einem englischen Makler zu erwerben.
Durch das Billtal geht es durch ein gewaltiges Buchenareal stetig aufwärts zum Naturfreundehaus. Von hier aus könnte man optional in weit ausladenden Schleifen auf breiten Wirtschaftswegen sich zum 826 Meter hoch gelegenen Kleinen Feldberg hochschrauben. Spannender ist es jedoch die Fährte der Feldbergschneise, markiert vom Taunusclub mit einem grünen Kreis geradeaus hochgehend aufzunehmen. Rasch ist der zweieinhalb Kilometer lange Aufstieg absolviert. Wetterbedingt sind eine stattliche Anzahl von Joggern, Wanderern und vor allem Radfahrer unterwegs, die jedoch ausnahmslos die schmerzfreie Wirtschaftswegvariante wählen. Oben am Kleinen Feldberg ist seit mehr als 100 Jahren des Taunusobservatorium der Goetheuniversität stationiert. Die Deutsche Limesstraße touchierend geht es weiter moderat aufwärts zum großen Bruder, den Großen Feldberg, die höchste Erhebung des Hochtaunus.
Am Parkplatz Windeck sind auffällig viele Limousinen mit Offenbacher Kennzeichnung zu sichten – die gelenkschonendste Alternative um die Taunushöhe zu erklimmen. Beliebt ist das Areal auch bei den Radel- und Mopedfahrer. Der Große Feldberg, 879 Meter hoch, bereits 150 n.C. mit einem Limes-Wachturm besiedelt, Bettstätte der sagenumwobenen Nibelungen-Brunhilde, Gründungsstätte des ersten Wandervereins Deutschlands, dem Taunusclub, 1859 von Alexander von Humboldt mit dem Status „das schönste Mittelgebirge der Welt“ versehen, seit 1902 Standort eines Feldberg-Aussichtsturmes, zeitweise Standort eines Eiskunstlaufbahn und Flugzeuglandeplatz, Trainingslager für Olympiamannschaften und seit 1936 Standort von Fernsehsendermasten. Nicht zu vergessen der Feldberghof, eine sehr zu empfehlende Restauration. Im Normalfall sollte man an solchen touristischen Hotspots darauf verzichten einzukehren, da üblicherweise zu voll, zu teuer und zu schlecht. Wohltuend hebt sich der Feldberghof ab. Wetterbedingt zur Mittagszeit bestens besucht, der Service schnell und freundlich, die Speise- und Getränkekarte urig hessisch, die Portionen ausladend und schmackhaft. Angesichts der wetterbedingten Diesigkeit Richtung Süden wird auf einen Turmaufstieg verzichtet.
Bis dato sind 25 Kilometer von Frankfurt Rödelheim startend zurückgelegt. Ermattete Wanderer, die einen würdigen Abschluss in der Schänke präferieren, können von hier aus per Bus via Oberursel per U-/S-Bahn bequem zurückfahren. Für alle anderen ist ein Weitermarsch zunächst zum 160 Meter unterhalb gelegenen Fuchstanz zu empfehlen. Der Fuchstanz, dessen Namensherkunft ungesichert ist, ist ein alter Verbindungspass, den bereits die Römer zwischen dem Kleinen Feldberg und dem Altkaiser nutzten . Am Fuchstanz befindet sich auch die einzige Möglichkeit zu einem gastronomischen Zwischenstopp beim Aufstieg zum Großen und Kleinen Feldberg. Bereits seit über 130 Jahren gibt es hier zwei Wirtshäuser. Logischerweise tanzt an diesem Warmnovembertag hier der Bär. Logischerweise, dass es auch nicht verboten ist trotz kurzer Gehzeit einen Weißbierstopp einzulegen um solidarisch die hier sitzenden Radler und Spaziergänger zu unterstützen. Ungeachtet der Außentemperaturen beharren einige Gäste darauf novembertypisch einen Glühwein einzuschwenken.
Theoretisch könnte man oberhalb des Fuchstanzes entlang der Massborn über Hohenmark direkt nach Oberursel wandern. Praktisch ist jedoch eine Tour zum 798 Meter hochgelegenen Altkönig, dem dritthöchsten Gipfel des Taunus sehr zu empfehlen. Bereits 400 v.C. besiedelten Kelten diesen Gipfel und legten einen Ringwall an. Wenn man bewusst die markierten Wirtschaftswege verlässt, hat man Gelegenheit außergewöhnliche, wenn auch steile Bergpfade zu erklimmen. Östlich abwärts gehend durchwandert man ein spektakuläres Buchenwaldareal, ein verwachsener Baumbestand mit teilweise bizarren Formen.
Von nun an geht es bergab – stetig abwärts und das mächtig. Auch hier könnte man über ausladende Wirtschaftswegvarianten den Gang hinab antreten. Gewählt wird jedoch die Brutalvariante, einen in den topographischen Karten eingetragenen Pfad, wo selbst die Weinberghänge an der Mosel als sanfte Hügel ausgewiesen werden könnten. Dank Fjällrävens unverwüstlichen G1000-Hosen mit verstärktem Hosenboden ist die Tour abwärts zu bewältigen -jedoch nicht zwingend für jedermann empfehlenswert. Getoppt wird das Ganze nur noch durch einen Mountenbiker der in Höchstgeschwindigkeit an mir vorbeirast. In der Nachschau extrem leichtsinnig, da die Felsbrocken unter dem dichten Blätterboden nicht immer sichtbar sind. Deutlich angestrengender als der Aufstieg gestaltet sich den aus freien Stücken gewählten der Abstieg zum Ringwall Hünerberg. Noch heute sind hier die vermutlich von Hünen errichtenden Erd- und Felswälle erkennbar. Vom hier installierten Gilboa-Tempel hat man einen schönen Ausblick auf die unten liegende Rhein-Main-Ebene. Hier aus kann man herrlich die Abrisskante der Bergstraße mit Ausläufern Richtung Kraichgau/Heidelberg studieren.
Unterhalb des Hünerbergs geht es vorbei am mächtigen Hauburgstein, der von der Ortsgruppe des ansässigen Deutschen Alpenvereins gehegt und gepflegt wird und als Klettertrainingsareal kräftig genutzt wird. Auf moderaten Waldwegen geht es parallel der Kreisstraße folgend hinein nach Oberursel, um von dort mit der S-Bahn zurück zum Ausgangsort Rödelheim zufahren.
The best of…Hochtaunus – spektakulär diese Route mit drei Gipfeln. Am langen Ende eines außergewöhnlichen Wandertages bleibt die Wanderuhr bei 42,3 Kilometer –exakt die Marathondistanz, mit 1.197 Höhenmetern stehen. Als Merkposten für weitere Exkursionen ist der Taunushöhenweg vorgemerkt. Entlang des Taunushauptkamms von Butzbach in der Wetterau bis zum Rhein nach Kaub. 141 Kilometer mit knapp 7.000 Höhenmetern, inklusive dem Großen Feldberg als höchsten Punkt des Rheinischen Schiefergebirges. Es gibt viel tun – let,s walk.
Anspruchsvolle, interessante, lesenswerte Darstellung – die einem die Tour miterleben lässt. Schöne natürlich Bilder.