Scout-Tour: Der GR 226

Capdepera, den 1. Dezember 2024 – Eigentlich war alles perfekt eingefädelt, denn es sollte eine Premiere werden. Eine Tour auf einem Weg, der kurz vor seiner Vollendung steht. Ein Weg der als verdichtetes Endergebnis einer langjährig vorausgegangenen Planungs- und Gestaltungsphase zunächst in einer ganz anderen Größenordnung angedacht war. Das knapp 90seitige spanische Projektdossier lag vor, die detaillierte Streckenführung war auf Basis der topografischen Karten im Format 1:10.000 verfügbar und die mallorquinische Presse berichtete bereits im Mai dieses Jahres, dass die offizielle Streckeneröffnung für Januar 2025 terminiert ist.

Die geplante Strecke des neuen GR 226 – 95 Kilometer von Cales de Mallorca bis zur Cala Mesquida
Projekt GR 226: Akribisch durchgeplant inclusive der GPS-Standorte der 549 Wegekennzeichen

Aber der Reihe nach. Eigentlich war vom Inselrat alles anders geplant. In Ergänzung zum spektakulären GR 221, dem Weitwanderweg, der im Norden der Insel Mallorcas durch das Tramuntana-Gebirge führt, sollte die”Ruta de los Faros” als 285 Kilometer langer Weitwanderweg von Cala Agulla bis nach Port de Andratx eine Inselumrundung ermöglichen, als Pendant zum Cami de Cavalls auf der balearischen Nachbarinsel Menorca. Der “Ruta de los Faros” sollte u.a. an neun historischen Leuchttürmen vorbeiführen. Mehrere Jahre arbeitet der Inselrat an diesem Plan und 2022 war die Freigabe vorgesehen, jedoch Ende 2023 wurde das Projekt eingestampft, denn die Strecke hätte nur mit zahlreichen Enteignungen realisiert werden können. So beschloss man im Osten Mallorcas eine Alternative anzubieten, zunächst über eine Distanz von 193 Kilometern – die nunmehr auf 94 Kilometer eingedampft wurde, da wiederum privatrechtliche Interessen im Wege standen. Januar 2025 sollte scharf geschaltet sein – so zumindest der Plan, jedoch aktuell ist noch nicht einmal mit der Beschilderung begonnen worden. Es fehlen Umsetzungsberichte von verantwortlichen Stellen und der Inselrat hat, um keine Fördergelder zu verlieren, die Ausführungsfrist auf Januar 2026 verlängert.

Dies vorausgeschickt wurde, statt wie ursprünglich geplant, die gesamte Strecke unter die Wandersohle zu nehmen, im Rahmen einer Scout-Tour das Sahnehäubchen des neuen Wanderweges von Capdepera bis nach Cala Mesquida angegangen. Von der Ortsmitte der kleinen selbstständigen Gemeinde Capdepera geht es strack aufwärts zum höchsten Punkt des Wanderweges GR 226, wobei mit GR in Spanien landesweit die Fernwanderwege als “Gran Recorrido” bezeichnet werden. So führt beispielsweise der der GR 7 , der längste spanische Weitwanderweg, mit 1.250 Kilometern von Andorra bis nach Alicante. Zurück zum GR 226. Bereits nach drei Kilometern ist der höchste Punkt der Etappe erreicht, das Drehfunkfeuer, welches als Hauptanflugskennzeichen den Flughafen Palma am anderen Ende der Insel unterstützt.

Dreißig Minuten nach Sonnenaufgang herrscht sonntags noch Funkstille in Capdepera
Auch wenn der GR 226 noch nicht ausgeschildert ist, in der Region gibt es einige Rundwege (gepunkete Linien), die den östlichen Nordzipfel entlang der Küste bis nach Cala Mesquida abdecken
Blick auf das gegenüberliegende Castell de Capdepera. Im Nachgang war es ein Versäumnis auf dem Rückweg die gewaltige Burganlage nicht besichtigt zu haben
Von Anbeginn überzeugt die Wegetextur
Privado-Schilder sollte man tunlichst beachten, auch wenn sie scheinbar durch offenes Gelände führen
Eine tolle felsdurchsetzte Vegetation
Blick hinüber in den Gebirgszug des Llevant. Würde man drüben auf den Anhöhen stehen, dann hätte man bereits die Bucht von Alcudia auf dem Radarschirm
Entlang eines Kamms geht es auf schmalen Pfaden stetig aufwärts
Mee(h)rblick: Gegen den Sonnenstrahl gebürstet entfaltet der noch bedeckte Himmel eine besondere Aura – und hinter dem Horizont liegt die Nachbarinsel Menorca
Die Flugsicherungsanlage oberhalb von Capdepera. Gut zu erkennen ist die Bucht von Cala Rajada
Wanderspaß pur auf dem Kammweg, der von Puig zu Puig führt.
Wenn hier schon ein trigonometrischer Punkt ist, dann muss man halbwegs richtig unterwegs sein
Blickt man über die sanfthüglige Landschaft der Serres de Llevant am Horizont fühlt man sich fast wie zuhause im Odenwald oder in der Pfalz
Eine typische mallorquinische Impression
Kaum zu glauben. Auch wenn unkonventionell – ein zartes Pflänzlein einer Wegekennzeichnung

Von Capdepera führt der Gipfelgang in einem 180-Grad-Bogen abwärts zur Küste hinab nach Sa Font de sa Cala. Von dort ist auf den nächsten Kilometern Küstenwanderung der erholsamen Art bis nach Cala Rajada und weiterführend bis nach Cala Agula angesagt. Erholsam einerseits, ernüchternd auf der anderen Seite. Anfang Dezember ist hier Ruhe eingekehrt. Der Wintertourismus konzentriert sich auf der Insel vornehmlich im südwestlichen Bereich rund um Palma. Hier im Osten des Landes sind die Schotten dicht. Man wandert küstennah mehr oder minder durch Geisterstädte. Die Einheimischen sind unter sich und genießen scheinbar den saisonal bedingten Dämmerschlaf. Blickt man auf die winterfest gemachten touristischen Lokalitäten so reduziert sich der Gesamtblick auf die Schmauchspuren der Hochsaison, Anblicke die nicht wirklich ästhetisch sind. Wobei zu hinterfragen wäre, wie weit es um die Ästhetik bestellt ist, wenn man hier zur Hochsaison durchwandern sollte.

Hier reguliert sich die Natur noch selbst…
Eine mal mehr bestätigt sich – die Mischung macht es….
Ein Check mit Google Maps: Vier Fincas, vier Swimmingspoole- sowohl links als auch rechts auf 500 Meter Länge auf dem Gang hinab zur Küste
Meeresluft regt zum Denken an: Mauerwerk stringent geschichtet oder im traditionellen Verbund – was sagt das wohl über den Eigentümer aus?
Mehr oder minder verwaist sind die küstennahen Strandvillen zu dieser Jahreszeit
Gut erschlossen ist der Boardwalk der bis nach Cala Rajada führt
Skulpturen, die die Natur fomt: salzluftgestählte Baumreste
Kleine Buchten als Eyecatcher
Besser, wenn man sich auf die Meeresseite konzentriert….
..denn hier gibt es immer etwas zu entdecken….
Blick auf den Hafen von Cala Rajada
Geometrie eines Urlaubsortes
….Bilder, die man in keinem Hotelprospekt sehen möchte…

Im Nachgang kann man sich die Frage stellen, wieso nach der derzeit aktuell gültigen Wegeplanung, der Wanderweg quer durch Cala Rajada zum Strand von Cala Agulla führt. Wandertechnisch wäre es gehaltvoller gewesen, den Weg komplett um den Küstenzipfel von Cala Rajada zum Punta de Capdepera zu ziehen. Ungeachtet dessen, am Strand von Cala Agulla nimmt das Schrecken sein Ende und man erreicht den schönsten Abschnitt der Tour, den Parc Natural de la Peninsula de Llevant – ein Naturerlebnis der besonderen Art. Steineichen, Pinien, Mandel- Feigen- und Olivenbäume, Aleppokiefern und Zwergpalmen gedeihen hervorragend auf dem Sandsteinboden. Hier hat man Gelegenheit auf zahlreichen Rundwegen das Areal in Gänze zu entdecken. So wundert es auch nicht, dass auch zu dieser Zeit eine erkleckliche Anzahl an Wanderern unterwegs ist. Wäre es nicht der Plan gewesen dem Wegeverlauf des neuen Wanderweges zu folgen, so hätte man sich hier regelrecht austoben können, einschließlich des ein oder anderen Berganstieges. Der Naturpark spuckt den Wanderer am naturbelassenen Strand der Cala Mesquida aus, dort wo oberhalb des Strandes ein Holzsteg durch die Dünenlandschaft führt. Hier endet auch nach offizieller Leseart der GR 226.

Willkommen in eine der schönsten Ecken Mallorcas
1. Dezember: Außer Meeresrauschen – nichts….
Von der Felsenküste geht es in den Naturpark
Blick zurück auf die nördlichen Ausläufer von Cala Rajada
Wenige Meter hinter dem Strand taucht man ein in eine andere Welt
Magische Momente
Nichts für Sandalenträger….
Einfach prachtvoll
Wandertechnisch kann man sich hier gut austoben
Ein mit Zwergpalmen garnierter Wald hat schon etwas….
Welcher Waldschrat wohl hier hauste…
Fürwahr – ein herrlicher Naturpark
Eine Formensprache die ihresgleichen sucht
Und hinter der Mauer….
…blickt man auf Cala Mesquida – zu dieser Jahreszeit eine Geistersiedlung
Über einen Holzbohlensteg geht es….
durch die geschützte Dünenlandschaft

Da in der Wintersaison der öffentliche Nahaverkehr Cala Mesquida nicht bedient, wurde aus logistischen Gründen auf dieser 21 Kilometer langen Runde Capdepera als Start- und Zielort gewählt. So geht es nach dem offiziellen Streckenende in Cala Mesquida über die Via Marina zurück nach Capdepera. Offiziell setzt die Schlußetappe des GR 226 sogar in Arta, der sehenswerten Nachbargemeinde von Capdepera, ein. Jedoch konnte papierbezogen die offizielle Streckenführung, die über mehr als zwei Kilometern entlang der überregionalen MA4042 führt, nicht wirklich überzeugen. So wurde auf dieser Entdeckungstour dieses Teilstück zunächst ausgeklammert.

Auf dem Rückweg entdeckt man manch einen aussichtsreichen Hügel den man durchaus erklimmen kann
Auch wenn es verlockend ist manch einen Bypass zu nehmen, man kann nicht immer sicher sein, auf welchem Territorium man unterwegs ist…
..denn überall sind Fincas verstreut und selbst der Postbote traut sich nur bis zum Sammelpunkt
Araber errichteten die Festungsanlage von Arta, dem offziellen Startpunkt der vierten Etappe des GR 226

Der GR 226, ein Weg in der Pipeline. Einzig was fehlt ist die sichtbare Umsetzung vor Ort. Studiert man den eingeplanten Streckenverlauf, der von der Küste von Cales de Mallorca zur Großkommune Manacor führt und von dort nach Sant Llorenc des Cardassar, weiter nach Cala Millor, Son Servera und Arta durchschleift, so kann man eine facettenreiche Wanderung durch die sanfthügelige Landschaft von Ostmallorca durchaus erwarten. Jedoch es wäre unseriös derzeit an dieser Stelle eine Bewertung abzugeben. Man darf gespannt sein, wann der Weg freigegeben wird und man offiziell die Chance hat diesen Landstrich unter die Füße zu nehmen. Denkt man etwas größer, dann bietet sich eine interessante Zusatzoption an, nämlich die logische Verbindung des Weitwanderweges GR 222 vom Kloster Lluc über Inca nach Arta und Anbindung des neuen GR 226 in umgekehrter Reihenfolge bis nach Cales de Mallorca…..

Cales de Mallorca – der offizielle Startpunkt des GR 226 auf der Passeig Maritim – eine herrliche Küstenwanderung am Felsboulevard zum Auftakt
Die vorgestellte Passage, die gegen den Uhrzeigersinn erwandert wurde

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