Oberzent, den 02. April 2020 – Schöllenbach, der zweigeteilte Ort an der hessisch-badischen Landesgrenze ist Startpunkt dieser Nibelungenringexkursion. Die Wanderplanung erfolgt nach bewährtem Muster. 20 Kilometer aufwärts entlang des Nibelungensteiges und der Rückweg auf gut gangbaren Wanderwegealternativen, die der Odenwald zur Genüge zu bieten hat.
Hinter der Wallfahrtskapelle führt der Nibelungensteig in einer Schleife durch den dichtbewaldeten Langen Forst. Das Euterbachtal ist eng und es wird noch einige Stunden dauern bis hier das Sonnenlicht ein wenig Erhellung in den dunklen Waldabschnitt bringt. Moderat die Steigungen, die sich auf den nächsten sieben Kilometern verteilen. Nur noch Bäume vor Augen verpasse ich eine Landmarke des Nibelungensteigs, den Rutschstein, ein mysteriöser Buntsandsteinblock mit räselhaften Vertiefungen. Mit dieser Bildungslücke behaftet erreiche ich Gebhardshütte, eine Ortsteil-Enklave von Hetzbach-Oberzent.
Fünfzehn Gehminuten von Gebhardshütte entfernt erreicht man das Ebersberger Felsenmeer, eine größere Anhäufung von Buntsandsteinfelsen. In Kriegszeiten verschanzten sich hier die Einwohner aus den umliegenden Gemeinden.
Vier Kilometer hinter dem Sandsteinfelsenmeer erreicht man ein Meisterwerk deutscher Ingenieurs- und Baukunst, das Himbächel Viadukt. 1880 errichtet, 250 Meter lang, aus zehn Bögen bestehend und aus 16.400 Kubikmetern heimischen Sandstein gefertigt. Gewaltig strecken sich die 43 Meter hohen Bögen über den unten durchlaufenden Nibelungensteig. Abkürzungsfetischisten könnten hier vier Kilometer einsparen und am Viadukt die Passage zum Marbachsee deutlich kürzen. Da man aber im Regelfall des Wanderns willens wandert, ist es nicht verboten der Schleife via Ebersberg und den Heumatten zum Marbachstausee zu folgen. Einst wurde der Stausee zum Hochwasserschutz der talabwärtsliegenden Gemeinden errichtet. Mittlerweile hat sich das Areal in coronafreien Zeiten mit Bade-, Zelt-, Surf- und Segelbereiche als Naherholungsgebiet etabliert.
Der Marbachstausee – der heutige Wendepunkt des Nibelungenringes. Nach dem waldreichen ersten Teil geht es nun auf aussichtsreichen Pfaden Richtung Beerfelden, dem Hauptsitz der jüngsten Stadt Hessens, die 2018 aus 19 Kommunen gegründet wurde um die Verwaltungskraft zu stärken. Imposant die Ausdehnung der neuen Stadt. Flächenmäßig ist Oberzent die drittgrößte Stadt Hessens, nach Frankfurt und Wiesbaden. Hinauf geht es zunächst zum Stadtteil Etzean. In dem 150 Seelen zählenden Ort wird ein großes Gestüt betrieben, welches Vollblutpferde für den Galoppsport züchtet. Auf aussichtsreichen Panoramapfaden geht es hinauf nach Beerfelden, zu einer außergewöhnlichen Landmarke. Vor den Stadttoren befindet sich in feinster Aussichtslage Deutschlands besterhaltenster Galgen. 1597 wurde der dreischläfrige Galgen in der heutigen Form errichtet. So konnten mehrere Hinrichtungen gleichzeitig vollzogen werden. Drakonischerweise ließ man zur Abschreckung die Gehängten bis zur Verwesung baumeln. 1804 vollzog man hier die letzte Hinrichtung. Am Galgen baumelte eine Zigeunerin, die ein Huhn gestohlen hatte. Heute lassen Spaziergänger ihre Füße unter den hier eingebrachten Ruhebänken baumeln – ein makaberer Metapher.
Beerfelden querend und die weitläufigen Panoramaaussichten genießend führt der Rückweg Richtung Sensbachtal hinauf zum Reußenkreuz. Hier an der Wasserscheide befindet sich ein beliebtes Ausflugslokal, welches gerne von Motorradfahrern frequentiert wird, die über die kurvigen Straßen rund um den Krähberg donnern. Von hier geht es abwärts, unterhalb der Siegfriedstraße. Man folgt dem Hauptwanderweg des Odenwaldklubs welches mit einem grünen Dreieick gekennzeichnet ist. Entlang der Passage wandert man vorbei am längsten eingleisigen Eisenbahntunnel der Republik, dem Krähbergtunnel. Sowohl das Himbächer Viadukt, als auch der Krähbergtunnel waren die Grundvoraussetzung gewesen, um diesen Zipfel des Odenwaldes mit dem urbanen Korridor im Rhein-Main-Gebiet zu verbinden.
Oberhalb von Hesseneck-Schöllenbach führt die Passage über den dichten Nadelwald in einer langgezogenen Schleife hinab in das Euterbachtal. Knapp 41 Kilometer und 910 Höhenmeter, so die Bilanz dieser Nibelungenringrunde, die durchaus von einer gemächlichen Wegeführung gekennzeichnet war.
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