Friedberg, den 11. Februar 2017 –
Die Wetterau. Dank guter Böden als Kornkammer klassifiziert, dank der geologischen Fortsetzung der rheinischen Tiefebene eine gewachsene Kulturlandschaft, dank der noch moderaten Grundstückskosten ein beliebter Rückzugsort für Frankfurter Pendler. So führt die fünfte Passage quer durch diesen Landstrich und bietet immer wieder Gelegenheit zu weitreichenden Aussichten in der kultivierten Agrarlandschaft.
Gestartet wird in der Kreisstadt Friedberg. Vor Sonnenaufgang ist, wie nicht anders zu erwarten, die Stadtkirche noch verriegelt. So geht es weiter durch die breite Promenadenstraße vorbei am Anwesen der Kaiserstraße 32, dort wo Luther nachweislich auf seiner Passage 1521 übernachtete. Am Beginn der Kaiserstraße thront die im 12. Jahrhundert errichtete Burg Friedberg mit dem mächtigen Adolfsturm auf einem Basaltbergsporn. Namensgeber des besagten Turmes war Graf Adolf von Nassau, der von Friedberger gefangen genommen wurde. Das erpresste Lösegeld, verwandte man für den Turmbau, den man nach der freigelassenen Geisel benannte. Respektable Ganovenehre! Just vor dem Schloß residiert standesgemäß das Finanzamt im ehemaligen Renaissance-Schloss des Burggrafen.
Zwei Lutherwegspassagen führen von hier aus nach Eisennach. Gewählt wird die Ostroute Richtung Grünberg. Drei dicht an dicht gebaute Eisenbahnbrücken unterquerend geht es weiter dem Flüsschen Usa folgend Richtung Dorheim, dort wo heute noch ein Herrenhaus des ehemaligen Dornheimer Schlosses steht. Außerhalb von Dornheim, mit Blick Richtung Bad Nauheim führt die Passage vorbei an zwei Mineralbrunnen, dem Löwen- und den Sauerbrunnen. Das Wasser ist salzig und mit einer eigenwilligen Geschmacksnote unterlegt. Ein Hinweisschild weist darauf hin, dass man nicht mehr als 200 ml von diesem Brunnen pro Tag zu sich nehmen sollte. Nach einer Geschmacksprobe ist dieser Hinweis durchaus nachvollziehbar.
Weiter geht es in einer langgezogenen Passage durch freies Feld Richtung Wölfersheim, dort wo 187 Jahre im Tagebau Braunkohle abgebaut wurde. Heute scheint in Wölfersheim die Zeit stehen geblieben zu sein. Samstag vormittags – die Stadt ist verwaist, fast ausgestorben. Vorbei am Weißen Turm geht es zur Stadtkirche mit der imposanten barocken Fassade, die bereits zu Mutmaßungen führte, dass die Kirche ursprünglich als Schloss geplant war, was jedoch falsch ist. Leider findet die Kirche im Pilgerführer keinerlei Erwähnung, noch hat man Gelegenheit die Sakralstätte zu besichtigen. So geht es, auch mangels Möglichkeit einer Kaffeerast, unverrichteter Dinge weiter in die Wetterauer Seenlandschaft, dort wo bis 1994 noch Braunkohle gefördert wurde. Mittlerweile hat sich das Areal zu einer Seenplatte mit einem hohen Freizeitwert entwickelt.
Entlang ruhiger Wirtschaftswege geht es in nordöstlicher Richtung, die A45 querend nach Berstadt, dem ersten „Lichtblick“ am Pilgerpfad. Die Kirche geöffnet, und man ist sichtlich vorbereitet für den Lutherwegspilgerer. Hier hat sich eine rührige Pfarrgemeinde sehr engagiert mit dem Thema auseinandergesetzt. Auf der folgenden Achse Utphe, Trais-Horloff, Inheiden schlängelt man sich durch die Wetter Seenlandschaft. Ein ideales Umfeld für Wanderer und Radler. Rund um den Inheidener See hat sich ein ausgedehntes Freizeitareal mit zahlreichen Wochenendhäusern entwickelt. Wo früher Braunkohle abgebaut wurde, ahlen sich heutzutage bei schönem Wetter Sommerfrischler und Wassersportler.
Nach einem ersten Outdoor-Luther-Weißbier am Seenufer geht es zum Schlußsport durch die „Hungener Schweiz“ hinein nach Hungen, der Schäferstadt im Wetterau. Drei Highlights sollte man sich in Hungen nicht entgehen lassen. Eine Besichtigung der Stadtkirche, eine Inaugenscheinnahme des Hungener Schlosses, welches in den 70er Jahren von einer zwölfköpfigen Eigentümergemeinschaft zu Wohnzwecken restauriert wurde, und ein Besuch der Hungener Käsescheune, die mit einer ausgezeichneten Feinschmeckerküche aufwartet.
Nach einer geruhsamen Nacht in der offiziellen Lutherwegsherberge „Hotel am Markt“ heißt es Abschied nehmen von der flachen Wetterauer Landschaft. Auf der Passage Richtung Grünberg kündigen sich langsam die ersten Ausläufer des Vogelbergsareals an – es wird nun endlich hügeliger.Von Hungen aus geht es durch die Hubbachwiesen vorbei am weitläufigen Areal des heimischen Angelsportvereins mit drei angelegten Großfischteichen. Nach einer Waldpassage öffnet sich langsam das Gelände und legt einen bemerkenswert Blick auf die oberhalb von Nonnenroth gelegene Dorfkirche frei. Schade, dass die Väter des Lutherweges nicht die Schleife über den Kirchenhügel eingebaut haben. Scheinbar wollte man den Pilgerer vor einem „beschwerlichen“ Anstieg bewahren. Vor der Kirchenmauer ist eine neue imposante Luther-Holzstatue aufgestellt. Die Kirche – nicht wirklich überraschend- jedoch geschlossen.
So geht es weiter über den Weiler Röthges zum Hessenbrückenhammer, einem ehemaligen Eisenhüttenbetrieb, dort wo die Ost- und Westroute sich wieder vereinen. Nach einer Waldpassage quert man die Wetter und es eröffnet sich ein imposanter Blick auf das sechs Kilometer entfernte Grünberg.
Die Passage durch die sanfhügelige Landschaft nach Grünberg ist abwechslungs- und aussichtsreich. Grünberg, auf einem Basalthöhenzug gelegen, besticht durch die sehenswerte historische Altstadt. Enttäuschend jedoch, dass das Thema Luther scheinbar nicht in der Kommune angekommen ist. Die mächtige Stadtkirche, (gemäß Pilgerführer als „bemerkenswert“ deklariert) ist am Sonntag zur Mittagszeit geschlossen. Die Informationsständer im Eingangsbereich des Rathauses lassen jeglichen Hinweis auf den angelegten Lutherweg vermissen. Schade für die Initiatoren des Lutherweges, dass Grünberg, wie viele andere Kommunen auch, die Thematik nicht erkannt und aufgegriffen hat.
Der Rest der Passage, ein unspektakulärer Auslauf via Lehnheim in das im Vogelsbergkreis liegende Mücke. Alles in allem eine bequem zu laufende Zwei-Tagespassage mit insgesamt 65 Kilometern und nicht anstrengenden 880 Höhenmetern. Bleiben noch 163 Kilometer bis nach Eisennach, wobei die nächste Tagestour nach Alsfeld mit 44 Kilometern und guten Höhenmetern eine wandertechnisch schöne Herausforderung sein wird.
Wirklich wunderschöne Fotos von unserer Gegend!
Berichtigen möchte ich, dass man von Friedberg nach Dorheim (nicht Dornheim) geht – wobei ich bis heute nicht wusste, dass dort ein Schloss ist. Das muss ich mir mal ansehen.
In Grünberg auf dem Marktplatz steht in einer Vitrine ein Modell des Hauses, in dem Luther damals übernachtet haben soll. Das Haus selbst ist leider nicht mehr da, aber durch das Modell und die (fotografierte) Schautafel kann man sich alles gut vorstellen. Im Grünberger Rathaus am Marktplatz kann man einen schönen Lutherweg-Stempel in sein Pilgerheft bekommen.
Vielen Dank für diese einladende Wegbeschreibung!