Alsheim, den 15. Januar 2017
Ob Luther mit seinem Troß auf dem Weg nach Eisenach bereits durch die berühmten Alsheimer Lößhohlwege schreiten konnte ist nicht überliefert. Man ertappt sich jedoch immer wieder, dass man geneigt ist gedanklich 500 Jahre zurück zu springen um für sich zu ergründen, wie damals die Region hier ausgesehen haben könnte. Alsheim gab es schon damals, sogar vor der Reformation mit zwei Kirchen ausgestattet. Das jetzige Fachwerksrathaus wurde erst 200 Jahre später errichtet und vom Anblick des weithin sichtbaren Atomkraftwerks Biblis blieb der Reformator glücklicherweise verschont. Was sind schon 500 Jahre, wenn der Halbwertszeit von Plutonium 239 immerhin 24110 Jahren beträgt.
Da in Rheinland-Pfalz die Lutherwegsbeschilderung noch nicht fertiggestellt ist, folgt man zunächst den Rheinterassenweg um nach einigen Kilometern auf die Kirchenruine St. Magdalena in Hangen-Wahlheim zu stoßen, die vermutlich im 13. Jahrhundert errichtet wurde. Bereits von hier aus kann man auf das drei Kilometer entfernte Guntersblum hinabblicken .
Auch wenn der Lutherweg offiziell oberhalb von Guntersblum entlang des Rheintgerassenweges verläuft, lohnt allemal ein Abstecher in das 4.000 Seelen zählende Weinstädtchen. Bemerkenswert sind die beiden markanten Türme der evanglischen Kirche. Der Stil derartiger achtseitiger Gewölbe auf quadratischem Grundriss wurde vermutlich in Persien erfunden, so dass man sie auch Sarazenentürme nennt. An allen Ecken der Kommune spürt man dass es sich hier um eine weinselige Region handelt. Winzerhaus an Winzerhaus reiht sich aneinander, wenn man durch den Altstadtkern schlendert. Nördlich von Guntersblum führt die Passage wiederum aufwärts in die Wíngerte. Hinter dem Römerturm, mit der Morgensonne im Rücken,eröffnet sich eine atemberaubende Sicht auf die mächtige kathedralenartig wirkende Oppenheimer Kirche mit weitreichenden Fernblicken darüber hinaus bis zur Frankfurter Skyline, und den Anhöhen des Spessarts und des Odenwaldes.
Oberhalb des Weilers Ludwigshöhe vorbeiwandernd rückt die imposante Oppenheimer Katharinenkirche immer näher. Die Kirche gilt als eine der bedeutendsten gotischen Rheinkirchen zwischen Straßburg und Köln. Auch wenn man sich hier auf dem Rheinterassenweg befindet – eine Sicht auf den drei Luftlinienkilometer entfernten Rhein kann man hier nicht erwarten. Lediglich anhand der flußnahen Baumgruppierungen kann man den Verlauf des großen Gewässers studieren. Vorbei geht es am Krötenbrunnen, dort wo ein altes Wassersystem, mit einem 30 Meter langen Bergstollen, ursprünglich der Wasserversorgung der Stadt Oppenheim diente. Weiter führt der Pfad entlang des Friedhofes, vorbei am mächtigen Gebäude des Amtsgerichts. Durch das Gautor gelangt man zum Marktplatz und von dort aus geht es hinauf zur imposanten Oppenheimer Kirche. Fulminant schimmern im gleisenden Morgendlicht die aufwändig gestalteten Glasfenster der gotischen Kirche mit romanischen Ursprung.
Dort wo Oppenheim endet beginnt das benachbarte Nierstein. Rasch ist die Rheinfähre Landskrone erreicht, um den Rhein querend von Rheinland-Pfalz nach Hessen zu kommen. Kornsand nennt sich der uralte Rheinübergang auf der gegenüberliegenden hessischen Seite. Bereits die Römer nutzten diese Stelle für eine Rheinquerung und seit 1373 waren hier schon Fähren im Einsatz. Heuzutage ist der Kornsand ein beliebter Treffpunkt bei Biker- und Radler.Die hier befindliche Bikerstube ist durchaus zu empfehlen. Hier wird man rasch, gut und preiswert verpflegt.
Frisch gestärkt geht es weiter durch das Hessische Ried. Sicherlich, vor 500 Jahren war der Rheinverlauf hier deutlich anders. Auch heute ist der Spagat zwischen Vernässung und Trockenheit ein großes Thema. Kilometerlang ziehen sich hier die Rheindämme, um Hessenaue Geinsheim und Trebur vor Hochwasser zu schützen. Ein Nordseefeeling begleitet den Gang auf dem Damm durch das wasserreiche Naturschutzgebiet “Großer Goldgrund”.
Bald ist Trebur– eine geschichtsträchtige Stadt erreicht. Hier befand sich die Kaiserpfalz. Kaiser und Päpste waren hier zugegen. Und in Terbur wurde Heinrich dem IV nahe gelegt sich auf den Gang nach Canossa zu machen. Geschriebene Weltgeschichte im Hessischen Ried. Lange zieht sich die breite Hauptstraße durch die Ortschaft, die von zahlreichen Fachwerkhäusern geprägt ist, jedoch im Gesamtbild nicht homogen erscheint. Die evangelische Laurentiuskirche will entdeckt werden. Erst am südöstlichen Ortsausgang stößt man auf die schöne Stadtkirche. Genau hier befand sich die Kaiserpfalz. Heute erinnert eine Gedenktafel an diesen geschichtsträchtigen Ort. Eine Besichtigung der überwiegend barockgestalteten Kirche ist zu empfehlen, wobei die mehr als 260 Jahre alte Luther-Holzstatue besonders hervorzuheben ist.
Mangels Bahnhof folgt man sinnvollerweise den Lutherweg in das fünf Kilometer entfernte Nauheim. Auch wenn der Lutherweg 1521 kein Premium- oder Qualitätsweg ist, ein Anspruch den ein historischer Pilgerweg eben nicht erfüllen kann und muß, bleiben eindrucksvolle 34 Kilometer mit nicht erwähnenswerten 350 Höhenmetern Man darf gespannt sein, auf die folgenden 295 Kilometer nach Eisennach.
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