Im Wandercheck: Spessartweg 3

Bad Soden-Salmünster, den 30. Juni 2020 – “Alle guten Dinge sind drei” sagte man sich beim Tourismusverband Spessart-Mainland und eröffnete just vor fünf Tagen offiziell den dritten Spessartweg. Ein guter Grund den 60 Kilometer langen Weg unter die Wandersohle zu nehmen. Die Besonderheit dieses Weges: er ist grenzüberschreitend, denn er führt vom hessischen zum bayrischen Spessart. Im aktuellen Flyer wird die neue Strecke wortgewandt angepriesen: “Zwei anerkannte Heilbäder, mehrere Naturschutzgebiete, eines der schönsten Täler des gesamten Spessarts, Seenlandschaften, ein Moor, Wildparks und die weiten Wälder des Naturpark Spessart. All das und noch viel mehr erwartet die Wanderer auf dem Spessartweg 3.”

Gestartet wird am Bahnhof von Bad-Soden Salmünster, dort wo wenige Tage zuvor die Infotafel zum Weg neu eingeweiht wurde, und dort wo man für einen Tagessatz von EUR 1,50 sein Fahrzeug am P+R Parkplatz abstellen kann. Ostwärts verläßt man Bad Soden, die A66 unterquerend. Ein Blick gen Westen legt eine Blickachse über das Kinzigtal Richtung Bad Orb frei – eine der wenigen Ausblickmöglichkeiten im Gesamten. Regionaltypisch bewegt man sich als Spessartwanderer hauptsächlich im Wald – die Ausblicke sind rar, naturbelassene Pfade eher selten, überwiegend zentriert sich die Strecke auf vorhanden Wirtschaftswegen. Jedoch zu Anbeginn führen zunächst formidable Wege zu den Hirschbornteichen, die 1968 als künstliche Teiche angelegt wurden, um das Areal als Naherholungsgebiet aufzuwerten. Nach zehn Kilometern ist das Jagdhaus Haseltal erreicht, dort wo die Hasel entspringt, und dort wo man in das Haseltal einsteigt, welches nach Angaben des Touristikverbandes das schönste Spessarttal überhaupt ist. Sicherlich kann man über Superlativen streiten, das Haseltal ist durchaus idyllisch gelegen und angereichert durch eine Kneipp-Anlage. Über eine nördliche Flanke verläßt man das Tal um oberhalb eines stillgelegten Buntsandsteinsteinbruchs nach Bad Orb einzuschwenken.

Bad Soden-Salmünster 4.30 Uhr: beste Zeit für einen Einstieg in die 60 Kilometer lange Passage
Die A66 unterquerend taucht man ein in den dicht bewaldeten Spessart
Der gesamte Weg ist bestens gekennzeichnet
Einer von drei Hirschbornteiche
Beste Wegstruktur Richtung Haseltal
Eine Wallfahrtswegstation – das Naturdenkmal Bildeiche
Pech für Frühstarter: die Stube öffnet erst ab 11:30 Uhr
Einstieg in das Haseltal
Spätestens wenn der Hausrotschwanz trällert sollte man auf der Piste sein
Vorsicht: Einmal oberhalb den alten Steinbruch umrundend

Bad Orb – Von 1814 bis 1867 gehörte die Stadt noch zu Bayern, 1849 war ein Jahr für die Geschichtsbücher – die Orber Revolution. Das Volk krakeelte herum, man probte den bewaffneten Aufstand, erst ein 500 Mann starkes Heer, welches aus Aschaffenburg anrückte, beendete die Widerstandsbewegung. Nach dem preußisch/österreichischen Krieg änderten sich jedoch die Besitzverhältnisse – heute ist Bad Orb hessisch. Zwischendurch legte ein Apotheker den Grundstein für das Heilbad und ein großer Wirtschaftsfaktor war die Salzgewinnung. Der Spessartweg führt über die weitreichende Kuranlage. Statt dem Wegeverlauf des Spessartweges, der entlang des Kurparkteichs führt zu folgen, empfiehlt es sich durch das Gradierwerk zu laufen um mit einer frischen Prise Salz die Lungen zu füllen. Wer mit der Region nicht vertraut ist, sollte allerdings die Stadt intensiver erkunden, es lohnt sich durchaus.

Bad Orb vor Augen
Ein besonderes Fachwerkhausexemplar
Herzlich willkommen im Kurpark
156 Meter lang, 12 Meter breit, knapp 19 Meter hoch..
.. das Letzte von insgesamt zehn Gradierwerken, die hier vor zweihundert Jahren zur Salzgewinnung errichtet wurden
Durchaus empfehlenswert – eine 156 Meter lange Prise Salz…
..und nach dem Salzgang kann man königlich entspannen
oder majestätisch durch die Kuranlagen wandeln
oder botanische Studien an dem hier eingebrachten Lehr-Kräutergarten betreiben
Mehr als überflüssig – dieses Stiftungsschild

Vom Kurparkareal geht es sanft ansteigend in südöstlicher Richtung zum Wildpark Bad Orb und weiterführend zur Orbquelle. Moderat aufwärts führt der Spessartweg durch die Buchenwälder hinauf zum Jossatal, dort wo sich ein vulkanischer Basaltkegel, der Beilstein, befindet. Nebenan schmettern Golfer ihre Bälle über das Green, 1935 war hier ein Übungsgebiet für Bombenabwürfe eingerichtet. Unverständlicherweise hat man die Streckenführung um den Beilstein rechts herum gewählt. Zu empfehlen ist es, einen Stichweg unterhalb der sehenswerten Basaltformationen zu begehen, um anschließend nach Lettgenbrunn einzulaufen, dort wo nach dreißig Kilometern die Hälfte der Strecke absolviert ist. Bemerkenswert ist die Kirche der 800-Seelen Gemeinde – eine Doppelkirche. Links des Turmes ist der evangelische Trakt und rechter Hand der Katholische eingerichtet.

Noch 42 Kilometer nach Heigenbrücken. In Wahrheit ist das ein Wandermarathon mit 18 Kilometern Anlauf……
Informativ und spannend – immer wieder kreuzt man Kulturwege, die hier in der Region in größerer Zahl vorzufinden sind
Was ein Saustall… vorbei an der Orbquelle
Spessarttypisch dicht bewaldet
Auch daß noch…….und juristisch haben Wanderfrauen und -männer keine Chance: Wenn Wanderer durch eine deutlich sichtbare Tafel auf die Gefahrensituation hingewiesen werden dann kann dem Betreiber keine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten angelastet werden. Auch werden die Spieler in den Platzregeln ausdrücklich auf den kreuzenden öffentlichen Wanderweg hingewiesen und zur Rücksichtnahme aufgefordert. Nachzulesen unter OGH(1Ob 4/18x)
Ein ehemaliger zerbombter Bunker als Handicap auf dem Golfplatz
Ein Hingucker im Blätterdickicht
Vorbei an den mächtigen Basaltboliden des Beilsteins
Vermutlich bundesweit einmalig: Der Urlauber Weg in Lettgenbrunn – spannend wäre es den Hintergrund der Namensgebung zu erfahren
Gelogen… Automat kaputt
Aber nicht um 10:45 Uhr…………….

Parallel zur Kreisstraße verläßt man in östlicher Richtung Lettgenbrunn, um nach zwei Kilometern die Jossa zu queren. War die erste Hälfte des Spessartweges von einer lebendigen und abwechslungsreichen Wegetextur gekennzeichnet, so wandelt sich der Streckenverlauf auf den nächsten 25 Kilometern deutlich. Lange Wirtschaftswege, abwechselnd fein und grobbekiest, wechseln sich ab. Der Spannungsbogen der auf der ersten Streckenhälfte aufgebaut wurde, flacht deutlich ab, man stellt innerlich auf Automatik um und macht Strecke. Spätestens hier vermißt man naturbelassene Pfade und Schneisen die die Qualität der Streckenführung im zweiten Abschnitt deutlich heben könnten. Ein Lichtblick ist nach insgesamt 38 Kilometern das Wiesbüttmoor, das höchstgelegene Zwischenmoorgebiet des Spessarts. Nach weiteren vier Kilometern ist Mosborn erreicht, die jünste Siedlung im Hochspessart. 1765 wurden hier acht Kolonistenhöfe errichtet, heute leben 66 Menschen hier.

Durch das Jossatal geht es Richtung Wiesbüttmoor
Ein Farbtupfer am Wegesrand
Verdichtete Waldbewirtschaftung
Ein lost place……….
Spessartweg meets Eselsweg – eine 111 Kilometer lange historische Handelsstraße
Noch ist man auf hessischem Territorium
Vorbei am Wiesbütter Teich
In den Vorhof des Wiesbüttmoors…
….dort wo seltene Pflanzen wachsen und gedeihen
Zweckmäßig -mangels Kirche hat man in Mosborn einen eigenen Glockenturm gezimmert
Trost – aber alternativlos – die Streckenbeschaffenheit der zweiten Hälfte
Auf der zweiten Hälfte des Spessartweges ist man dankbar für jede Abwechslung, wie hier die im 18. Jahrhundert errichtete Waidmannsruh. Hier sollte übrigens Schneewittchen vom Jäger getötet werden.

Hinter Mosborn führt ein gefühlter Brutalabstieg hinab nach Habichsthal, dort wo eine mächtige Dorflinde die Dorfkirche regelrecht verschanzt, dort wo erstmals ein geöffnetes Gasthaus vorzufinden ist, dort wo am Ortsausgang eine kleine restaurierte Mühle steht und dort wo in zwei Kilometern Entfernung eine Fischerhütte an den Aubachseen zur Einkehr einlädt. Wer sich an Fischerteichen erfreuen möchte, kann gerne dem Streckenverlauf des Spessartweges folgen, der zunächst talabwärts führt, um nach einen Kilometer wieder aufwärts zu ziehen. Alternativ bleibt man auf der Höhe, vorbei an der Fischerhütte, um am Röhrengrundgraben wieder in den Spessartweg einzusteigen. Nach einer längeren wirtschaftsweggebundenen Aufwärtspassage teilt sich glücklicherweise der Spessartweg den letzten Wegeabschnitt mit einem Mountainbiketrail – eine Wohltat für das Laufwerk. Just einen Kilometer vor dem Ziel ist ein Freizeitareal mit angeschlossenem Wildpark anzutreffen, ein idealer Ort für ein Belohnungsbier. Außergewöhnlich aber durchaus bemerkenswert, daß sowohl die Kilometeranzahl als auch die angeschlagenen Höhen- und Abstiegsmeter deckungsgleich mit der Garminanzeige ausläuft. 61 Kilometer final, und 1.550 Höhenmeter im Anstieg die sich auf die Streckenlänge sehr moderat verteilt haben.

Diese Freunde fühlen sich in dieser Senke vor Habichsthal sehr wohl
Die restaurierte Dorfmühle in Habichsthal
Richtung Aubachseen
Spessartweg meets Mountainbiketrail, wobei der 22 Kilometer lange 7-Grottenweg ursprünglich als Wanderweg konzipiert wurde, aber mittlerweile auch bei den Bikern sehr beliebt ist
Mit gegenseitiger Rücksichtsnahme ist eine Wegnutzung für beide Fortbewegungsarten absolut unproblematisch
Vorbei an der Mariengrotte vor Heigenbrücken
Sehr angenehm die letzte Meile durch das Bächlestal
Einst waren hier Glasmacher ansässig, denn man baute Schwertspat zur Silikatgewinnung ab
Wieso heißt der Hochspessart eigentlich Hochspessart?
Kein Freund des Wanderers in der freien Natur – hier jedoch gut abgeschirmt auf Augenhöhe
Wohlverdient nach 60 Kilometern – das Belohnungsbier….
Richtung Bahnhof Heigenbrücken…
unterlegt mit einer stimmungsvollen Weiherimpression

Der Spessartweg 3 im Wandercheck – ein Wandergebot das einen gespalteten Eindruck hinterlässt. Praktikabel ist auf jeden Fall der Bahnanschluß an den beiden Enden des Weges, der eine Wegerschließung in einem Rutsch oder in mehreren Etappen ermöglicht. Überzeugend der erste Abschnitt zwischen Bad Soden-Salmünster und Lettgenbrunn, die zweite Hälfte hinsichtlich der Wegeführung nicht wirklich spannend. Streckenführung parallel zu Kreisstraßen, kilometerlange Passagen auf geschotterten Wirtschaftswegen – hier bleibt am langen Ende der Wandergenuß auf der Strecke. Für einen Weg der noch in diesem Jahr als Qualitätswanderweg zertifiziert werden soll würde Stiftung Wandertest in Gänze ein “ausreichend” vergeben. Es gibt Wanderwege, die man gerne noch einmal in umgekehrter Richtung unter die Sohle nimmt, der Spessartweg 3 zählt hierzu nicht wirklich. Allemal für sportlich ambitionierte Langstreckenwanderer, die ihren Fokus eher auf ein zeitlich fokusssiertes “Strecke machen” legen, ist der Spessartweg 3 als Bootcamp für 24-Stundenmärsche oder andere Herausforderungen ideal.

6 Kommentare

  1. Hallo Martin, das ist ja harte Kritik für den Spessartweg 3. Wir sind vor zwei Wochen den Spessartweg 1 von Gemünden nach Aschaffenburg gewandert mit Stopp in Rothenbuch. Dieser Weg war sehr schön, bietet aber auch Luft nach oben. Mit dem Soonwaldsteig zum Beispiel, den wir letztes Wochenende gewandert sind (Kirn bis Bingen), kann der Spessartweg 1 nicht mithalten.

    • Hallo Ihr Beiden, sicherlich ist aus Sicht von Langstreckenwanderer der Spessart nicht einfach. Dichte Wälder, wenig Aussichtsmöglichkeiten, punktuell versteckte Kleinode, tendentiell immer gegen Kämme laufend – kein Wunder dasss sich hier die Spessarträuber besonders wohl fühlten. Es gibt natürlich auch herrliche Ecken im Spessart, die man auf entsprechenden Kurztouren entdecken kann – mein Fokus liegt halt auf etwas längeren Distanzen, was vielleicht auch etwas die Blickrichtung verschiebt. Aber so hat jeder seine eigene Wahrnehmung.

  2. Hallo Martin,

    Bin den Spessartweg 3 auch durchgelaufen und fand ihn generell sehr schön, jedoch die erste Strecke vom Bahnhof Bad Soden Salmünster bis zu den Hirschhornreichen überhaupt nicht schön, durch Gewerbegebiet geführt anstatt durch den Kurpark und Altstadt. Auch den Golfplatz bei Bad Orb hätte man sich sparen können und wieso muss man einen “kleinen Zaun” übersteigen? Rest alles Recht nett, aber äußerst Kräftezehrend zumindestens für mich 😉 Mich hätte noch deine Wanderzeit interessiert, Grüße Christian

    • Hallo Christian, tja da hat man in Bad Soden Salmünster vermutlich die kürzeste Fluchtrichtung ab Bahnhof gewählt. Für die Gesamtstrecke habe ich insgesamt 13 Stunden gebraucht – nervig war einzig zum Schluß die Rückfahrt per Bahn mit einer zweistündigen Transferzeit inclusive 45 Minuten Zwischenstopp in Hanau. Beste Grüße -Martin-

  3. Hallo zusammen, bin vor 2 Tagen den Spessartweg 3 auch durchlaufen(auch 13h gebraucht). Vielen Dank für die klasse Zusammenfassung der Strecke, die Kritik das zuviele langweilige Schotter Pisten verwendet werden, kann ich nur voll und ganz bestätigen, hab auf den groben Schotterpisten geflucht wie ein Rohrspatz. Schade dass es hier versäumt mehr naturbelassene Wege einzubauen(Pflegeaufwand sparen?). Paar Kilometer mehr wären kein Problem gewesen, da die Etappenvorschläge sowieso ziemlich kurz sind.
    Danke nochmal für das tolle Resümee und die prima Bilder.
    Ralf

    • Herzlich gerne Ralf. Interessant ist, daß man den Spessartweg 3 zur Zertifizierung als “Qualitätsweg wanderbares Deutschland angemeldet hat”. Man sollte mal über die ein oder anderen Kriterien nachdenken. So heißt es beispielsweise “mindestens 35 Prozent der Gesamtstrecke sollen auf »naturnahen Wegen« verlaufen”… und die restlichen 65%….. 🙂
      Beste Grüße -Martin-

Schreibe einen Kommentar zu Julia und Gerold aus Obertshausen Antworten abbrechen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*