Ebernhahn, den 6. August 2016 –
Siebzig Kilometer, die in einem Zeitfenster von 13 Stunden zu absolvieren sind, so die anspruchsvolle Vorgabe der Wanderfreunde Ebernhahn. Erleichternd ist jedoch der Umstand zu gewichten, dass als Startort das Dach des Westerwaldes, die 657 Meter hohe Fuchskaute gewählt wurde, und in toto der gesamte Trail abwärts gerichtet war, auch wenn in Summe mehr als 1.000 Höhenmeter zu absolvieren waren.
Ebernhahn 04.00 Uhr morgens: Auch wenn zweieinhalb Stunden später die ersten Protagonisten zu den Kurzstrecken 42, 21, 12 und 6 Kilometer antreten, herrscht in der Rosenheckhalle schon emsiges Treiben. Während viele Unterstützer des 130 Köpfe umfassenden Organisationsteams schon seit einer Stunde auf den Beinen sind, trudeln nach und nach die 105 Wandertitanen, die sich für den Langstreckenmarsch angemeldet haben, ein.
Die Kaffemaschine brodelt, belegte Brötchen für ein Early-Bird-Frühstück stehen bereit und die Festplatte des Anmeldungs-Notebooks rotiert bereits kräftig. Noch ist Zeit mit dem Ebernhahner Wanderpabst Ernst-Walter Diel zu plauschen. Stolz präsentiert er sein „Heiliges Buch“ eine aufwändige und mit viel Liebe gestaltete Dokumentation seiner nationalen- und internationalen Wander-Highlights der letzten Jahrzehnte. Bildhaft dokumentiert die Treffen mit Luis Trenker, Reinhold Messner, Fernsehauftritte, IVV-Olympiateilnahmen bis nach Japan und China, und und und…. Hätte man heute nichts vor, so könnte man den halben Tag in diesen Erinnerungen schwelgen.
Etwas verwunderlich schon, zumindest für Ebernhahner Verhältnisse, dass sich lediglich 105 Langstreckenwanderer eingeschrieben haben. Augenfällig, dass diesmal viele internationale Wanderer aus den Niederlanden und Belgien nicht am Start sind. Ob dies dem Umstand geschuldet ist, dass vierzehn Tage zuvor die 4daagse von Nijmegen mit bis zu 220 Kilometern stattfand, oder der legendäre Dodentochtmarsch in Belgien mit 100 Kilometern, der in der darauffolgenden Woche einsetzt, lässt sich abschließend nicht ergründen.
So starten ab 05.00 Uhr ein vollbesetzter und zwei halbbesetzte Busse hinauf zur 40 Kilometer entfernten Fuchskaute, dort wo die Wanderer auf die Piste gestellt werden, um vorbei an insgesamt 15 Kontroll- und Verpflegungstationen der in Gänze gut gekennzeichneten Strecke zu folgen. Der Startpunkt, die Fuchskaute, welcher ein erloschener Vulkan ist, ist übrigens ein beliebtes Ausflugsziel mit einer sehr zu empfehlenden Gastronomie.
Bei angenehmen 14 Grad Außentemperatur starten wir 10 Minuten vor Sonnenaufgang. Nach einem kurzen Sonnenaufgangsintermezzo vernebelt zunächst eine gewaltige Nebelglocke die Aussicht auf weitreichende Fernsicht. Schade einerseits, jedoch auch den Vorteil habend, da man unbelastet eines Sonneneintrages den morgendlichen Schwung nutzen kann, um in den ersten drei Stunden gute 20 Kilometer zu absolvieren.
Im Dunstkreis von Rennerod geht es vorbei an Salzburg, von dort aus weiter nach Hof und von hier aus in westlicher Richtung nach Bad Marienberg. Vorbei am dortigen Schulzentrum führt die Passage in einen weitreichenden Waldabschnitt, um über den Kleinen Wolfstein, das Naherholungsgebiet, den Bad Marienberger Wildpark zu erreichen. Neben Aussichtsturm und Hotel mit 360 Grad Restaurant kann man sich hier auch an einen neu angelegten Hochseilgarten austoben, sofern man sich keine Siebzig-Kilometer-Strecke vorgenommen hat.
Durch Bad Marienbergs Ausläufer, Langenbach hindurch, folgt man tendentiell dem Nistertal, dort wo die Große Nister sich bis nach Hachenburg weiterschlängelt, um nach insgesamt 64 Kilometern von der Quelle an der Fuchskaute in die Sieg zu entwässern. Das Nistertal selbst ist ein herausragendes Wanderareal mit Prädikatswegen. Ein Selbstverständnis für die Ebernhahner Wanderfreunde diese hervorragende Wanderinfrastruktur in die Langstreckenwanderung einzubeziehen.
Büdingen touchierend geht es zunächst hinauf zum Steinbruch Nistertal, dort wo am Tertiär- und Industrie-Erlebnispark Stöffel eine Verpflegungsstation eingerichtet ist. Bis zum Jahre 2000 wurde in dem mit rund 140 Hektar größten zusammenhängenden Basaltgebiet des Westerwaldes Stein gebrochen. Heute können historischen Industriebauten besichtigt und die Fossilien der Ölschieferablegerungen bewundert werden.
Weiter folgt man den Qualitätswandererweg Westerwaldsteig Richtung Gräbersberg. Auf herrlichsten Pfaden und Waldzonen, vorbei an fließenden Bächen und Steinsedimenten, die die Waldzonen durchsetzen geht es durch waldreiches Gebiet. Einzig hier ein kleiner Patzer in der insgesamt guten Markierung, der zu einer Ehrenschleife führt, was den Wanderspaß aber nicht mindert, sondern auf den nächsten Kilometern wieder für unterhaltsamen Gesprächsstoff sorgt. Vorbei an Linden und einem Golfplatz geht es in das Areal der Westerwälder Seenplatte. Diese umfasst insgesamt sieben Stauseen, die aufgrund ihrer geringen Tiefe jedoch eher als Weiher oder Teich zu bezeichnen sind. Bereits im 12. Jahrhundert, so sagt man, betrieben hier Mönche eine intensive Fischzucht. Hochwertig das hiesige Freizeitangebiet.
Eine Vielzahl moderner Campingplätze legen Zeugnis ab, dass dieses Areal gerne als Erholungsgebiet frequentiert wird. So geht es durch die weitreichende Seenlandschaft, Steinebach umrundend, südwärts nach Freilingen um von hier aus Richtung Zürbach und Maxsain einzuschwenken. Die letzten zehn Kilometer führen via Quirnbach und Helferskirchen durch eine Waldpassage nach Siershahn und von dort zurück in die Rosenheckhalle nach Ebernhahn.
Just in time sind bei herrlichsten Wanderbedingungen 72 Kilometer bei knapp 1.200 Höhenmetern Anstieg und 1.400 Höhenmeter Abstieg absolviert. Zwei Leberwurstsemmeln,Traubenzucker, Bananen, Schmalzbrotschnittchen, Salzstangen, unzählige Liter Tee und Wasser, so die Energiebilanz dieses Trails. Ein großes Kompliment an das gesamte Team der Ebernhahner Wanderfreunde für die ausgezeichnete Organisation. Dort wo Ebernhahn draufsteht, ist eben Ebernhahn drin! Einzig eine Nachricht legt einen Schatten über diesen herrlichen Wandertag. Die Aussage des Vorsitzenden Ernst-Walter Diehl, künftig keine Langstreckenwanderungen mehr anbieten zu wollen. So ist für 2017 lediglich eine 25 Kilometer-Wanderung eingeplant. „Am langen Ende ist das eine Frage der Wirtschaftlichkeit und nicht zwingend der Organisationstruktur gewesen“, so Diel,s Statement. Bedenklich stimmt, wenn schon das „Wandermekka“ Ebernhahn sich aus der Langstreckenszene zurückzieht, wie es denn dann erst bei anderen Anbietern bestellt ist. Möge die Hoffnung bestehen, dass der außergewöhnliche Verein irgendwann wieder einlädt zu einer außergewöhnlichen Wanderveranstaltung.
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