Schlangenbad, den 19. Dezember 2015
Exakt 8 Stunden und 2 Minuten liegen zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang. An und für sich Zeit genug um die restlichen 40 Kilometer des Taunushöhenweges Richtung Rhein zu absolvieren.
Wir starten bereits eine Stunde vor Sonnenaufgang um 7.30 Uhr im hessischen Heilbad Schlangenbad, bei immerhin unglaublichen 10 Grad Außentemperatur zu frühen Morgenstunde. Schlangenbad selbst noch im Dämmerschlaf. Einzig die Kücheneinrichtungen in den Kurkliniken und Hotels sind bereits hell erleuchtet, um sich einzurüsten für die hungrigen Klinik- und Hotelgäste.
Zunächst folgen wir den Überlauf der Schlangenbadener Thermalquellen, dem Warmen Bach. Noch ist es dunkel, Stirnlampeneinsatz ist angesagt. Am Parkplatz hinter dem Parkhotel befindet sich eine Informationstafel die auf den Wanderweg Rheingauer Gebück hinweist. Hierbei handelt es sich um eine aus „gebückten“ Buchen bestehende Grenzbefestigung, die den Rheingau 600 Jahre lang bis zum Ende des 18. Jahrhunderts umschloss. Dicht an dicht wurden Triebe und Zweige von gekappten Bäumen verflochten, um eine meterhohe, undurchdringbare Hecke anzulegen. Dadurch entstand ein engmaschiger natürlicher Zaun aus Bäumen, der stellenweise bis zu hundert Meter breit war. Bei einem vergeblichen Angriff des Erzbischofs von Isenburg im Jahre 1461 begutachtete Selbiger die Naturverteidigungsanlage und befand sie für uneinnehmbar.
Vorbei an Hausen von der Höhe geht es dem markanten Rheingauer Gebück-Zeichen (zwei verflochtene Bäume) folgend, dem Förster-Bitter-Weg entlang zur Mapper Schanze. Hier kann man das letzte erhaltene Torbollwerk des Gebücks besichtigen, welches 1494 zur Sicherung der Straße von Oestrich in Richtung Geroldstein errichtet wurde.
Unterhalb der Kalten Herberge (619m), dem höchsten Gipfel des Rheingau-Gebirges, geht es vorbei an dem im Nebel liegenden Stephanshausen, dem nördlichsten Stadtteil von Geisenheim. Drei Kilometer außerhalb der Gemeinde erreichen wir nach 20 Kilometer das Forsthaus Weißenthurm, an und für sich ein idealer Punkt zur Einkehr – allerdings nicht im Dezember, wo die Gaststätte geschlossen ist. Auch hier stand übrigens ein Bollwerk, welches 1816 abgerissen wurde.
Am Forsthaus verpassen wir eine Abbiegung und queren eine Waldpassage abwärts zum Ellmacher Bach, um auf einen naturbelassenen Pfad parallel zum offiziellen Taunushöhenweg in das Wispertal hinabzugehen. Auf der gegenüberliegenden Seite ist wegen Treibjagd abgesperrt, dafür haben wir auf dem Pfad einige massive Baumleichen zu queren, die die Talenge regelrecht versperren. Das Wispertal ist ein sehr schönes Seitental im UNESCO-Weltkulturerbeareal Oberer Mittelrhein. Markant die Gesteine von rot eingefärbten Quarziten bis zum rheintypischen Schiefer. Unterhalb der Kammerburg befindet sich laut Karteneintrag eine weitere Einkehrmöglichkeit. Zwar ist die Straße frisch geteert, das Areal jedoch verwaist, die ehemalige Gaststätte außer Betrieb. Wieder einmal mehr ist eine mitteleuropäische Fastenwanderung angesagt, jedoch nichts Ungewöhnliches in unseren Landen, insbesondere wenn man sich zum Jahresende nicht auf den Mainstreampfaden bewegt.
So ziehen sich die nächsten zwei Kilometer zunächst asphaltlastig, dann aufwärts Richtung Ransel gehend, die Kommune, die von 1919 bis 1923 im Freistaat Flaschenhals lag.
Freistaat Flaschenhals
Die westlich des Rheins gelegenen Provinzen waren damals von den alliierten Streitkräften besetzt. Dabei richteten die Siegermächten bei Köln, Koblenz und Mainz halbkreisförmige Brückenköpfe mit einem Radius von 30 km ein. Die französischen Brückenköpfe von Mainz und die Amerikanischen von Koblenz berührten sich bei Laufenselden im Taunus. Kreise, die sich berühren hinterlassen logischerweise einen Freiraum. Somit war der Freistaat Flaschenhals geboren.
Bei Nacht und Nebel über den Rhein blühte auch der Schmuggelverkehr, der allerdings von den Franzosen vom linken Rheinufer aus mit starken Scheinwerfern überwacht und gestört wurde. Mutige Freistaatsbuben ließen am Lorcher Ufer gerne die Hosen herunter um sich kostenlos beim Franzmann das Hinterteil “bestrahlen” zu lassen.
Ransel selbst an diesem Dezembermittag regelrecht ausgestorben – auch hier keine Perspektive für einen Weißbierstopp. Die Landesgrenze zu Rheinland-Pfalz querend geht es abwärts nach Sauerthal, und vorbei an der Sauerburg, die sich heute im Privatbesitz befindet.
Von hier aus hat man nach fünf Kilometern das Rheinstädtchen Kaub erreicht. Wir verzichten den 110 Meter hohen Bergsporn samt Burg Gutenfels zu erklimmen sondern steuern nach 40 Kilometern und 970 Höhenmetern den gegenüber der Rheinpfalz liegenden Bahnhof an.
145 Kilometer Taunushöhenweg mit 4.000 Höhenmetern, ein erlebnis- und abwechslungsreicher Streckentrail von Butzbach nach Kaub, bequem in vier Etappen zu absolvieren – gangbar auch zur Jahresendzeit, wobei Schneefreiheit sichergestellt sein sollte.
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